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Würzburg: Wo Unterfrankens ärmste Kinder leben

Würzburg

Wo Unterfrankens ärmste Kinder leben

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    Armut ist auf den ersten Blick oft nicht erkennbar. Der neue Atlas der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zur sozialen Ausgrenzung in Bayern beschäftigt sich mit Kinderarmut, die auch in Unterfranken zunimmt. 
    Armut ist auf den ersten Blick oft nicht erkennbar. Der neue Atlas der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zur sozialen Ausgrenzung in Bayern beschäftigt sich mit Kinderarmut, die auch in Unterfranken zunimmt.  Foto: Christian Charisius, dpa

    Sie würden gerne mit ihren Freunden Geburtstag feiern, aber eine solche Feier kostet Geld. Viel Geld. Zu viel für ihre Eltern, die so schon kaum wissen, welchen Cent sie noch umdrehen sollen, damit sie nicht weiter ins Minus rutschen. Den Fußballverein haben sie schon gestrichen. Die Schuhe waren zu klein geworden. Ein Neukauf unmöglich. Helfende Hände gibt es. Viele sogar. Das Problem ist jedoch die sogenannte Schweigespirale.

    "Betroffene reden nicht gerne über solche Probleme. Sie erdulden sie lieber still. Und Politiker reden lieber über ihre Erfolge, als über das, was in ihrem Bundesland im Argen liegt", sagt Professor Thomas Beyer, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Bayern, im Gespräch mit dieser Redaktion. Und er geht noch weiter: "Das reiche Bayern geht in vielen Fällen mit Kindern und ihren Familien beschämend um!" Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung leben in Unterfranken zwar "offiziell nur“ zwölf Prozent der Kinder unterhalb der Armutsgrenze, doch die Zahl der Kinder, die ohne Frühstück in die Schule kommen und für die Klassenfahrten ohne Hilfen nicht zu stemmen sind, steigt auch in der Region an.

    Armut ist ein Lebensthema 

    Für Selbstzufriedenheit der für die Familienpolitik Verantwortlichen, so Beyer, bestehe kein Anlass. An diesem Freitag stellt Beyer zusammen mit dem Geschäftsführer des Berliner Zukunftsforums Familie (ZFF), Alexander Nöhring, in München erstmals den zweiten Atlas zur sozialen Ausgrenzung in Bayern vor. Der erste Atlas aus dem Jahr 2015 hatte sich mit allgemeinen Aspekten von Ausgrenzung befasst, im aktuellen liegt der Fokus auf Kinderarmut.  Rund 120 000 junge Bayern unter  16 Jahre leben demnach schon von Hartz IV. 

    Eine warme Mahlzeit am Tag, so wie auf diesem Symbolbild, ist auch in Unterfranken keine Selbstverständlichkeit mehr. 
    Eine warme Mahlzeit am Tag, so wie auf diesem Symbolbild, ist auch in Unterfranken keine Selbstverständlichkeit mehr.  Foto: Jens Büttner, dpa

    Konkret wirft Beyer den Politikern Untätigkeit vor. Wenn überhaupt, dann gehe es nur schleppend voran bei einem Thema, das keinen Aufschub mehr dulde. Es gehe hier um Kinder, für die eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben immer schwieriger werde, wenn sie nicht schon unmöglich sei.  Aktiv werden, nachhaltige Debatten auf den Weg bringen, das undurchschaubare Dickicht aus Kindergeld, Kinderfreibetrag, Basiselterngeld, Kinderregelsatz, Kinderzuschlag und Unterhaltsvorschuss auflösen, ein Existenzminimum für Kinder auf den Weg bringen - so sieht Hilfe für arme Familien nach Ansicht der AWO-Experten aus. Armut begleite die meisten Menschen über viele Jahre. Sie sei oft ein Lebens- und nicht bloß ein Tagesthema.

    "Betroffenen reden nicht gerne über solche Probleme. Sie erdulden sie lieber still."   

    Thomas Beyer, Landesvorsitzender der AWO Bayern 

    "Kinder aus armen Familien spüren, dass etwas nicht stimmt. Wer zugibt, dass kein Geld da ist, wird schnell als Loser abgestempelt. Kinder ziehen sich dann zurück oder beginnen in ihrer Not auch zu lügen, um bloß nicht in so eine Ecke gedrängt zu werden", sagt Beyer. Der Anteil an Kindern unter 15 Jahren, die in Haushalten mit Arbeitslosengeld II aufwachsen, sei zwar von 126 000 im Jahr 2016 auf 116 000 zurückgegangen, was vermutlich dem Wirtschaftswachstum geschuldet sei, allerdings sei das nicht als Entspannung der Lage zu werten. Dazu komme, dass Armut und Arbeitslosigkeit heute nicht mehr so deutlich in Abhängigkeit zueinander stünden wie früher.

    Armut bedeutet häufig soziale Ausgrenzung. Kinder, so wie das kleine Mädchen auf dem Symbolbild in einer Plattenbausiedlung in Frankfurt/Oder, trifft es besonders hart. 
    Armut bedeutet häufig soziale Ausgrenzung. Kinder, so wie das kleine Mädchen auf dem Symbolbild in einer Plattenbausiedlung in Frankfurt/Oder, trifft es besonders hart.  Foto: Patrick Pleul, dpa

    Es mangele zudem an Betreuungsangeboten, vor allem Alleinerziehenden seien deshalb die Hände gebunden. Gerade mal 27 Prozent der Kinder unter drei Jahren haben in Bayern einen Betreuungsplatz. Bundesweit sind es 33 Prozent. Um so schlimmer findet Thomas Beyer Vorurteile, wie "die sind selbst schuld, sollen sie doch arbeiten gehen." Dabei könne jeder völlig unverschuldet in die Armutsfalle geraten. Trennung, hohe Miete, Arbeitslosigkeit - die Gründe liegen auf der Hand.

    Auffälliges Stadt-Land-Gefälle 

    In Unterfranken, so Beyer, gebe es keine wesentlich anderen Entwicklungen wie in anderen Teilen Bayerns. Auffällig sei das Stadt-Land-Gefälle, wenn es um den Anteil der Kinder unter 18 Jahre geht, die in Hartz-IV-Familien leben. In Schweinfurt etwa sind es 21,9 Prozent, im Landkreis Schweinfurt indes nur 4,4 Prozent. In Aschaffenburg liegt der Anteil bei 15,4 Prozent, in Würzburg bei 13 Prozent. Ländliche Gegenden indes wie Bad Kissingen oder Rhön-Grabfeld liegen mit 5,5 und 4,5 Prozent weit unter den Städten. "Auf dem oftmals geschmähten Land gibt es offenbar mehr Unterstützung als in den Städten", so der AWO-Landesvorsitzende.             

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