Im Stadtarchiv an der Kellereistraße geht es nicht nur sehr beengt zu. Das Dach ist schadhaft. Feuchtigkeit dringt ein. Und auch ansonsten genügt der Bau nicht mehr den strengen Anforderungen an ein Archiv. Es fehlen vernünftige Arbeitsmöglichkeiten und moderne Techniken. Das Raumklima ist problematisch für die historisch wertvollen Archivalien.
Zudem ist geplant, das Gebäude, das der Stadt gehört, zu verkaufen. Als möglicher neuer Standort wurde bisher vor allem das ehemalige Amtsgericht, gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite gehandelt. Fachleute machten aber ein weiteres Objekt aus und kürten es zum Favoriten: die ehemalige Zehntscheune zwischen Hauptstraße und Zwinger, besser bekannt als früheres Feuerwehrhaus. Über den Vorschlag wurde im Hauptausschuss des Stadtrates diskutiert.
Kreisarchivpfleger Peter Wamsler und Stadtarchivar Peter Wesselowsky hatten insgesamt drei Objekte in Augenschein genommen, außer Amtsgericht und Zehntscheune auch das ehemalige Schwesternwohnhaus im Spital.
Dieses kam auf den letzten Platz, weil der Sanierungsaufwand zu hoch ist. Die Statik der Holzböden scheint für schwere Schränke nicht auszureichen. Auch die Randlage sei unvorteilhaft.
Zimmer für schmutzige Arbeiten
Platz zwei belegte das ehemalige Amtsgericht, das der Freistaat nach langjährigen Bemühungen vor einiger Zeit endlich veräußern konnte. Ebenfalls in privater Hand ist mittlerweile das alte Feuerwehrhaus, das die beste Bewertung erhielt. Im Erdgeschoss stünden rund 200 Quadratmeter für ein Archiv zur Verfügung. Einen Planentwurf der heutigen Eigentümer, die ursprünglich das ganze Haus komplett für Wohnungen geplant hatten, konnte der Ausschuss betrachten.
Das Magazin, in dem die empfindlichen alten Originaldokumente gelagert werden, könnte wegen der starken Mauern verhältnismäßig einfach auf die richtige Temperatur und Luftfeuchtigkeit gebracht werden.
Ganz wichtig ist Peter Wamsler moderne Technik, damit Archivalien auf digitale Medien übertragen werden können, um sie leichter nutzbar zu machen und damit die Originale nur noch möglichst selten angefasst werden müssen.
Möglich wäre dies in der Zehntscheune ebenso wie eine Registratur, sowie ein Zimmer für „schmutzige Arbeiten“, beispielsweise, wenn Material zur Verfügung gestellt wird, das vorher unsachgemäß aufbewahrt war und erst gereinigt werden muss.
Vorteile wären der barrierefreie Zugang, Parkplätze, sowie die Nähe zu Bauamt und Rathaus. Die Sanierung des Hauses würden die Eigentümer vollständig übernehmen. Der Archivbereich würde an die Stadt vermietet, die ihrerseits nur noch für die Archivausstattung selbst sorgen müsste.
In der Ausschusssitzung warnte Toni Gernert vor einem Schnellschuss und zeigte sich überrascht über den neuen Vorschlag. Seiner Kenntnis nach sei das Amtsgericht im Gespräch gewesen. Dem Bürger müsste überhaupt vermittelt werden, warum die Stadt eine zentrale Liegenschaft wie die Zehntscheune verkauft, um dann einen Teil davon zurück zu mieten. Die Kosten müssten auf den Tisch und Alternativen geprüft werden. Gernert möchte das Schwesternheim, das der Stadt gehört, keineswegs außen vor lassen.
Kosten sollen ermittelt werden
Bürgermeister Rainer Friedrich entgegnete, dass schon im Bauausschusss das Amtsgericht in Zweifel gezogen worden sei. Beim Schwesternwohnheim sei der bauliche Zustand und der hohe Sanierungsaufwand zu beachten. Allein für den Arkadengang wären vermutlich 400 000 Euro nötig.
Wolfgang Karl empfahl, für alle drei Objekte die Kosten zu ermitteln und transparent darzustellen. Diesem Vorschlag schloss sich die Mehrheit der Stadtratsmitglieder des Hauptausschusses bei zwei Gegenstimmen an.
Ratsprotokolle seit 1516
Als Gedächtnis der Stadt bezeichnete Kreisarchivpfleger Peter Wamsler das Ochsenfurter Stadtarchiv. Im „klassischen Archiv“ finden sich viele Urkunden, deren älteste von 1366 stammt und erstmals die Existenz eines Spitals nachweist. Erhalten sind auch Rechnungsbücher seit 1496. Zu den besonderen Schätzen zählt Stadtarchivar Peter Wesselowsky die Ganzhornsche Bibliothek aus dem 15. und 16. Jahrhundert, also aus der Frühzeit der Druckerkunst. Zum Archivgut gehören weiterhin sämtliche Ratsprotokolle von 1516 bis heute, umfangreiche Akten, beispielsweise über Denkmäler, Gesundheitswesen, Weltkriege und das Kapuzinerkloster, sowie Protokollbücher der Zünfte.
Nach der Gebietsreform 1972 kamen die Archive der eingegliederten Gemeinden ebenfalls in der Kellereistraße unter. Ein eigenes Kapitel sind Sammlungen, darunter die ehemalige Ochsenfurter Zeitung mit allen Ausgaben, Bildmaterial der Fotografen Hofer, Leutze und Knittel, sowie aus jüngerer Zeit von Heinz Kretzer. Heimatkundliche und denkmalgeschichtliche Literatur wird ebenso aufbewahrt wie Pläne von großen Bauprojekten und Akten aus der Stadtverwaltung. Ganz aktuell sind Dokumentationen über die Goßmannsdorfer Brücke und die Sanierung der Alten Mainbrücke. 125 Regalmeter füllt das Archivgut.
Doch nicht nur Gedrucktes ist erhalten. Eine archäologische Sammlung beinhaltet Fundstücke, die beim Ausräumen des Centturmes und bei der Verlegung der Bundesstraße 13 am Wolfgangsberg zutage gefördert wurden. Eine weitere Vitrine ist mit Fossilien gefüllt. Archivpflege ist eine gesetzlich vorgeschriebene Pflichtaufgabe, die sogar Verfassungsrang hat.