In der Nacht von Samstag auf Sonntag erreichten dramatische Nachrichten die Welt: Nach Jahren des Bürgerkriegs brach das Assad-Regime in Syrien überraschend schnell zusammen. Unter der Führung von Staatspräsident Baschar Hafiz al-Assad hatte sich das Land in den vergangenen 24 Jahren zunehmend zu einem repressiven Staat entwickelt, in dem die politische Opposition unterdrückt und Menschenrechte massiv verletzt wurden. Der Bürgerkrieg, der 2011 infolge der brutalen Niederschlagung friedlicher Proteste gegen die Regierung ausgebrochen war, hatte das Regime international in Verruf gebracht und zu jahrelangem Leid für die syrische Bevölkerung geführt. Nun blickt auch die syrische Gemeinschaft in Würzburg gebannt und mit gemischten Gefühlen auf die Ereignisse in der Heimat. Drei aus Syrien stammende junge Männer erzählen, wie sie die auf aktuellen Entwicklungen blicken.
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"Gott sei Dank ist Syrien endlich befreit – ein Moment, auf den ich lange gehofft habe. Dass es so schnell passiert, habe ich nicht kommen sehen. Doch die Lage bleibt unübersichtlich, Chaos herrscht weiterhin auf den Straßen. Meine Eltern in Damaskus sind wohlauf, warten aber ab, bis sich die Situation stabilisiert. Ich hoffe, dass die Rebellen den Übergang gut gestalten und die Lage nicht schlimmer wird. Die letzten Tage sind so schnell vergangen, und niemand weiß genau, was geschehen ist oder wie es dazu kam.
Wir haben viele Sorgen: Mein Bruder sitzt seit 2012 im Gefängnis, und wir wissen weder, wo er ist, noch ob er lebt. Auch mein Onkel und Cousin sind verschollen. Fast jede syrische Familie hat zwei oder drei Angehörige verloren und viele haben Vermisste. Ich war 23, als ich herkam, und bin seit neun Jahren hier. Davor war ich eine Zeit in der Türkei und im Libanon.

Hier in Deutschland geht es mir gut, und ich habe mir ein neues Leben aufgebaut. Das letzte Mal habe ich meine Eltern vor zwei Jahren in Rumänien getroffen – damals war Syrien zu gefährlich. Nach 14 Jahren Warten scheint es endlich sicherer zu werden. Ob ich sie bald in der Heimat besuchen kann, hängt davon ab, wie sich die Lage entwickelt."
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"Ich habe jahrelang gehofft, dass Assad gestürzt wird, doch bis kurz vor der Einnahme von Damaskus durch die Rebellen hielt ich es nicht für möglich. Als die Nachricht kam, dass Assad das Land verlässt, war es wie ein Traum. Meiner Familie in Damaskus geht es gut. Noch ist es nicht ganz sicher, aber in wenigen Tagen oder Wochen werden wohl Normalität und Sicherheit einkehren. Für mich bedeutet dieser Moment sehr viel. Ich habe am Montag ausgiebig mit meinen Freunden gefeiert.
Während Assads Herrschaft war die Lage für meine Familie furchtbar. Es gab ständig Stromausfälle in Damaskus, im Winter war es bitterkalt, im Sommer unerträglich heiß ohne funktionierende Klimaanlagen. Zum Glück wurde niemand aus meiner Familie in ein Foltergefängnis gebracht, aber jeder kennt mindestens eine Person aus dem Freundeskreis oder der Verwandtschaft, die dort war und gefoltert wurde. Hunderttausende Menschen sind traumatisiert.
Die Aussicht, mein Land wieder ohne Angst vor Repressalien besuchen zu können, erfüllt mich mit großer Freude. In Deutschland habe ich mir ein Leben aufgebaut und werde nicht dauerhaft zurückgehen, aber ohne Sorge meine Familie besuchen zu können, ist ein großartiges Gefühl. Als ich hörte, dass Assad geflohen ist, empfand ich unendliches Glück. Syrien hat wieder eine Zukunft."
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"Ich habe immer gewusst, dass es früher oder später passieren wird. Wir waren ja gut informiert, da unsere Familie noch in Syrien lebt. Ihnen geht es gut, sie alle atmen auf. Es ist ein großartiges Gefühl zu wissen, dass Assad weg ist. Viele Geflüchtete wollen bald zurück in die Heimat. Ich selbst bleibe hier, habe eine Familie und einen dreijährigen Sohn, aber ich kenne viele, die diesen Moment herbeigesehnt haben. Meine Familie lebt noch in Damaskus, sie sind erleichtert und können endlich wieder frei leben und arbeiten.
Unter Assad lebte man in Angst – 'die Wände haben Ohren', hieß es. Man konnte für ein Gespräch über Geld ins Gefängnis kommen. Selbst Kinder und Frauen wurden verschleppt. Vor allem aber junge Männer, wie mein Onkel, der seit zehn Jahren verschwunden ist. Viele aus meiner Familie sind in den Foltergefängnissen gestorben. Ich selbst wurde ein Jahr lang inhaftiert, gefoltert und schließlich freigekauft, weil mein Vater das Geld dazu hatte. Doch das Regime zerstörte seinen Betrieb, und er hat alles verloren.
Jetzt hoffe ich, meine Familie bald besuchen zu können, sobald es ruhiger ist. Meine Geschwister und mein Vater sollen endlich mein Kind kennenlernen. Für Syrien wünsche ich mir Freiheit und Demokratie – das Volk wird es einfordern. Die Menschen wissen, wie es weitergehen soll."