Viele Menschen kennen sie: Schicksalsschläge, die einem den Boden unter den Füßen wegreißen. Schön, wenn man dann Freunde und Familie als Stütze hat, die einen durch schwere Zeiten begleiten. Weniger schön ist hingegen, wenn man in solchen Zeiten mit Aussagen konfrontiert wird, die die jeweilige Situation noch schlimmer machen. Das kennt auch Yasemin Gencer. Die 48-Jährige bekam im Oktober 2019 die Diagnose Brustkrebs. "Für mich war von Anfang an klar, dass ich mit der Erkrankung offen umgehen werde", erklärt sie. Auch, weil es ihr wichtig war, über ihre Krankheit sprechen zu können.

Rückblickend auf die vergangenen drei Jahre würde sich Gencer heute wohl anders entscheiden, wie sie zugibt. Zu viele negative Erfahrungen habe sie während dieser Zeit machen müssen. Neben unangebrachten Kommentaren habe sie vor allem bemerkt, dass die Leute ihre Erkrankung ignoriert haben. "Ich habe immer das Gefühl, ich habe drei Affen um mich herum: Keiner will es hören, keiner will es sehen und keiner will darüber reden", erzählt sie. Oft fühlte sie sich mit ihrer Krankheit alleingelassen. Die Einsamkeit sei für sie viel schlimmer gewesen als der Brustkrebs.

Es sind Sätze wie: "Denk positiv" oder "Den Krebs sieht man dir gar nicht an", die Yasemin Gencer immer wieder zu hören bekommen hat – und die sie verletzen. Toxische Positivität nennt man dieses Phänomen. Vermeintlich aufmunternde Sätze sollen das Negative der Krankheit ausblenden. Bei Brustkrebspatientinnen und -patienten kann das schnell den Eindruck erwecken, als wolle man ihre Sorgen mit einem einfachen Satz abtun.
Auch Ruth Belzner, Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg, befasst sich schon länger mit dem Thema der toxischen Positivität. Sie zeigt anhand von Beispielsätzen auf, welche Aussagen ihrer Erfahrung nach Patientinnen und Patienten verletzen können und erklärt, was man Betroffenen stattdessen sagen könnte.

1. "Denk positiv, dann wird auch alles gut!"
Besonders verletzend an diesem Satz sei, "dass darüber hinweggegangen wird, dass es der betroffenen Person schlecht geht", erklärt Diplom-Psychologin Belzner. Ein solcher Satz suggeriere dem Gegenüber, dass er oder sie selbst für die negativen Gefühle verantwortlich sei. "Das ist sehr verletzend", sagt sie. Besser wäre es, die Situation anzuerkennen, wie sie ist: "Da kann man ruhig mit: 'Ach du Scheiße' antworten". Auch ein ehrliches "Das ist wirklich eine schlimme Nachricht", helfe den Betroffenen, sich ernst genommen zu fühlen.
2. "Versuche mal zu verstehen, was dein Körper dir damit sagen möchte."
Mit einer solchen Aussage werde der erkrankten Person die Verantwortung für den Krebs zugeschoben, erklärt Belzner. Viele Betroffene beschäftigten sich ohnehin schon mit der Frage nach den Gründen und bräuchten daher keinen weiteren Druck von außen. "Krebs ist einfach ungerecht", fasst die Leiterin der Telefonseelsorge zusammen. Ein positiver Grund für die Erkrankung lasse sich einfach nicht finden.

3. "Den Brustkrebs sieht man dir aber gar nicht an." / "Du siehst gut aus."
Diese vielleicht gut gemeinte Äußerung komme bei dem Gegenüber häufig nicht gut an und suggeriere, dass man ihm die Erkrankung nicht glaube, so die Diplom-Psychologin. Der Grund dafür: Nicht jedem Menschen sehe man den inneren Kampf an. Wer seinem Gegenüber trotzdem ein Kompliment machen möchte, sollte besser auf Formulierungen wie: 'Du siehst schön aus, geht es dir auch so?' zurückgreifen. "Dafür gibt es aber kein allgemeines Rezept", fügt Belzner hinzu. Es komme auch immer darauf an, wie die Person allgemein auf Kommentare zum äußeren Erscheinungsbild reagiert.

4. "Ich kenne jemanden, der auch Brustkrebs hatte. Das war gar nicht so schlimm und die ist auch alt geworden."
"Die Intention dahinter ist sicherlich gut gemeint", so Belzner. Es gehe hier darum, Mut zu machen und Hoffnung zu geben, dass nicht jeder Brustkrebs tödlich ende. "Das weiß man aber für die betroffene Person nicht und wenn er dann doch tödlich ist, dann tröstet einen nicht, dass 80 andere überleben", erklärt sie. Es gäbe bei vielen Menschen die Neigung, nicht nachzufragen, sondern sofort eigene oder geborgte Erfahrungen dagegenzusetzen. Besser wäre es, auf die betroffene Person einzugehen: "Was hast du denn für eine Prognose bekommen?" oder "Welche Behandlungsschritte folgen für dich?"
5. "Die Medizin ist heute so weit, dass man an Brustkrebs nicht mehr stirbt."
"Dazu kann ich nur sagen: Das ist absoluter Mumpitz", macht die Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg ihrem Unmut über die Aussage Luft. Nach wie vor würden viele Menschen an Brustkrebs sterben. Es sei außerdem unfair, die Ängste und Sorgen des Gegenübers zu übergehen und kleinzureden. In diesem Fall sei es besser, solche Dinge gar nicht zu sagen.
6. "Du hast bestimmt Brustkrebs bekommen, weil..."
Schuldzuweisungen, warum jemand an Brustkrebs erkrankt ist, brauche die oder der Betroffene nicht, so Belzner. Selbst Ärzte könnten oftmals keine genaue Ursache für die Krankheit bestimmen. "Meist sind das verschiedene Faktoren, die aufeinandertreffen", sagt sie. Als Außenstehender habe man nicht das Recht, solche Vermutungen aufzustellen. Besser wäre: "Das ist eine schlimme Situation, die hast du nicht verdient." Denn das entspreche in jedem Fall der Wahrheit, erklärt die Diplompsychologin.
Brustkrebsmonat OktoberDer Oktober wird jährlich dafür genutzt, auf Brustkrebs aufmerksam zu machen. Dabei rücken vor allem die Themen Prävention, Früherkennung und Erforschung der Krebsart in den Vordergrund. Bei Frauen ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung. Deutschlandweit erkranken jedes Jahr circa 69 700 Frauen und 750 Männer erstmalig an Brustkrebs. Für alle Frauen und Männer mit einer Brustkrebsdiagnose gibt es lokale Selbsthilfegruppen, bei denen Betroffene regelmäßig Erfahrungen untereinander austauschen können. Auf der Internetseite der bundesweiten Frauenselbsthilfegruppe www.frauenselbsthilfe.de findet man die entsprechende Kontaktstelle vor Ort.Quelle: Deutsche Krebshilfe