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WÜRZBURG: Würzburgs fast vergessene Geschichte

WÜRZBURG

Würzburgs fast vergessene Geschichte

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    Der Ort heute: Franz-Oberthür-Schule.THERESA MÜLLER
    Der Ort heute: Franz-Oberthür-Schule.THERESA MÜLLER Foto: Foto:

    Die etwa 50 Männer trugen auffällige blau-weiß-gestreifte Lagerkleidung. Sie liefen täglich, bewacht von Gestapo-Leuten, im Pulk vom Frauenland zu ihrem Einsatzort in der Füchsleinstraße und abends wieder zurück ins Gestapo-Notgefängnis in der Friesstraße. Denn zwischen April 1943 und März 1945 unterhielt das Konzentrationslager Flossenbürg in der Oberpfalz hier eines seiner 92 Außenlager. Von den täglichen Märschen durch die Stadt ist kein einziges Bild überliefert, so dass man glauben könnte, die Häftlinge seien in Würzburg unsichtbar gewesen. Was freilich mehr als unwahrscheinlich ist.

    Jörg Skriebeleit, der engagierte Leiter der Gedenkstätte des KZ Flossenbürg, hat die Geschichte des Außenlagers Würzburg 2004 im Mainfränkischen Jahrbuch für Geschichte und Kunst erstmals umfassend dokumentiert. Vorher hat man sie in Würzburg lieber totgeschwiegen. Und bis heute gibt es in Würzburg kein Zeichen der Erinnerung an die KZ-Häftlinge, die hier im Arbeitseinsatz waren.

    Einsatzort der Häftlinge war das SS-Teillazarett in der Füchsleinstraße 15 (heute Universitäts-Nervenklinik). Hier gab es eine neurologisch-psychiatrische Beobachtungsstation, die von dem Würzburger Psychiatrieprofessor und SS-Mitglied Werner Heyde geleitet wurde. Heyde war als Vorbereiter und Organisator des Euthanasieprogramms einer der übelsten Verbrecher des Naziregimes. Kraft seines Amtes hatte Heyde Zugriff auf das mobile und kostenlose Arbeitskräftereservoir der KZ-Häftlinge. Und so forderte er 1943 einen Trupp zur Erweiterung des Würzburger Lazaretts an. Der „überzeugte Massenmörder“, so Skriebeleit, nutzte sie für sich gewinnbringend, während er ihre Mithäftlinge brutal und eiskalt töten ließ.

    Im Mai 1943 befanden sich 28 Häftlinge aus Flossenbürg im „Arbeitslager“ Würzburg. Sie waren etwa ein halbes Jahr im sogenannten Notgefängnis in der Friesstraße im Frauenland untergebracht, dort wo heute die Franz-Oberthür-Schule steht. Das Notgefängnis gehörte zur Würzburger Gestapo-Dienststelle. Bislang gab es von diesem Gefängnis keine Abbildung. Doch „mit großem Aufwand und viel Geld“, hat Jörg Skriebeleit, wie er kürzlich im Rahmen des „Dialogs Erinnerungskultur“ bei einem Vortrag in Würzburg berichtete, eine Luftaufnahme aus dem Februar 1944 erwerben können. Darauf sind die vier Baracken des im September 1941 errichteten Notgefängnisses genau zu erkennen. Das Bild zeigt zudem, dass sich da Gefängnis in unmittelbarer Umgebung eines bewohnten Gebietes befand, also weder sein Bau noch seine Nutzung unbemerkt geblieben sein konnten.

    Noch gibt es über das Notgefängnis nur wenig wissenschaftliche Erkenntnisse. Es war in erster Linie ein Transitgefängnis der Gestapo für Gefangene, die von Würzburg aus in die Konzentrationslager Flossenbürg, Dachau oder Mauthausen überstellt wurden.

    Im Herbst 1943 wurden die Flossenbürger Häftlinge an den Einsatzort in der Füchsleinstraße verlegt und untergebracht in einem mit Stacheldraht umgebenen Kellerraum. Von hier aus marschierten sie nun auch zu einem weiteren Einsatzort, dem „Waldhaus“ im Steinbachtal. Das einst beliebte Ausflugslokal wurde ab Dezember 1944 als SS-Lazarett genutzt. Hier waren die inzwischen 58 Häftlinge beim Umbau tätig.

    Weder auf dem Gelände der Uni-Nervenklinik noch an der Oberthür-Schule oder im Steinbachtal gibt es heute Hinweise auf Unterbringung beziehungsweise Einsatz der KZ-Häftlinge in Würzburg. Eine KZ-Stadt sei Würzburg nicht gewesen, sagt Jörg Skriebeleit, aber „integrierter Bestandteil des Systems Flossenbürg“. So sei das Arbeitslager auch ein Teil der Stadtgeschichte und sollte Teil der öffentlichen Erinnerungskultur sein.

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