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Würzburg: Zuwanderung als Lösung für den Fachkräftemangel? Was eine Würzburger Ökonomin vom Plan der Bundesregierung hält

Würzburg

Zuwanderung als Lösung für den Fachkräftemangel? Was eine Würzburger Ökonomin vom Plan der Bundesregierung hält

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    Ein Flüchtling arbeitet in einer Lernwerkstatt unter professioneller Anleitung an einem Werkstück. Migranten werden  gebraucht – wie aber finden sie leichter in Jobs?
    Ein Flüchtling arbeitet in einer Lernwerkstatt unter professioneller Anleitung an einem Werkstück. Migranten werden  gebraucht – wie aber finden sie leichter in Jobs? Foto: Sven Hoppe, dpa

    Ob Handwerk, Pflege oder IT: Fast überall in Deutschland fehlt es an Fachkräften. Die Bundesregierung will nun den Zugang auf den deutschen Arbeitsmarkt erleichtern und für Migrantinnen und Migranten Anreize setzen.

    So soll den Plänen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zufolge eine Einbürgerung schon nach fünf statt bisher acht Jahren möglich sein – bei besonders guter Integration auch schon nach drei Jahren. Erleichtert werden sollen doppelte Staatsbürgerschaften. Während die Union die Pläne teils heftig kritisiert, kommt aus der Wirtschaft Unterstützung für eine solche Reform des Staatsbürgerschaftsrechts.

    Frühere Einbürgerung: Unterstützung aus der Wirtschaft

    "Angesichts des demografischen Wandels und des steigenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels ist das unbedingt zu begrüßen", sagte die Vorsitzende der "Wirtschaftsweisen" Monika Schnitzer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft befürwortet die Pläne. Der Abbau bürokratischer Hürden bei der Einbürgerung von Softwareingenieuren und Pflegekräften könne sich langfristig als wichtiger Standortvorteil für Deutschland erweisen, sagte Bundesgeschäftsführer Markus Jerger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.  

    An diesem Mittwoch will die Bundesregierung außerdem ein Eckpunktepapier zur "Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten" beschließen. Über ein Punktesystem sollen Menschen "mit gutem Potenzial" ins Land kommen können, auch wenn sie noch keinen Arbeitsplatz haben. "Wir werden auf Grundlage eines transparenten unbürokratischen Punktesystems eine Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche einführen", heißt es in dem Papier. Als Auswahlkriterien werden Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter genannt.

    Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, betonte die Bedeutung von Zuwanderung für den Arbeitsmarkt. "Es gibt wegen des demografischen Wandels kein Szenario, wo wir ohne größere Einwanderung auskommen", sagte Nahles der Süddeutschen Zeitung. Es brauche im Saldo 400.000 zusätzliche Arbeits- und Fachkräfte im Jahr. Sie forderte unter anderem einen Abbau von Bürokratie. "Der Arbeitsmarkt ist so aufnahmefähig wie seit 30 Jahren nicht mehr, und die Leute wollen arbeiten, egal aus welchem Land sie kommen."

    Und doch tun sich Geflüchtete in Deutschland oft schwer, einen Job oder einen Ausbildungsplatz zu finden. Warum das so ist, hat die Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Christina Felfe von der Universität Würzburg mit weiteren Autoren in einer Studie untersucht. Größte Hindernisse sind demnach mangelnde Deutschkenntnisse sowie ein unsicherer Aufenthaltsstatus. Beides hält Unternehmen davon ab, Migrantinnen und Migranten einzustellen.

    Prof. Christina Felfe de Ormeño ist Expertin für den Arbeitsmarkt und seit 2018 Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg.
    Prof. Christina Felfe de Ormeño ist Expertin für den Arbeitsmarkt und seit 2018 Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg. Foto: Petra Winkelhardt/Universität Würzburg

    Insofern befürwortet Felfe die Perspektive einer früheren Einbürgerung: "Die Staatsbürgerschaft ist die ultimative Sicherheit, die man hier jemandem geben kann", sagt die Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre und Spezialistin für Arbeitsmarktökonomik. Gleichwohl müssten die Betreffenden ihre Integration belegen, "dafür braucht es harte Kriterien".

    Würzburger Wirtschaftsprofessorin: Ja zur Zuwanderung, aber mit klaren Kriterien

    Deutschkenntnisse seien wesentlich überall dort, wo man mit Menschen arbeitet: "Sprache ist der Türöffner." Laut Studie wären viele Arbeitgeber sogar bereit, ein zusätzliches Lehrjahr zu finanzieren – wenn es berufsbegleitend für Sprachkurse genutzt wird. Die Politik, so Felfe, müsse hier gut abgestimmte Angebote schaffen. "Nicht unbedingt offene Deutschkurse für alle, sondern besser dezentral für Azubis in einem bestimmten Beruf."

    Gleichzeitig verweist die Wissenschaftlerin auf Jobs, die auch ohne Deutschkenntnisse gut machbar sind – zum Beispiel im IT-Bereich. "Sprache", sagt Felfe, "darf nicht das allein entscheidende Kriterium sein." Die Ökonomin sieht die Pläne für ein Punktesystem zur Zuwanderung zwar positiv: "Das klappt in anderen Ländern wie Kanada oder Australien auch." 

    Allerdings hält Felfe das vorhandene Potenzial an Arbeitskräften in Deutschland – unabhängig vom Migrationshintergrund – noch nicht für hinreichend aktiviert. "Darüber müssen wir intensiv nachdenken." In der Vergangenheit, so die kritische Analyse der Arbeitsmarkt-Expertin, seien zu viele Menschen in das Sozialsystem eingewandert oder darin hängengeblieben. "Da ist etwas schiefgelaufen."

    Und schließlich seien unter Migrantinnen und Migranten auch "Subkulturen" verbreitet, die eine gute Integration behindern – selbst wenn ihre Kinder in Deutschland geboren sind und den deutschen Pass haben. So würden Töchter in traditionell-konservativen Familien häufig in ihrer schulischen und beruflichen Entwicklung zurückgehalten. "Da ist noch viel zu tun", sagt Christina Felfe, "hier braucht es Bildung, soziale Integration und Gespräche zwischen Schule und Eltern."

    Studie: Mindestens 260.000 Menschen müssten jährlich nach Deutschland zuwandern

    Dass der deutsche Arbeitsmarkt eine starke Zuwanderung braucht, das bestätigt eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung aus dem Frühjahr 2019. Danach müssten mittel- und langfristig jedes Jahr mindestens 260.000 Menschen nach Deutschland kommen, um den Arbeitskräfteschwund angesichts einer alternden Gesellschaft auszugleichen. Weil sich die Lebensverhältnisse innerhalb der EU weiter annähern, spielt die Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten eine zunehmend wichtigere Rolle.  

    Mit Informationen von dpa

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