Viele Wohnungslose haben extrem geringe Chancen, jemals wieder eine eigene Unterkunft zu bekommen. Helfen will ihnen die ökumenische Christophorus-Gesellschaft Würzburg mit "Housing First". Projektleiter Jan Bläsing erklärt, bei diesem Sozialarbeits-Ansatz bekämen Obdachlose nach dem Motto "Zuerst die Lösung, dann das Problem" als Erstes eine Wohnung. Die sei nicht das Ziel der Hilfen, sondern der Anfang, worauf alle anderen Hilfen aufbauen. Die Teilnehmer sollen dann – mit einem festen Dach über dem Kopf – selbst entscheiden, welche Unterstützung sie wann benötigen.
Für vier Jahre ist die Finanzierung jetzt bewilligt, teilte Christophorus-Geschäftsführerin Nadia Fiedler mit. Dieses Geld könne fünf Obdachlose sesshaft machen. Geldgeber sind das Berliner Sozialministerium und die EU mit ihrem Europäischen Sozialfonds, erläutert Projektleiter Jan Bläsing. Mit ihm arbeiten drei Sozialpädagogen, eine Verwaltungskraft und ein Kollege für Wohnungsakquise und Öffentlichkeitsarbeit jeweils auf Teilzeitstellen zwischen zehn und 30 Wochenstunden. Bläsing sagt: "Das sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich in unserem Metier auskennen." Denn die meisten von ihnen bringen Erfahrungen von Christophorus-Stellen mit, wo sie teils auch schon mit Wohnungslosen arbeiteten. Reizvoll finde es jeder auf dem neuen Posten, "dass wir alle viele neue Ideen reingeben können".
Welcher Wohnungslose passt zum Projekt?
Der hohe Personaleinsatz erklärt sich aus der Klientel: Viele Wohnungslose haben keine Ausweise mehr, sind nicht krankenversichert, eine Menge solcher Probleme gilt es zu lösen. Und womit befasst sich das Team des "Noah" genannten Projekts in der derzeitigen Anfangsphase? "Wir haben bei null angefangen", erklärt Jan Bläsing, "und bauen erst einmal die Strukturen auf". Dazu gehört zuallererst, die anderen Unterstützungsstellen in der Region kennenzulernen und gegebenenfalls von ihnen zu lernen. Schließlich geht es um die anspruchsvolle Aufgabe, unter den Wohnungslosen diejenigen zu finden, für die der "Housing First"-Ansatz passt. Es sei "empirisch erwiesen, dass dieser Ansatz für eine bestimmte Gruppe sehr gut funktioniert", so Bläsing.
Also gehört zur Gründungsarbeit, drei Wie-Fragen zu beantworten: Wie können die Noah-Kräfte Klienten gezielt ansprechen? Wie können sie "wirklich differenziert" auf mögliche Vermieter zugehen? An diesem Punkt steht man jedenfalls schon einmal nicht allein: "Mit der Stadt Würzburg und der StadtBau haben wir bereits zwei Kooperationspartner gewonnen", so Bläsing. Zwar könne die kommunale Baugesellschaft "nicht aus dem Nichts eine Menge Wohnungen zur Verfügung stellen", habe aber Vermittlungshilfe zugesagt und sei offen für den "Housing First"-Ansatz. Und drittens heißt es: Wie soll Noah auf die Öffentlichkeit zugehen? Die Antworten fließen dann unter anderem in die Gestaltung von Websites ein. Zudem baut das Team Kontakte zu ähnlichen Initiativen im Land auf.
Lernen, einen Haushalt zu führen
"Housing First"-Kandidaten wird man bald gemeinsam mit aufsuchenden Sozialarbeitern oder in niederschwelligen Einrichtungen wie der Wärmestube suchen. Dann wird es nicht nur darum gehen, den Klienten ein Dach über dem Kopf zu geben, sondern darum, "die Leute zu stabilisieren, sodass sie auch langfristig gut untergebracht sind". Denn wer könne nach Jahren auf der Straße noch einen Haushalt führen? Das muss erst wieder gelernt werden, um den ersten Halt nicht gleich wieder zu verlieren.