Ob den fränkischen Zuckerrübenbauern erneut ein Trockenjahr mit hohen Ernteausfällen droht, oder ob sie in vollen Zügen vom Preisauftrieb am Zuckermarkt profitieren können, ist derzeit noch nicht abzusehen. "Wir befinden uns gerade am Scheideweg", sagt Simon Vogel von der Rübenabteilung des Ochsenfurter Südzucker-Werks. "Es ist heiß und trocken, aber die kritischen Monate kommen erst noch." Unter dieser Ungewissheit stand auch die Generalversammlung des Verbands fränkischer Zuckerrübenanbauer (VFZ) im Gut Wöllried bei Rottendorf (Lkr. Würzburg). "Wir stehen im Spannungsfeld zwischen Frust und Freude", beschreibt VFZ-Geschäftsführer Klaus Ziegler die Stimmungslage der rund 2700 fränkischen Zuckerrübenbauern mit einer Anbaufläche von rund 23.000 Hektar.

Der Frust rührt vor allem von der Missernte 2022 her, die mit einer gesamten Erntemenge in Franken von 1,3 Millionen Tonnen Rüben rund 35 Prozent unter dem Vorjahr lag, sowie den stark gestiegenen Kosten für Treibstoff und Düngemittel. Auf der Gegenseite ist der Zuckerpreis seit Herbst 2022 in ungeahnte Höhen gestiegen und liegt nach dem jüngsten EU-Preisreport bei über 800 Euro pro Tonne. Das ist fast dreimal so viel wie am Tiefpunkt der Preiskrise zwischen 2017 und 2022. Die geringere Ernte und die höheren Produktionskosten konnten dadurch einigermaßen kompensiert werden.
Südzucker will ein breiteres Portfolio pflanzenbasierter Rohstoffe anbieten
Damit zeigt auch der Strategiewechsel der Südzucker AG Wirkung, deren Globalisierungsstreben nach dem Ende der Zuckermarktordnung durch die Tiefpreisphase einen empfindlichen Dämpfer erlitten hatte, und die sich künftig beim Zucker ausschließlich auf den europäischen Markt konzentrieren will. Mitmischen will der Konzern dafür international bei anderen pflanzenbasierten Rohstoffen und holte sich dazu 2022 Hans-Peter Gai als neuen Technikvorstand ins Haus. Der 57-jährige Maschinenbauingenieur mit Schwerpunkt Produktionstechnik ist neu in der Zuckerindustrie, sammelte aber Erfahrung bei anderen großen Lebensmittelkonzernen wie Unilever oder Danone.
Von pflanzlichen Eiweißprodukten über chemische Rohstoffe bis zu Faserstoffen auf Basis von Rübenschnitzeln reicht das Produktportfolio, das Südzucker um das Kerngeschäft Zucker herum aufbauen will. Dabei setzt man unter anderem auf die angekündigte Abkehr der chemischen Industrie von fossilen Rohstoffen, die zumindest teilweise durch pflanzenbasierte substituiert werden können.

Auch die technische Umsetzung der von Südzucker postulierten Nachhaltigkeitsziele fällt in die Verantwortung von Hans-Peter Gai. Bis 2030 will der Konzern in den eigenen Werken den Ausstoß von CO2 im Vergleich zu 2018 halbieren. Dazu könnte die Herstellung von Biogas aus den ausgelaugten Rübenschnitzeln beitragen, die bisher als Viehfutter verwertet wurden. Dass das Werk in Ochsenfurt seinen Energiebedarf künftig aus selbst erzeugtem Biogas deckt, gilt in Branchenkreisen allerdings als wenig wahrscheinlich, weil die Fabrik im Gegensatz zu anderen Standorten über eine effiziente Trocknungsanlage für die Rübenschnitzel verfügt.
Ochsenfurter Südzucker-Werk setzt künftig ganz auf Gas
Gleichwohl ist die Abkehr von der Kohle als Energieträger inzwischen beschlossene Sache. Ab der kommenden Kampagne wird die Energiezentrale des Ochsenfurter Werks ausschließlich mit Erdgas befeuert, das in Zukunft auch durch Biogas und in Anteilen durch Wasserstoff ersetzt werden kann, so Südzucker-Vorstand Gai. Zukünftig sollen verstärkt Industriewärmepumpen zum Einsatz kommen.
Für die Rübenbauern ist das Zukunftsmusik. Sie richten ihren Blick auf die Äcker und hoffen auf ausreichend Regen. Eine kurze Schlechtwetterperiode Anfang Juni habe den Beständen gut getan, sagt Simon Vogel. "Dort wo es geregnet hat, sieht man die Unterschiede heute noch." Dabei sei die Rübe an sich eine anspruchslose Pflanze und erhole sich schnell vom Trockenstress. Erst wenn, wie im vergangenen Jahr, auf manche Äcker drei Monate lang kein Regen fällt, mache auch die Rübe schlapp.
Vor allem die Spitzenlagen im Ochsenfurter Gau und im nördlichen Landkreis Würzburg seien noch gut mit Wasser versorgt, so Vogel weiter. Lediglich auf leichten Böden im Norden und Osten Unterfrankens seien derzeit erste Anzeichen von Wasserknappheit zu erkennen. "Gut, dass es in den letzten Tagen geregnet hat, dann können die Rüben auch die Sonne gut verkraften", sagt er.
Die Aussichten auf den Märkten sind weiterhin rosig. Analysten gehen davon aus, dass der Zuckerpreis mittelfristig auf seinem hohen Niveau verharrt, so VFZ-Geschäftsführer Ziegler. "Ruhe bewahren in wechselvollen Zeiten", rät er den Landwirten deshalb.