Vor neun Monaten hat der bayerische Landtag beschlossen, dass das Umweltministerium eine "umfassende Datenbasis" über Wasserentnahmen in Unterfranken schaffen soll. Es war die Reaktion auf die enthüllenden Ergebnisse einer gemeinsamen Recherche von Main-Post und Bayerischem Rundfunk (BR) zu staatlichen Kontrolldefiziten. Jetzt liegt der bislang unveröffentlichte Bericht des Ministeriums der Redaktion vor.

Wie kam das siebenseitige Papier zustande und was steht darin? Das Wichtigste aus dem Ministeriumsbericht im Überblick.
Wer entnimmt in Unterfranken wie viel Wasser?
Etwa 214.900.000 Kubikmeter Wasser durften laut dem Bericht des bayerischen Umweltministeriums im Jahr 2022 aus der Natur in Unterfranken entnommen werden. Das meiste Wasser, etwa 75 Prozent, entnimmt die Industrie - und zwar zu etwa 80 Prozent aus Flüssen, Bächen und Seen.
Rund 35 Prozent des von der Industrie entnommenen Wassers werden zu Kühlzwecken verwendet und anschließend wieder zurückgeführt. Der größte Teil gelange aber über Kläranlagen (wieder) in die Gewässer, so das Ministerium.

15 Prozent der gesamten Entnahmemenge in Unterfranken wird für Brauchwasser, also für die Bewässerung von Sportplätzen, Grünanlagen oder zur Kieswäsche und Kanalreinigung verwendet. Das Wasser dazu stammt zu 75 Prozent aus Oberflächengewässern. Bei der Hälfte aller Wasserrechte in Unterfranken geht es um Brauchwasser.
Etwa 10 Prozent der gesamten Entnahme aus Grundwasser und Oberflächengewässer entnehmen die Landwirtschaft und Lebensmittelproduzenten. Zu etwa 70 Prozent geht es dabei um Grundwasser.
Nach Wasser-Recherche: Wie kam es zu dem Ministeriumsbericht?
Nachdem Main-Post und Bayerischer Rundfunk (BR) im Mai 2023 in einer gemeinsamen Recherche offenlegten, dass niemand den Überblick darüber hat, wie viel Wasser in Unterfranken tatsächlich aus der Natur entnommen wird, zweifelten CSU und Freien Wähler im Landtag die Ergebnisse an. In einer Sitzung des Umweltausschusses im Sommer 2023 forderten die Abgeordneten die Staatsregierung auf, die in zahlreichen Berichten aufgeworfenen Fragen zu den Missständen bei der Wasserentnahme-Praxis zu beantworten.
"Wo die Presse diese klugen Erkenntnisse herhat, weiß ich nicht."
Gerhard Eck, damaliger CSU-Abgeordneter, im Sommer 2023
Die schriftliche Begründung des Antrags führte zu lautstarken Wortwechseln im Landtag. Denn darin heißt es, die beiden Medien hätten in ihrer Berichterstattung "die teilweise Unkenntnis der Behörden bei der Entnahme von Wasser in der Region Unterfranken unterstellt". Der damalige CSU-Abgeordnete Gerhard Eck sagte: "Wo die Presse diese klugen Erkenntnisse herhat, weiß ich nicht."
Daten-Analyse zu Wasserentnahmen: Wie ist das Recherche-Team vorgegangen?
Ein Reporterteam aus sechs Journalistinnen und Journalisten von Main-Post und BR erfragte bei allen Landratsämtern und kreisfreien Städten in Unterfranken alle Wasser-Entnahmerechte für das Jahr 2022 – außerdem die tatsächlich entnommenen Wassermengen in den Jahren 2018 bis 2021. Die Redaktionen werteten Daten von mehr als 2000 Wasserrechten von Industrie, Landwirtschaft, Weinbau, Kommunen, Vereinen, Fischwirten und Privatpersonen aus.
