Aktuell sorgt ein Dokument bei Behörden, beim Gipskonzern Knauf in Iphofen (Lkr. Kitzingen) und unter Umweltschützern in Unterfranken für Irritationen. Die Rede ist von einer Bestandsaufnahme der Gipsvorkommen in Deutschland aus dem Jahr 2021, die Umweltschützer jetzt im Internet entdeckt haben.
Sie wurde von den Staatlichen Geologischen Diensten der Länder auf Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums angefertigt. Demnach soll es bereits vor zwei Jahren für Knaufs geplantes Gipsbergwerk in der Altertheimer Mulde westlich von Würzburg einen "Kompromiss mit den Wasserwirtschaftsbehörden" gegeben haben.
Angeblicher "Kompromiss mit den Wasserwirtschaftsbehörden" zu geplantem Bergwerk
Brisant ist das, weil das Genehmigungsverfahren für das Bergwerk im Landkreis Würzburg überhaupt noch nicht begonnen hat. Außerdem laufen die Planungen für Bayerns zweitgrößtes Trinkwasserschutzgebiet im gleichen Gebiet.

Gab es also bereits im Jahr 2021 eine Absprache zwischen den Behörden und der Firma Knauf? Eine Erlaubnis für den Gipsabbau in Unteraltertheim, wenn sich Knauf mit reduzierten Abbaumengen zufriedengibt?
Regierung von Unterfranken spricht von "sprachlicher Unschärfe"
Mit dem Dokument konfrontiert, antwortet Andreas Gabriel, zuständig für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit bei der Firma Knauf: "Nein, eine solche Absprache gab es nicht, und wir können uns auch nicht erklären, wie es zu dieser Annahme kommt."
Auch die Regierung von Unterfranken zeigt sich überrascht. Sprecher Alexander Warkotsch spricht von "sprachlicher Unschärfe". Der Regierung sei "kein Kompromiss mit den Wasserwirtschaftsbehörden" bekannt, wonach der Abbau des Gipsvorkommens "ausgehandelt" würde. Er betont: "Die umfassenden, komplexen Untersuchungen und Planungen laufen noch."
Rohstoffgeologe rudert zurück: "etwas unglücklich" ausgedrückt
Wie aber kommt der Autor der "Bestandsaufnahme der Gipsvorkommen in Deutschland" zu der Annahme? Rohstoffgeologe Klaus Poschlod aus Oberbayern, der bis November 2022 für das Bayerische Landesamt für Umwelt tätig war und nun im Ruhestand ist, bedauert auf Nachfrage, dass sich an seiner Formulierung einige Leute gestört hätten. Er habe sich "etwas unglücklich" ausgedrückt. Die Chance für das geplante Bergwerk stand damals wie noch heute 50 zu 50.

Aktuell werden die Ergebnisse von 18 Bohrungen in der Altertheimer Mulde ausgewertet, für die Knauf einen Millionenbetrag in die Hand genommen hat. Eine Tochterfirma des TÜV Nord erstellt ein Gutachten, das im Frühjahr 2024 erwartet wird. Es soll klären, ob das Bergwerk das Grundwasser und infolgedessen auch die Trinkwasserversorgung der Stadt Würzburg beeinträchtigen könnte. Erst wenn sichergestellt ist, dass keine Gefahr droht, soll das Genehmigungsverfahren für das Bergwerk eröffnet werden.
Kann Knauf in der Altertheimer Mulde weniger Gips abbauen als geplant?
Wie hätte der angebliche "Kompromiss" aussehen sollen? Wörtlich heißt es dazu in dem Dokument vom September 2021: "Das geplante Bergwerk Altertheim würde den Gipsbedarf nur für weitere 30 bis 40 Jahre statt der ursprünglich erhofften 80 bis 100 Jahre decken (...). Dies ist dem Kompromiss mit den Wasserwirtschaftsbehörden geschuldet." Und weiter: "Es können nur 6 bis 7,5 Meter dicke Gipsschichten statt der ursprünglich geplanten 16 Meter Gips abgebaut werden."
Könnte also Knaufs Vorhaben mit Top-Priorität drastisch schrumpfen?
Die Situation in Unteraltertheim sei "wasserwirtschaftlich diffizil", sagt Poschlod auf Nachfrage. Grundwasserstockwerke sollten nicht unterbrochen werden. Wasser aus höheren Schichten sollte sich nicht mit Wasser aus tieferen Schichten verbinden, erklärt der Rohstoffgeologe. Dies sei bei dem geplanten Bergwerk aber schwierig, da der Gips über eine 700 Meter lange schräge Rampe nach oben transportiert werden soll, die die Grundwasserschichten durchquere.
Das Wasserwirtschaftsamt habe deshalb schon vor einigen Jahren vorgeschrieben, dass zwischen einem möglichen Bergwerk und dem darüber liegenden größten Grundwasserleiter mindestens neun Meter Sicherheitsabstand liegen müsse. "Das war kein Kompromiss, sondern eine Vorgabe", sagt Poschlod. Diese Vorgabe und die sich daraus ergebenden möglichen Abbaumengen habe ihm der damalige Geologe der Firma Knauf mitgeteilt.
Knauf widerspricht: "Die Annahme etwaig reduzierter Mengen ist nicht korrekt"
Knauf-Sprecher Andreas Gabriel widerspricht: "Für uns ist schon lange klar, dass wir Gips in einer Höhe von etwa sieben Metern abbauen wollen, unter einer abdichtenden Schicht von etwa neun Metern. Beide Zahlen stehen so bereits in unserem Rahmenbetriebsplan aus dem Jahr 2017."

Die Firma Knauf geht also von denselben Zahlen aus wie die staatlichen Geologen. Mit einer Ausnahme, so Gabriel: "Die Annahme etwaiger reduzierter Mengen ist nicht korrekt." Die geologischen Dienste hätten für die Bestandsaufnahme der Gipsvorkommen in Deutschland eigenständig gearbeitet. Der Knauf-Sprecher sagt: "Da wir nicht eingebunden waren, können wir nicht beantworten, woher die Zahlen stammen."
Laut Knauf ist geplant, in den ersten fünf bis zehn Jahren 300.000 Tonnen Naturgips pro Jahr in Altertheim aus der Erde zu holen. Anschließend sollen es eine Million Tonnen Gips pro Jahr sein. Legt man diese Zahlen zugrunde, könnte in der Altertheimer Mulde sowieso nur 38 bis 45 Jahre lang Gips abgebaut werden und keine 80 bis 100 Jahre.
Bund Naturschutz hat ein anderes Problem
Norbert Herrmann, Vorsitzender der Ortsgruppe des Bund Naturschutz in Zell am Main (Lkr. Würzburg) hat damit ein anderes Problem. Er sagt: "Für lediglich 30 Jahre Gipsabbau sollten wir nicht die Trinkwasserversorgung der Region Würzburg auf Dauer riskieren." Denn auch wenn der Gips aus der Erde geholt sei, bleibe die Gefährdung für das Wasser bestehen.