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Würzburg: Im Angesicht ständiger Gefahr: Wie in Würzburgs Partnerstadt Lwiw der Krieg das Leben prägt und welche Hilfe kommt

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Im Angesicht ständiger Gefahr: Wie in Würzburgs Partnerstadt Lwiw der Krieg das Leben prägt und welche Hilfe kommt

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    4. September 2024: Nach dem bisher schwerste russischen Raketenangriff auf Würzburgs ukrainische Partnerstadt Lwiw suchen Rettungskräfte in einem Wohnviertel nach Opfern.
    4. September 2024: Nach dem bisher schwerste russischen Raketenangriff auf Würzburgs ukrainische Partnerstadt Lwiw suchen Rettungskräfte in einem Wohnviertel nach Opfern. Foto: Mykola Tys, dpa

    Würzburgs ukrainische Partnerstadt Lwiw liegt weit im Westen des Landes, fernab der Frontlinie im Verteidigungskrieg der Ukraine gegen Russland. Dennoch ist auch Lwiw Ziel russischer Raketen, zuletzt in der Nacht auf den 4. September, als Geschosse mehrere Wohnhäuser zerstörten und acht Menschen ihr Leben verloren. Eine Familie wurde dabei fast vollständig ausgelöscht: Ein Familienvater verlor seine Frau und die drei Töchter.

    Auch wenn der Krieg im Stadtbild der 720.000-Einwohner-Stadt nicht allgegenwärtig ist: Der Angriff von Anfang September erinnert ebenso daran wie die beinahe täglichen Beerdigungen von Gefallenen. Regelmäßig führt der Trauerzug mit den Särgen am Rathaus vorbei, die Menschen verharren im Gedenken, unter ihnen sehr oft auch Lwiws Bürgermeister Andrij Sadovyi. 

    Am 23. Februar 2023, einen Tag vor dem ersten Jahrestag des Kriegsbeginns, hatten Sadovyi und Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt in Lwiw die Urkunde über die Städtepartnerschaft unterzeichnet. Ende August dieses Jahres, nur wenige Tage vor dem jüngsten Raketenangriff, hatte Schuchardt erneut Lwiw besucht, um sich ein Bild vom Fortgang verschiedener Hilfsprojekte zu machen. Nach zweieinhalb Jahren Krieg habe sich die Stimmung verändert, sagt der OB im Gespräch mit der Redaktion: "Das Thema wird oft nicht aktiv angesprochen. Menschen, die in öffentlicher Verantwortung sind, haben eine ausgesprochene Professionalität, fast schon Routine mit diesen Umständen entwickelt."

    Junge Männer, die zurück an die Front müssen

    Es sei eine "eigenwillige Normalität" zu spüren, wenngleich der Krieg letztlich auch in der quirligen Altstadt präsent sei. "Es sind viele Menschen auf den Straßen unterwegs, die in der spätsommerlichen Stimmung auch fröhlich waren. Und zugleich sah man die jungen Männer, offensichtlich auf Fronturlaub, mit ihren Freundinnen auf den Bänken sitzen. Männer, die wissen, dass sie wieder zurück an die Front müssen."

    Zugleich gilt auch in Lwiw wie in der gesamten Ukraine die Sorge vor dem nahenden Winter. Nach ZDF-Angaben ist etwa die Hälfte der nichtnukleraren Stromerzeugung der Ukraine durch russische Angriffe zerstört worden, auch Lwiw ist betroffen. "Die Sorge um die Energieversorgung gibt es", sagt OB Schuchardt nach seinem Besuch, "aber es gibt auch die Zuversicht, dass man das hinbekommt". 

    Bereits bei der Unterzeichnung der Städtepartnerschaft war klar gewesen, dass die ukrainische Großstadt Hilfe aus Würzburg erhalten soll, vor allem bei der medizinischen Versorgung. Der OB hatte damals bereits das Rehabilitationszentrum "Unbroken" besucht, das medizinische und orthopädische Versorgung ebenso anbietet wie psychosoziale Unterstützung. Inzwischen gibt es eine Kette von Projekten, die mit Hilfe aus Würzburg umgesetzt werden. Federführend bei Organisation und Finanzierung ist die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) aus Würzburg. Die DAHW arbeitet mit der Unbroken-Stiftung aus Lwiw zusammen, die Oberbürgermeister beider Städte sind Mitglied im Lenkungsausschuss der Kooperation, die wiederum unter dem Dach der Städtepartnerschaft steht.