Das Rechercheteam sprach mit allen zuständigen staatlichen Stellen und Fachbehörden in Unterfranken. Unterstützt mit fachlicher Expertise wurden die Redaktionen von Prof. Theodor Strobl, ehemaligen Lehrstuhlinhaber der TU München. Der Wasserbau-Ingenieur arbeitete zuletzt an einem von der bayerischen Staatsregierung beauftragten Gutachten einer Expertenkommission zur Sicherung der Wasserversorgung in Bayern mit.
Warum war das Ergebnis der Wasser-Recherche so brisant?
Bei mehr als der Hälfte aller 1400 Grundwasser-Rechte wussten die zuständigen Ämter in Unterfranken im Jahr 2022 nicht, wie viel Wasser im Vorjahr tatsächlich abgepumpt worden war. Ob sich Industrie, Landwirte und Vereine an ihre erlaubten Wassermengen gehalten hatten, wusste niemand.
Allein in einem Jahr hätten die Entnehmer, zu denen für das Jahr 2021 keine Meldungen über ihre entnommene Wassermengen vorlagen, sechs Millionen Kubikmeter Grundwasser entnehmen dürfen. Das entspricht einer Wassermenge von mehr als 2000 großen 50-Meter-Olympia-Schwimmbecken.
Bezog man in die Auswertung auch alle Flüsse, Quellen, Bäche und Seen in Unterfranken mit ein, wussten die Behörden bei fast 60 Prozent aller Entnahme-Genehmigungen von 2018 bis 2021 in keinem einzigen der vier Jahre, wie viel Wasser tatsächlich aus der Natur entnommen worden war. Und das, obwohl die Grundwasserneubildung im trockenen Unterfranken seit 20 Jahren rückläufig ist.
Was sagten die Fachbehörden zu den Ergebnissen der Wasser-Recherche?
Axel Bauer, Leiter Wasserwirtschaft bei der Regierung von Unterfranken, bestätigte: "Es gibt immer Fälle, in denen man den Daten hinterherläuft." Es sei wie im Straßenverkehr: "Es gibt Regeln. Es gibt aber auch Tausende Überschreitungen jedes Jahr." Die relevanten Wasserentnahmen habe man aber im Blick.
Die Leiterin des Bad Kissinger Wasserwirtschaftsamtes, Birgit Imhof, sagte: "Alles, was uns vorgelegt wird, prüfen wir. Eine Größenordnung zu nennen, für das, was wir nicht haben, ist schwer, weil wir nicht wissen, was uns aktuell fehlt."
Und Friedrich Altmann, der damalige Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg, resümierte: "Wir können nur Schlimmeres verhindern." Eine flächendeckende Kontrolle sei aufgrund von Personalmangel, fehlender Digitalisierung und dem "in der Vergangenheit oft zu sorglosen Umgang mit dem Wasser" nicht zu gewährleisten.
Kann der aktuelle Ministeriumsbericht die Wasser-Recherche entkräften?
Das Umweltministerium sieht in der Aufarbeitung der Wissenslücken über Wasserentnahmen in Unterfranken "keinen fachlich-inhaltlichen Nutzen", heißt es jetzt in dem Bericht. Gleichzeitig verspricht das Ministerium, die Datenlage in ganz Bayern verbessern zu wollen.
Kein Wort findet sich in dem vorliegenden Papier zum Umfang und Ausmaß der Datenlücken bei den Wasserbehörden. Nur soviel: Wasserwirtschaftsämter und Kreisverwaltungsbehörden haben aufgrund ihrer unterschiedlichen Aufgaben unterschiedliche Daten über Wasserentnahmen in Unterfranken.

Diese Daten miteinander "in händischer Recherche" abzugleichen, würde zu viel Personal binden, "das dann für wichtige Vollzugsaufgaben nicht mehr zur Verfügung stünde", heißt es in dem Berich. Das sei ein "immenser, unverhältnismäßiger Aufwand".
