Es war eine schier unendliche Geschichte, die Sperrung des Zeller Bocks, der wichtigen Verbindungsstrecke zwischen dem westlichen Landkreis und der Stadt Würzburg. Seit 2000 war die schwer beschädigte Trasse nur noch einseitig befahrbar. Seit April 2010 dann die Totalschließung: die Hänge drohten auf die Straße zu rutschen, und die Fahrbahn war instabil.
Und die ganzen Jahre über litten die Zellerauer Geschäftsleute unter Umsatzeinbußen. Der eine oder andere musste sogar seinen Laden schließen. Eine Hilfsinitiative konnte aus Abrechnungsgründen nicht von der Stadt angenommen werden: Es taten sich einige Mittelständler zusammen und boten an, die Mehrkosten für die Verblendung einer Mauer an einem Grundstück am Zeller Bock zu übernehmen. Damals wurden sie auf etwa 60 000 Euro geschätzt.
Damit wollten die Unternehmer den schwelenden Streit zwischen Kommune und einem Anwohnerehepaar, der vor dem Verwaltungsgericht endete, schlichten und weiteren Schaden von der Zellerau als Einkaufsmeile abwenden. Die Hoffnung war damals, so Bauzeit zu sparen. Doch es wurde nichts daraus.
Und wie sieht die Einkaufslage heute aus, eineinhalb Monate nach der Wiedereröffnung der Ein- und Ausfallstraße? Strömen die Kunden wieder in die Läden?
„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und nutzt ausgetretene Pfade.“
Georg Gögelein Unternehmer
Sonnenschutz, Fenster, Haustüren, Jalousien und vieles mehr bietet das Unternehmen Gögelein seit 1937 in der Wredestraße 20 an. Inhaber Georg Gögelein hatte in seinem Geschäft viele Kunden, die auf dem Weg in ihre Heimatgemeinden im westlichen Landkreis oder in Main-Spessart bei ihm Halt machten. Und die fielen alle weg, bedauert er. „Fast zehn Jahre zog sich das Drama um den Zeller Bock hin. In der Zeit verloren wir fast alle Kunden zwischen Zell und Karlstadt und auf der anderen Mainseite.“ 60 bis 70 Prozent seines Klientels kam früher immerhin aus der Richtung. „Wir haben uns dann mit hohem Marketing-Einsatz in andere Regionen orientiert.“ Er hat ein Geschäft mit wenig Laufkundschaft. So schnell werde er die Öffnung des Zeller Bocks daher nicht merken. „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und nutzt ausgetretene Pfade. Und der hat den Zeller Bock schon fast vergessen.“
Mira Matterstock ist Prokuristin bei der gleichnamigen Firma für Forst und Gartenbedarf in der Frankfurter Straße 100. „Wir merken das stark,“ sagt sie. Immerhin war die Strecke in den westlichen Landkreis ja sechs Jahre lang komplett gesperrt. „Und wir hatten unser Geschäft am Ende der längsten Sackgasse Würzburgs“, hat sie das Scherzen trotzdem nicht verlernt. „Wir waren vorher ja komplett abgeschnitten.“ Umsatzeinbußen gab es natürlich über die Jahre. „Viele Kunden, die uns jetzt wieder ansteuern, sagen, sie haben den Besuch bei uns aufgeschoben.“ Positiv findet sie die Öffnung des Zeller Bocks auch für ihre Mitarbeiter: Die kämen jetzt entspannter zur Arbeit, da die anderen Strecken nicht mehr so überlastet sind.
Die sechs Jahre haben Jörn Greulich vom gleichnamigen Kaminstudio in der Frankfurter Straße 85 seiner Schätzung nach einen sechsstelligen Betrag gekostet. Doch jetzt läuft es wieder, freut sich der Unternehmer. „Gleich mehrere Kunden sagten mir, sie sind zufällig vorbeigefahren,“ zieht Greulich eine positive Bilanz. „Die Laufkundschaft funktioniert wieder.“ Die Sackgassen-Jahre hat er mit viel Werbung überstanden. „Das hat sich auch ausgezahlt.“ Er mag sich nicht vorstellen, wie seine Zahlen sonst ausgesehen hätten.
Jürgen Herrmannsdörfer ist Mitinhaber des Blumenhauses Decker. Er merkt die Öffnung der wichtigen Trasse noch nicht in der Kasse. „Der eine oder andere Kunde, den ich lange nicht gesehen hatte, war mal im Laden. Aber es ist doch ganz klar: Es wird so lange dauern, die Kunden zurückzubekommen, wie der Zeller Bock gesperrt war. Die haben sich doch über sechs Jahre andere Einkaufsquellengesucht.“ Er stellt jetzt doppelt so lange Auto-Schlangen in der Frankfurter Straße fest wie zu Zeiten der Sperrung und das ist auch nicht förderlich für die Einkaufswilligen. Sein Anliegen: Die Stadt möge doch das Verkehrskonzept und die Ampelschaltungen neu ausrichten und optimieren.
Ob der Bock geschlossen war oder jetzt wieder auf hat, davon merkt Jochen Heilig in seinem Shop für Aquaristik nichts. „Ich hatte früher viel Laufkundschaft. Doch diese Kunden kaufen jetzt woanders ein. Viele sind seiner Ansicht nach ins Internet abgewandert. Und die sprichwörtliche Beratung des Fachhandels? „Das übernehmen jetzt die Foren für Aquaristik-Liebhaber.“ Heilig hat sich jedenfalls mehr Belebung erhofft.
Petra Klüpfel betreibt das Staubsauger-Center in der Frankfurter Straße 46. Sie hat mit ihrem Service für eine spezielle Staubsaugermarke ein Alleinstellungsmerkmal. „Wer etwas für sein Gerät braucht, muss gezielt zu mir kommen. Da hab ich mir schon öfters mal anhören müssen, wie umständlich der Weg geworden ist.“