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Würzburg: Würzburger Professor über ChatGPT: "Wir dürfen unseren kritischen Verstand niemals ausschalten!"

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Würzburger Professor über ChatGPT: "Wir dürfen unseren kritischen Verstand niemals ausschalten!"

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    Andreas Fuchs ist Professor für Marketing und Digital Business an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt und beschäftigt sich intensiv mit Sprachmodellen wie ChatGPT und ihren Auswirkungen.
    Andreas Fuchs ist Professor für Marketing und Digital Business an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt und beschäftigt sich intensiv mit Sprachmodellen wie ChatGPT und ihren Auswirkungen. Foto: Thomas Obermeier

    Seit gut zwei Monaten ist sie auf dem Markt und im Internet frei zugänglich: "ChatGPT", eine Künstliche Intelligenz (KI) zum Schreiben von Texten, Beantworten von Fragen, Recherchieren. Das Sprachmodell lernt ständig neu hinzu. Faszinierend und schockierend zugleich. Oder wird der Textroboter überschätzt? Wo wird er unser Leben verändern?

    Dass sich viel verändert, davon ist Andreas Fuchs von der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) überzeugt. Der 40-Jährige ist Professor für Marketing und Digital Business und beschäftigt sich seit längerem mit der Text-KI.

    Herr Fuchs, ist es vorstellbar, dass in zehn Jahren eine Künstliche Intelligenz ein solches Interview mit Ihnen führt?

    Prof. Andreas Fuchs: Absolut. Ich glaube, dass es nicht einmal zehn Jahre dauern wird. Wir sehen Möglichkeiten der Anwendung ja bereits in anderen journalistischen Bereichen, etwa im Sport: Wo man frühere Praktikanten drangesetzt hätte, kann heute schon eine KI einfache Spielberichte schreiben.

    Und wer überprüft den Wahrheitsgehalt dessen, was eine KI so raushaut?

    Fuchs: Das ist die entscheidende Frage. Es werden so irre viele Informationen ausgespuckt, dass es schwer wird zwischen richtig oder falsch zu entscheiden. Ich habe es vielfach selbst ausprobiert, habe so genannte Prompts – also Befehle – eingegeben. Die Ergebnisse waren teilweise wirklich gut, in manchen Fällen waren die Antworten aber falsch. Wenn ich dann nicht kritisch hinschaue und alles für bare Münze nehme, kann das gravierende Folgen haben – für journalistische Texte, für Abschlussarbeiten. Oder wenn man es größer denkt, auch für die Demokratie.

    Das heißt, eine KI wie ChatGPT kehrt im Netz alles zusammen und schleudert auch Fake News durch die Welt?

    Fuchs: Bei der KI handelt es sich um neuronale Netze. Da steckt Statistik dahinter, die in Milliarden von Tests bzw. Trainings lernt, in welchen Zusammenhängen Wörter vorkommen – das ist das Sprachmodell. Was wahr oder falsch ist, weiß die KI jedoch nicht. Die Schöpfer einer Künstlichen Intelligenz können ihr allerdings gewisse Grundsätze einimpfen. Wenn Sie zum Beispiel ChatGPT nach einem Frauenwitz fragen, werden Sie keine Antwort bekommen. Denn man hat dieser KI beigebracht, dass keine Gruppe von Menschen wegen Geschlecht, Aussehen oder Herkunft diskriminiert werden darf.

    Eine mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz "Midjourney" erstellte Illustration. Auf den ersten Blick eine beeindruckende Leistung, aber es offenbaren sich auch Schwächen wie sechs Finger an den Händen.
    Eine mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz "Midjourney" erstellte Illustration. Auf den ersten Blick eine beeindruckende Leistung, aber es offenbaren sich auch Schwächen wie sechs Finger an den Händen. Foto: Illustration Nikola Biscan

    Und woher bekommt die KI all ihre Informationen?

    Fuchs: Generell greift ChatGPT noch nicht auf alle Informationen im Internet zu, sondern wurde mit einem bestimmten Datensatz gefüttert. Die Entwickler haben sich ein Bild des Internets gezogen und auf die Server gepackt. Das ist die Datengrundlage für das Training, darüber läuft die KI und lernt immer weiter. Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis die KI an das offene Internet gehängt wird und damit alle zugänglichen Daten verarbeiten kann – ähnlich wie bei Google. Im Moment steht die Version ChatGPT3 aber noch auf dem Stand von 2021. Sie weiß, wie oft Messi die spanische Meisterschaft gewonnen hat – aber nicht, dass er mittlerweile Weltmeister ist.

    Das heißt, wirklich aktuelle Texte oder Antworten kann die KI gar nicht liefern?

