500 Euro BELOHNUNG bei erfolgreicher Vermittlung!!!“ – Was wie ein verzweifelter Hilferuf bei einer Verbrecherjagd klingt, ist in Wirklichkeit die Wohnungsannonce einer Familie im Internet. Ein Haus mit Garten in Würzburg wünsche man sich, als Dankeschön winkt die Maklergebühr. Ohne finanziellen Anreiz, dafür mit bettelnden Worten versucht es eine täglich drei Stunden pendelnde Auszubildende auf einer anderen Seite. Ein paar Klicks weiter wirbt ein Akademikerpaar mit den Worten „Nichtraucher, keine Haustiere und keine lauten Hobbies“ seit Monaten für sich als Mieter. Und in den sozialen Netzwerken läuft derweil die Suche nach einer Unterkunft für ein „nettes Flüchtlingsehepaar“, das bald ein Kind erwartet. So unterschiedlich all diese Suchenden auch sind, so gleich ist ihr Herzenswunsch: ein Zuhause in Würzburg.
„Die Lage hat sich deutlich verschärft“, sagt Stadtbaurat Christian Baumgart. Die derzeit rund 75 000 Wohnungen reichen demnach schon länger nicht mehr aus. Denn zusätzlich zu der stetig ansteigenden Zahl der Studierenden, suchen auch immer mehr Zuwanderer in Würzburg nach einer Bleibe. Gleichzeitig fehlen Freiflächen für Neubausiedlungen, und die Mietpreise steigen Jahr für Jahr an.
Junge kommen, Familien gehen
Um eine Übersicht zu bekommen, an welchen Stellen es besonders eng bebaut ist, wo man Platz gewinnen könnte und wer überhaupt Wohnraum in der Stadt und den einzelnen Stadtteilen sucht, hatte die Stadt einen externen Gutachter beauftragt. Ende 2014 hat das Hamburger Institut „Gewos“ mit der Sammlung von Daten und der Befragung von Fachleuten und Unternehmen angefangen. Jetzt haben die Wohnforscher ihr „Handlungskonzept Wohnen für die Stadt Würzburg“ schriftlich zusammengefasst – auf stolzen 205 Seiten.
Eines steht für die Experten fest: Würzburg braucht mehr Wohnraum, und zwar schnell. „Es gibt einen erheblichen Nachfragedruck“, so Stefan Lehnert von „Gewos“ bei seinem Vortrag im Umwelt- und Planungsausschuss am Dienstag. Dieser betreffe verschiedene Gesellschaftsgruppen. Denn während sich immer mehr Studenten und Auszubildende mit Geflüchteten, Senioren und sozial Schwächeren um den günstigen Wohnraum streiten, müssen Familien und einkommensstarke Paare zum Bauen ins Umland ausweichen.
„Es fehlt schlicht an freien Flächen“, erklärt Lehnert. Gerade im beliebten innerstädtischen Raum sei so gut wie alles bebaut. Die einzigen Möglichkeiten hier: Aufstockungen, Dachausbauten und eine bessere Aufteilung. Denn Würzburg ist und bleibt eine Singlestadt. Knapp 60 Prozent aller Haushalte werden von nur einer Person bewohnt, in der Altstadt sind es sogar 75 Prozent. „Das bedeutet einen großen Wohnflächenverbrauch pro Person“, fasst Lehnert zusammen.
Bei der Lösung des Problems gehen die Meinungen im Ausschuss weit auseinander. „Ich halte nichts davon, die Leute zu erziehen“, sagt FDP-Politiker Karl Graf. Wenn einer in der Altstadt auf 70 Quadratmetern wohnen wolle und dies bezahle, soll er das auch dürfen. Patrick Friedl von den Grünen hält es dagegen für möglich, den bestehenden Wohnraum besser aufzuteilen, um mehr Menschen unterzubringen.
Weniger Grün, mehr Sozialbau?
Auch der Vorschlag einer Bebauung der wenigen Grün- und Freiflächen in der Stadt kommt bei einigen Stadträten nicht gut an. „Wir haben keine endlosen Ressourcen und diese Grenzen müssen berücksichtigt werden“, fordert etwa Grünen-Politikerin Karin Miethaner-Vent. Heinrich Jüstel von der SPD lenkt das Augenmerk dagegen auf den sozialen Wohnungsbau. Man müsse mehr finanzielle Anreize schaffen, um diese Form der Unterbringung auch den privaten Eigentümer schmackhaft zu machen. Denn der Stadtbau gehören nur neun Prozent der Wohnungen in Würzburg, die privaten Kleinvermieter besitzen über 60 Prozent.
Um der steigenden Nachfrage in den kommenden Jahren gerecht werden zu können, müssen laut des Konzepts bis 2030 rund 6100 neue Wohnungen entstehen. Die meisten demnach für ältere und einkommensschwache Menschen. „Es werden kurz- und mittelfristig erhebliche Anstrengungen notwendig, um der aktuellen Situation auf den Märkten aktiv zu begegnen“, ziehen die Wohnforscher ihr Fazit.
Ein Schritt in die richtige Richtung ist dabei schon gemacht: Im neuen Stadtteil Hubland entstehen knapp 2200 neue Wohnungen. Für die Hamburger Forscher könnte dieses Projekt noch größer ausfallen. „Man könnte dort noch mehr Wohnungen bauen und die Dichte erhöhen“, sagt Stefan Lehnert. Denn die Stadt habe hier den „größtmöglichen Einfluss“.
Alles in allem sei das 205-seitige Werk nur eine Handlungsgrundlage. Nun sei es an der Stadt Würzburg, wohnungspolitische Grundsätze zu formulieren und diese zügig in die Tat umzusetzen. Bürgermeister Adolf Bauer nimmt diesen Anstoß zum Anlass für Selbstkritik. „Wir können durch unser Verhalten im Stadtrat einige Hemmnisse abbauen“, sagt der CSU-Politiker. Man müsse schneller entscheiden, um leer stehende Gebäude und freie Flächen rasch und sinnvoll nutzen zu können.
Am 18. Februar kommt das Konzept in den Stadtrat. Dann können die Politiker zeigen, ob sie sich Bauers Meinung anschließen.
Stadtteile im Profil
Die 13 Stadtteile sind im Bericht des Hamburger Institut für Wohnforschung „Gewos“ auch einzeln betrachtet worden. Das Institut hat im Auftrag der Stadt ein „Handlungskonzept Wohnen“ entwickelt.
Unsere Grafik zeigt, wie sich die Stadtteile hinsichtlich der genannten Punkte unterscheiden:
- Altersstruktur
- Haushaltstruktur
- Eigentumsstruktur
- Mietpreise