Wenn Konzertverantwortliche das noch leere Podium betreten, kann das von einer freundlichen Begrüßung bis zur Hiobsbotschaft alles bedeuten. Evelyn Meining, Intendantin des Mozartfests Würzburg, begann im Kiliansdom am Samstag mit Ersterem und blickte dann auf die Wiedereröffnung des Doms 1967 mit den Bamberger Symphonikern sowie die 2014 begründete Tradition von "Bruckner im Dom" beim Würzburger Festival zurück.
Stau auf der Autobahn - und Hilfe von der Polizei
Dann folgte Unerwartetes: Autobahn-Vollsperrung, sagte Meining. Die Bamberger Musiker saßen fest. Dass das Ensemble knapp vor Konzertbeginn doch in Würzburg eintrafen - die Polizei habe es möglich gemacht und die Orchester-Busse durch die Rettungsgasse geleitet, so die Intendantin. Applaus im gut besetzten Kirchenschiff.
Ein wenig Zeit blieb dem Orchester noch. Denn den Anfang des Konzerts machte Domorganist Stefan Schmidt, auch in diesem Jahr wieder mit einem Solowerk von György Ligeti. Die Viertelstunde rauschhafte "Volumina" - eine Herausforderung für Zuhörende wie Interpreten. Da brausen naturgewaltig Klangstürme auf, bei denen man unwillkürlich an einen Dammbruch denken muss. Dahinter breiten sich spiegelglatte Flächen aus, grelle Cluster verengen und erweitern sich. Die Musik blubbert, wuselt, bäumt sich auf - und bohrt bis an die Schmerzgrenze.
Herausforderung für den Organisten: Spielanweisungen statt Noten
Schade nur, dass man nicht sehen konnte, mit was sich Schmidt da auseinandergesetzt hatte und mit welchem Körpereinsatz. Die Partitur hat nämlich keine Noten, sondern Spielanweisungen für den Organisten: "ein sehr dichtes labyrinthisches Klanggewebe entwickeln", "derselbe Cluster wie in der linken Hand, auf einem anderen Manual" oder "beide Hände … äußerst schnell … luftig, unregelmäßig verteilt, auf dem ganzen Umfang der Manuale" und immer wieder "den Motor ausschalten". Dazu finden sich grafische Elemente zur Visualisierung - Striche zum Beispiel, Gewebe wie Spinnennetze, Balken.
Würzburgs Domorganist Stephan Schmidt war tief in das Werk eingedrungen und brachte neben seinem Können gut hörbar die Bereitschaft zu einer exzessiven Interpretation mit. Für seine großartige Leistung gab es hier Begeisterung, da Kopfschütteln. Und Applausverweigerung, wohl weniger für den phänomenalen Interpreten als aus Unverständnis für die Komposition.
Die Bamberger Symphoniker mit Bruckner: Nebulöser Beginn - dann ein gewaltiges Spiel
Mit den Bamberger Symphonikern betrat dann der 83-jährige Dirigent Christoph Eschenbach die Bühne. Anton Bruckners Sinfonie Nr. 3 begann reichlich nebulös und unkonturiert, und das nicht nur aufgrund der halligen Akustik des Doms. Erst nach einigen Minuten stabilisierte sich das Geschehen, entwickelte sich das gewaltige Brucknersche Spiel mit Formen, Farben, Motiven und Themen.
Eschenbach ist ein erfahrener Dirigent, der voll innerer Spannkraft am Pult steht. Mit dem in Bestform spielenden Bamberger Orchester gelang es ihm, die radikale Kompromisslosigkeit des Komponisten aufzuzeigen, Nuancen auszuloten, Extreme zu forcieren, Steigerungen zur Explosion zu treiben und Momente höchster Innigkeit und Ruhe zu schaffen. Dass das Konzert fast am Stau gescheitert wäre - vergessen.
