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Mönchstockheim: Durchbruch mit Kaiser Wilhelm I.: Jan Markert aus Mönchstockheim sorgt als Historiker für Furore

Mönchstockheim

Durchbruch mit Kaiser Wilhelm I.: Jan Markert aus Mönchstockheim sorgt als Historiker für Furore

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    Jan Markert (33) aus Mönchstockheim hat im Fach Geschichte über Kaiser Wilhelm I. promoviert. Seine Arbeit trägt zu einer Neubewertung des Verhältnisses von Wilhelm I. zu Reichskanzler Otto von Bismarck bei.
    Jan Markert (33) aus Mönchstockheim hat im Fach Geschichte über Kaiser Wilhelm I. promoviert. Seine Arbeit trägt zu einer Neubewertung des Verhältnisses von Wilhelm I. zu Reichskanzler Otto von Bismarck bei. Foto: Mößlein Michael

    Von Mönchstockheim aus betrachtet ist Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) weit weg. Nicht nur zeitlich. Der preußische Monarch interessierte sich zeitlebens wenig für Bayern. Mit Franken im Speziellen hatte er wenig bis nichts am Hut. Umgekehrt ist das anders. Das gilt zumindest für einen Unterfranken: Jan Markert. Der 33-Jährige, der aus Mönchstockheim stammt, dürfte trotz seines jungen Alters einer der profiliertesten Kenner Wilhelms, des Herrschers an der Spitze des ersten deutschen Nationalstaats, sein.

    Mit Wilhelm beschäftigte sich Markert bereits, als er in Bamberg Geschichte studierte. Seine Master-Arbeit drehte sich um den Preußen-König. Markert stieß auf eine Lücke in der Geschichtsforschung. Der im Jahr 1871 zum deutschen Kaiser Gekrönte taucht in der Fachliteratur natürlich auf. Doch in erster Linie entstammt das Bild, das von Wilhelm existiert, den Ansichten des von ihm zum Reichskanzler erhobenen Otto von Bismarck (1815-1898). „Und dieses Bild passt nicht“, stellt Markert fest.

    Für seine im Jahr 2022 abgegebene Dissertation wertete der zwischenzeitlich promovierte Historiker das überlieferte Hohenzollern-Archiv in Berlin aus. Wilhelms eigene Handschriften füllen darin 27,5 Regalmeter. Ein reicher Fundus, der erstaunlicherweise zuvor nie systematisch ausgewertet worden ist.

    Auf wissenschaftlichen Schatz gestoßen

    Der Geschichtsstudent aus Unterfranken war auf einen wissenschaftlichen Schatz gestoßen. Diesen zu heben, kostete Markert viel Mühe. „Wilhelms Handschrift ist grauenhaft“, sagt er. „Ich habe lange gebraucht, die Kurrentschrift halbwegs flüssig entziffern zu können.“ An manchen Stellen sei auch er nicht weitergekommen. Bis heute nicht.

    Die Akribie hat sich gelohnt. Denn ohne seine Ergebnisse hier im Detail beleuchten zu können, kann festgehalten werden: Markerts Dissertation gilt in der Fachwelt als erste wissenschaftliche Monografie über Wilhelm I., die das verfügbare authentische Quellenmaterial einschließt. Das vorherrschende Kaiser-Bild erscheint dadurch in einem ganz neuen Licht.

    Zugespitzt ausgedrückt galt Wilhelm bisher als willfährige Marionette des „eisernen“ Reichskanzlers Bismarck, der den Monarchen für eigene Ziele lenken konnte, wie er mochte. Markert kommt zu einem umgekehrten Schluss. Wilhelm habe Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten ernannt, gerade, weil er diesen als Werkzeug für seine eigene politische Agenda verstand. Und das mit Erfolg.