Ist Wasserklau in Unterfranken ein Problem? Der Ministeriumsbericht sagt dazu: Anhand der Daten, die den Wasserwirtschaftsämtern vorliegen, nutzen Entnehmer ihre genehmigten Wassermengen beim Grundwasser zu zwei Drittel, beim Oberflächenwasser (Flüsse, Bäche) nur zu einem Drittel.
Bei Überschreitungen, die die Behörden entdeckt haben, habe es sich mehrheitlich um "geringfügige Mengen" und "wasserwirtschaftlich untergeordnete Fälle" gehandelt, die "keine gewässeraufsichtsrechtlichen Konsequenzen" nach sich gezogen hätten. In einigen Fällen seien Abmahnungen erfolgt. Und in einigen wenigen Fällen seien Ordnungswidrigkeiten eingeleitet worden.
Welche Verbesserungen verspricht das Umweltministerium bei den Wasserentnahmen?
Trotzdem, so die Erkenntnis des Umweltministeriums in seinem Bericht, sei auch die "Stärkung der Datenermittlung und -kontrolle" in Bezug auf tatsächlich entnommene Wassermengen wichtig, um "passgenauere Maßnahmen zum Schutz der Gewässer umsetzen zu können".
In einem ersten Schritt werde deshalb die Bergtheimer Mulde im Landkreis Würzburg zur Pilotregion in Bayern. Dort sollen künftig alle relevanten Wasserentnahmen, Grundwasserpegel und Oberflächenabflüsse mithilfe von Funkzählern digital erfasst werden.
Außerdem soll in Bayern künftig ein digitales Wasserbuch eingeführt werden - mit Daten, die "leicht abrufbar" sind, "um Auswertungen vorzunehmen und bessere Erkenntnisse für die Bewirtschaftung der Gewässer gewinnen zu können".
Wie sagen SPD und Grüne zu dem Bericht aus dem Umweltministerium?
Der unterfränkische SPD-Abgeordnete Volkmar Halbleib sagt, die Zahlen aus dem Ministeriumsbericht seien mit Vorsicht zu genießen. "Denn wir wissen ja anhand des Berichts nicht: Haben die Entnehmer ihre tatsächlichen Entnahmen überhaupt gemeldet? Waren es funktionierende Wasseruhren? Ich gehe von einem Graubereich aus."
"So kann ein Wassermanagement, das wir in Bayern im Klimawandel dringend brauchen, nicht funktionieren."
Volkmar Halbleib, SPD-Abgeordneter, zu dem aktuellen Bericht
Der Bericht bestätige das "Datenchaos zwischen Fach- und Vollzugsbehörden" bei den Wasserentnahmen. Daher habe man kaum einen Überblick über die tatsächlich entnommenen Wassermengen. Halbleib sagt: "So kann ein Wassermanagement, das wir in Bayern im Klimawandel dringend brauchen, nicht funktionieren."

Der Würzburger Grünen-Abgeordnete Patrick Friedl meint: "Wenn Transparenz das Ziel des Berichts war, bin ich ratlos. Kein Wort zu zeitlich unbefristeten Entnahmen, kein Wort zu den fehlenden Daten – schwierig."
Positiv bewertet Friedl, dass Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) selbst vor einigen Monaten "jährlich bis zu rund 560 Millionen Euro und etwa 500 Stellen allein im Bereich der Wasserwirtschaft" gefordert hat. Glaubers Begründung: Bis 2065 könnten Bayerns Wasserressourcen regional bis zu 25 Prozent schrumpfen und zeitgleich könnte der Bewässerungsbedarf auf Bayerns Feldern bis 2050 um 19 Prozent steigen.
Für den Grünen-Politiker ist deshalb klar: Bekommt Bayerns Umweltministerium nicht endlich mehr Geld und Personal, würden die Folgekosten erheblich höher. "Das Umweltministerium hat das Problem erkannt, die Regierung will nicht handeln, das Problem liegt bei Markus Söder", so Friedl.