    Würzburgs OB Christian Schuchardt (links) und sein Amtskollege aus Lwiw Andrij Sadovyi (rechts) setzen im Beisein eines Geistlichen am 29. August den Grundstein für ein "Mental Health Center" am St. Lukas-Krankenhaus in Lwiw.
    Würzburgs OB Christian Schuchardt (links) und sein Amtskollege aus Lwiw Andrij Sadovyi (rechts) setzen im Beisein eines Geistlichen am 29. August den Grundstein für ein "Mental Health Center" am St. Lukas-Krankenhaus in Lwiw. Foto: Stadt Würzburg

    Erstes Würzburger Hilfsprojekt bereits abgeschlossen 

    Insgesamt geht um ein Volumen von zehn Millionen Euro. Finanziert werden alle Projekte mit Mitteln, die der DAHW als Mitglied des "Bündnis Entwicklung hilft" (BEH), einem Zusammenschluss von Hilfsorganisationen, zustehen. Ein erstes Projekt ist bereits abgeschlossen. Im St.-Nikolaus-Kinderkrankenhaus von Lwiw entstand seit vergangenem Jahr unter dem Namen "Unbroken Kids" eine moderne Rehabilitationsabteilung mit den nötigen Geräten für kleine Patientinnen und Patienten.

    Hier wird nach Angaben von DAHW-Projektleiter Henning Bungards monatlich etwa 60 Kindern, die als Kriegsopfer zum Teil schwerste Verletzungen erlitten haben, eine Wiedereingliederung ermöglicht. Dadurch könnten aufwändige Behandlungen im Ausland vermieden und eine Behandlung in der Ukraine und damit auch im familiären Umfeld der Kinder gewährleistet werden. Rund 400.000 Euro und damit rund die Hälfte Gesamtkosten wurden mit Mitteln aus Würzburg finanziert. 

    Ausbau und Erweiterung der Unbroken-Rehabilitationsklinik mit Unterstützung der Stadt Würzburg: Das Gebäude wird um zwei Stockwerke erweitert. Die Fußgängerbrücke verbindet Krankenhaus und Reha-Klinik.
    Ausbau und Erweiterung der Unbroken-Rehabilitationsklinik mit Unterstützung der Stadt Würzburg: Das Gebäude wird um zwei Stockwerke erweitert. Die Fußgängerbrücke verbindet Krankenhaus und Reha-Klinik. Foto: Christian Schuchardt

    Bis Frühjahr 2025 soll laut OB Schuchardt ein weiteres Projekt abgeschlossen sein: der Ausbau und die Erweiterung des Unbroken-Rehabilitationskrankenhauses. Das Krankenhaus wird um zwei Stockwerke erweitert, drei bestehende Etagen werden renoviert. Damit wird die Kapazität für zivile und militärische Kriegsopfer erweitert und dem Bedarf angepasst, denn derzeit gibt es lange Wartezeiten. Geplant sind 74 neue Betten sowie ambulante und stationäre Behandlungsmöglichkeiten. Die DAHW übernimmt die Kosten (3,8 Millionen Euro) ebenso wie bei einem weiteren Projekt, das beim Besuch Schuchardts Ende August mit der Grundsteinlegung gestartet ist: der Neubau eines "Mental Health Centers" am St.-Lukas-Krankenhaus in Lwiw. 

    Neues Zentrum für psychische Behandlung von Kriegsopfern

    Das Krankenhaus hat sich auf die Behandlung von Verbrennungen spezialisiert, versorgt werden hier zivile und militärische Kriegsopfer aus der ganzen Ukraine. Das neue Zentrum für die psychische Behandlung von Kriegsopfern wird 37 Betten haben und auch ambulante Behandlungsmöglichkeiten bieten. Gerechnet wird hier mit einer Bauzeit von sieben Monaten, die Kosten betragen 1,8 Millionen Euro. 

    Nach der Grundsteinlegung am 29. August für ein "Mental Health Center" am St. Lukas-Krankenhaus in Würzburgs Partnerstadt Lwiw mit den beiden Oberbürgermeistern Andrij Sadovyj und Christian Schuchardt (Bildmitte).
    Nach der Grundsteinlegung am 29. August für ein "Mental Health Center" am St. Lukas-Krankenhaus in Würzburgs Partnerstadt Lwiw mit den beiden Oberbürgermeistern Andrij Sadovyj und Christian Schuchardt (Bildmitte). Foto: Stadt Würzburg

    Die Solidarität aus Würzburg wird in Lwiw indes nicht nur wegen der materiellen Hilfe geschätzt. "Die Menschen, egal ob Zivilgesellschaft, normale Leute oder Bürgermeister und Verwaltung, schätzen es sehr, dass man sie auch nach langer Zeit nicht alleine lässt", sagt Projektleiter Henning Bungards, der im August gemeinsam mit dem OB die Projekte Lwiw besucht hat. Die Partner vor Ort würden die angeschobenen Projekte zudem auch als Chance sehen, um den Anschluss an westliche Therapiemöglichkeiten zu vertiefen und um ein modernes, westeuropäisches medizinisches System zu schaffen, sagt Bungards. "Ich finde es sehr beeindruckend, welchen Willen zur Veränderung es gibt – und welche Kompetenz."

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