    Bismarck inszenierte sich selbst für die Nachwelt

    Dass dies in der Geschichtsforschung bislang niemandem auffiel, liegt laut Markert vor allem daran, dass Bismarck nach Wilhelms Tod alles dafür tat, um seine eigene Rolle herauszustellen – zulasten der des Monarchen. „Bismarck hat in seinen Memoiren gelogen und so eine Art Rachefeldzug gegen Wilhelm geführt“, sagt der junge Historiker unumwunden. Fatalerweise stützten sich Historiker seitdem quasi ausschließlich auf die aus Eigennutz tradierten Quellen Bismarcks, um zu einem Urteil über Wilhelm zu gelangen. Erst Markert brach aus dem gedanklichen Käfig aus und stützte sich für seine Arbeiten auf Wilhelms Korrespondenz und dessen eigenen schriftlichen Zeugnisse.

    Markerts an der Universität in Oldenburg eingereichte Dissertation, die im Original über 1000 Seiten zählt, ist seit Ende vergangenen Jahres in Buchform veröffentlicht. Von dem fast 800 Seiten zählenden Wälzer sind laut Markert mittlerweile deutlich über 300 Exemplare verkauft worden. Was gegenüber Bestseller-Literatur mickrig erscheint, ist in der Fachwelt ein großer Erfolg. Dissertationen würden im Durchschnitt oft nur zehn Menschen lesen, meint Markert.

    Doch sein Erfolg reicht noch weiter. Dies liegt auch daran, dass fast zeitgleich mit Susanne Bauer und Frederik Frank Sterkenburgh Dissertationen über Wilhelm I. verfasst haben. Markert hat die beiden Historiker im Zuge seiner Forschungen kennengelernt. Sie hätten sich nicht abgesprochen, sagt Markert. Doch dass sie alle drei zu einem ähnlichen Fazit gelangen, das auf eine Neuberwertung Wilhelms hinausläuft, habe den Wirbel in der Fachwelt natürlich verstärkt.

    Vortragsreisen führen bis nach Neuseeland

    Mehrere überregionale Medien haben die Publikationen in teils ganzseitigen Artikeln gewürdigt. Die drei Wissenschaftler werden zudem reihenweise zu Vorträgen eingeladen. Anfang April sprachen sie an der Akademie der Wissenschaften in Berlin vor einem 300-köpfigen Publikum aus Wissenschaft und Politik, berichtet Markert. Bis zum Jahresende sei sein Terminkalender mit Vorträgen gefüllt, die ihn bis nach Neuseeland führen werden. Eventuell komme er Ende des Jahres auch zu einer Podiumsdiskussion an der Uni Würzburg.

    Wilhelm I. wird Markert nicht so schnell loslassen. „Wilhelm wird mich wohl noch jahrzehntelang beschäftigen“, schätzt der 33-Jährige. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Trier wertet er den persönlichen Schriftwechsel des Preußen-Herrschers mit Ehefrau Augusta aus, auch im Hinblick auf eine mögliche Habilitation als Voraussetzung für eine spätere Professur. „Eine grandiose Quelle“, findet Markert, nicht nur, weil sie neue Einblicke auf ein sich auch gerne zankendes Ehepaar ermöglicht.

    Der Kaiser selbst hinterlässt bei Markert ein ambivalentes Bild. Der Hohenzoller habe als Herrscher großen Machtinstinkt bewiesen, um die Monarchie im 19. Jahrhundert gegenüber dem aufkommenden Parlamentarismus zu behaupten. Mit Blick auf die bis zum Ende der Nazi-Herrschaft reichenden Folgen des deutschen Nationalismus sagt Markert: „Wilhelm I. ist mit Blick auf die Demokratiegeschichte keine wirklich positive Figur.“ Aber er sei als Herrscher eben auch nicht so wachsweich und beeinflussbar gewesen, wie Bismarck dies der Nachwelt aufgetischt habe.

    Trotz seiner gleich zu Beginn steil startenden Karriere als Historiker behält Markert Bodenhaftung. Er weiß: Dass eine Dissertation in der Fachwelt dermaßen einschlägt, ist alles andere als selbstverständlich. Auch seiner Heimat, die er vor sechs Jahren im Zuge seines Promotionsstudiums Richtung Oldenburg verlassen hat, ist er weiter verbunden. In Mönchstockheim leben noch seine Eltern. Ob es Jan Markert, der mit seiner Ehefrau bei Hamburg wohnt, jemals in seine Heimat zurück verschlägt, ist fraglich. Ausschließen möchte er es nicht.

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