    Fuchs: Das ist mit Sicherheit eine der Schwächen von ChatGPT3, wobei die nächste Version GTP4 gerade vorbereitet wird. Sie dürfte dann auch das vergangene Jahr eingearbeitet haben und ist um ein Vielfaches leistungsstärker. Wie es aussieht, wird das Unternehmen Open AI den ChatBot in einer "Pro-Version" bald auch kostenpflichtig machen.

    Aber nochmal: Wie wäre eine Kontrolle von ChatGPT möglich? Braucht es dafür eine eigene KI?

    Fuchs: Es gibt keine höhere Instanz der Kontrolle. Aber Sie können bei jeder Antwort oder jedem Textvorschlag von ChatGPT den Daumen heben oder senken – also mit gut oder schlecht beurteilen und auch ein Feedback schreiben. Auf diese Weise lernt die KI immer weiter dazu und kann sich verbessern.

    Kann es also gefährlich sein, sich unbedacht auf die KI zu verlassen?

    Fuchs: Das kommt auf den Anwendungsfall an. Das kann ungefährlich sein, wenn sie mir das falsche Ergebnis der Würzburger Kickers ausgibt. Davon wird die Welt nicht untergehen. Aber es wäre natürlich denkbar, dass eine KI mit Falschinformationen oder gezielten Vorurteilen manipuliert wird. Das könnten sich zum Beispiel autoritäre Regime zunutze machen und erinnert an die Umschreibung von Geschichtsbüchern. Das halte ich in der Tat für gefährlich. ChatGTP3 wird nicht davon betroffen sein, da OpenAI ein amerikanisches Unternehmen ist.

    Für uns Journalisten ist die Quellenklarheit eines der wichtigsten Prinzipien. Da schwächelt ChatGPT, oder?

    Fuchs: Sie können die KI nach einer Aussage jederzeit nach der Quelle dafür fragen. Das funktioniert durchaus in vielen Fällen. Aber anders gefragt: Wer sagt Ihnen denn, dass die Quelle eine gute ist? Das ist ja nicht nur in Kriegszeiten eine extrem wichtige Einordnung. Eine Quelle ist nur so gut, wie sie überprüfbar ist.

    Also vertrauen können wir der KI nicht wirklich...

    Fuchs: Früher und teilweise noch heute haben wir gewisse Institutionen, denen wir vertrauen. Ich vertraue zum Beispiel seriösen Medien wie der Main-Post, Spiegel Online oder der Tagesschau. Aber mittlerweile gibt es ganz viele, auch problematische Quellen, und der Journalismus hat nicht mehr die alleinige Informationshoheit. Wir dürfen unseren eigenen kritischen Verstand niemals ausschalten. Wir müssen lernen, Quellen stets zu prüfen und hinterfragen.

    Wie könnten ChatGPT oder generell solche Sprachmodelle den Journalismus verändern?

    Fuchs: Die Auswirkungen auf die Zunft werden verschiedener Art sein. Es könnte die Frage auftauchen: Wie viele Journalisten brauchen wir noch in einer Redaktion? Vielleicht werden sich bald ein, zwei Redakteure die Themen überlegen und lassen sie von der KI erarbeiten? Das ist eine existenzielle Frage. Aber noch viel wichtiger: Was passiert, wenn der Journalismus nicht mehr von Menschen gemacht wird? Er sollte ja die vierte Gewalt im Staat sein und im Sinne von Checks-and-Balances die drei anderen Gewalten kontrollieren und transparent machen. Diese Kontrolle wäre bei einem reinen KI-Journalismus nicht mehr gegeben – zumal wir nicht wissen, wer die KI steuert.

    Also liegen darin die Stärke und die Chancen von Qualitätsjournalismus? In seiner Gatekeeper-Funktion?

    Fuchs: Ja, ich denke, das wir die entscheidende Legitimation für den Journalismus sein. Dass man Ihnen vertrauen kann, als Institution von hoher Glaubwürdigkeit. Die Rolle wird sich für den Journalismus genauso ändern wie für die Hochschullehre: Es wird weniger um das reine Wiedergeben von Wissen oder Fakten gehen, sondern vielmehr um die kritische Einordnung von Zusammenhängen, um Analyse und Abwägung, um das eigentliche Verstehen – oder im Journalismus auch um die Nähe zu Mensch und Thema, wie sie eine KI niemals herstellen könnte.

    Prof. Andreas FuchsProf. Andreas Fuchs ist seit 2019 Professor für Marketing und Digital Business an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Der 40-Jährige gilt als Experte im Bereich intelligenter Automatisierung von Geschäftsprozessen und KI. In Passau und Buenos Aires studierte Fuchs International Business & Cultural Studies und war danach wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für BWL und Marketing an der Uni Würzburg. Als Gründer des Unternehmens "beyondbots" begleitet er Unternehmen auf ihrem Weg in eine datengetriebene und automatisierte Zukunft. Marketing Automation und Integration sind auch seine Forschungsschwerpunkte.aj

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