Steffen Vogel ist normalerweise nicht um einen flotten Spruch verlegen. Am Sonntagabend aber wirkte der unterfränkische CSU-Chef nachdenklich. Auch wenn sich erneut ein starkes Ergebnis für seine Partei in Unterfranken abzeichnete: Die CSU unter 37 Prozent - "damit dürfen wir uns nicht zufriedengeben, das kann nicht dauerhaft unser Anspruch sein", sagte Vogel im Gespräch mit der Redaktion.

Fazit von CSU-Bezirkschef Vogel: "Fleiß und Engagement" zahlten sich weniger aus
Die Kandidatinnen und Kandidaten der CSU seien "unfassbar viel unterwegs gewesen", meinte der Landtagsabgeordnete aus den Haßbergen. "Wir verstehen uns als Kümmerer für die Menschen." Wenn er dann sehe, wie viele Stimmen die AfD "abgreift", deren Vertreter er mit "Phantomen" verglich, die "nie bei den Menschen waren" - dann, meinte der CSU-Politiker, müsse er feststellen, dass sich "Fleiß und Engagement" weniger ausgezahlt hätten, "als gegen Ausländer zu hetzen". Und, fügte Vogel an: "Das macht mich wütend."

Grünen-Abgeordnete Celina kritisiert "aggressiven Wahlkampf"
Auch Kerstin Celina, die Grünen-Spitzenkandidatin in Unterfranken, fand es erschreckend, dass die AfD so stark geworden ist. Die Verantwortung für diese Entwicklung trügen auch CSU und Freie Wähler, meinte Celina. Mit ihrem "aggressiven Wahlkampf" hätten beide Parteien dem demokratischen Diskurs schwer geschadet. Wer "Märchen" verbreite und den politischen Mitbewerber abwerte und beschimpfe, beschädige die Glaubwürdigkeit aller politischen Parteien, sagte die Landtagsabgeordnete aus dem Landkreis Würzburg: "Da darf man sich hinterher nicht wundern, wenn niemand mehr ernst genommen wird."

Zuletzt habe sie an den Wahlkampfständen gespürt, "dass sich viele Menschen dem Rechtsruck entgegenstellen wollten", sagte Celina am frühen Abend. Da hoffte sie noch, dass die Grünen "am Ende auf Platz zwei" landen und stärkste Oppositionspartei bleiben würden.
AfD-Spitzenkandidat Graupner: Menschen haben Angst um ihre Heimat
Jubelstimmung derweil am Sonntagabend bei der AfD: Auf rund 16 Prozent kam die Rechtsaußen-Partei laut Hochrechnungen. "Das ist ein Zuwachs um 50 Prozent im Vergleich zu den Wahlen von 2018", rechnete der unterfränkische Spitzenkandidat, Richard Graupner aus Schweinfurt, vor.

Die Stimmenzuwächse für die AfD seien auch Protest gegen die Bundespolitik der Ampelregierung, gibt Graupner zu. "Aber wir haben natürlich gepunktet mit unserem Hauptthema, der Migration." Er habe von vielen Bürgern bei Wahlkampfveranstaltungen gehört, sie hätten Angst, dass durch Migration ihnen "die Heimat verloren gehe". Man müsse diese Angst vor unkontrollierter Zuwanderung ernst nehmen, sagte Graupner.
FW-Staatssekretärin Stolz: Mit Selbstbewusstsein in die Koalitionsverhandlungen
Am späten Abend lag die AfD dann auf dem umkämpften zweiten Platz hinter der CSU. Dort würden gerne auch die Freien Wähler hin. Zwar freute sich deren Bezirksvorsitzende Anna Stolz über das Ergebnis. Dass man als Juniorpartner in einer Koalition zulege, sei "nicht selbstverständlich". Vor zehn Jahren sei die regierende FDP aus dem Landtag herausgewählt worden, erinnerte Stolz, die Freien Wähler hätten jedoch ihre Position gestärkt. Aufgrund des Zugewinns an Stimmen werde man selbstbewusst in die Koalitionsverhandlungen mit der CSU gehen, meinte die Staatssekretärin im Kultusministerium.
Die Freie-Wähler-Chefin aus dem Landkreis Main-Spessart räumte im Gespräch jedoch ein, dass manch einer in ihrer Partei sogar ein noch besseres Ergebnis erwartet hätte. Positiv sei, dass die Versuche, Hubert Aiwanger aufgrund der Flugblattaffäre zu diskreditieren, nicht von Erfolg gekrönt waren, meinte Stolz. "Im Gegenteil, diese Debatte hat uns gestärkt."
SPD-Abgeordneter Halbleib erwartet "komplizierteste" Legislaturperiode seit seinem Einzug in den Landtag
Schlechte Laune herrschte dagegen bei der SPD. "Ein zweistelliges Ergebnis war die Marke, um die wir gekämpft haben", räumte der Würzburger SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib ein. Das Ergebnis sei "ernüchternd". Aber wenn es im Wahlkampf nur um bundespolitische Themen gegangen sei und bayerische Themen "keine Rolle" spielten, "ist es schwierig für eine Oppositionspartei, die den Finger in die Wunde legt und sagt, was in Bayern nicht läuft".
Die kommende Legislaturperiode "wird die komplizierteste, seitdem ich im Landtag bin", prognostizierte Halbleib am Sonntag. Noch nie habe er "einen so extrem polarisierenden Wahlkampf" erlebt, in dem populistische Thesen dominierten und ein Rechtsruck so deutlich spürbar gewesen sei. Der SPD-Politiker aus Ochsenfurt befürchtet, dass sich das durch eine stärkere AfD im Parlament fortsetzen wird. Sein Appell: "Wir müssen wieder von den Bäumen runterkommen" und wieder "vernünftig Politik machen".
Stunde Null bei Unterfrankens FDP - mal wieder
Noch schlechter als bei den Sozialdemokraten war die Stimmung bei der FDP, die nicht mehr in den Landtag einziehen. Mit ihr scheiterte auch der unterfränkische Spitzenkandidat Helmut Kaltenhauser, der seit 2018 im Landtag saß. "Wie es weitergeht, weiß ich jetzt nicht", sagte er am Abend. Wo hat die FDP Fehler gemacht? "Wir sind mit unseren Sachthemen in dem extrem emotional aufgeheizten Wahlkampf einfach nicht durchgekommen", sagte Kaltenhauser.
Die Flugblattaffäre habe die Wählerschaft mehr beschäftigt als jedes Sachthema, meinte der Liberale. Aiwanger habe von einem "Solidaritätseffekt" profitiert - und von der Aufmerksamkeit der Wähler. "Und die Parteien der Mitte, zu der ich auch die FDP zähle, haben gelitten", sagte Kaltenhauser. "Fachspezifische Fragen haben bei dieser Wahl niemanden interessiert, es ging nur um Emotionen."
Apropos Emotion: Der wütende unterfränkische CSU-Chef Steffen Vogel glaubt, man könne die Wählerschaft nur zurückgewinnen, indem man sich den Themen stellt, von denen die AfD profitiert hat. "Migration ist ein beherrschendes Thema", meinte Vogel. Das dürfe man "nicht totschweigen", sondern müsse man aufgreifen.