Wo einst Bands ihr Publikum begeisterten und wild gefeiert wurde, herrscht jetzt Stille. Die Bühnen sind leer, die Tanzflächen verwaist. Die Bars, Clubs und Discos in der Region sind seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie geschlossen. Wie es weitergeht und wann, weiß derzeit niemand. Fotograf Daniel Peter hat die Betreiber der Locations besucht und sie über ihre Nöte und Hoffnungen befragt.
"MS Zufriedenheit", Würzburg

„Gäste, gute Zeit und Geld!“, daran fehlt es laut Thomas Howert, 38, aktuell in der „MS Zufriedenheit“. Er lacht. „Genau in der Reihenfolge“, fügt er hinzu. Thomas ist mit seinem Vater in Brasilien, als ihn die Nachricht vom Lockdown erreicht. Per SMS. In einer „Hauruck-Aktion“ bucht er für den nächsten Tag Flüge. Seit Mitte März ist der Club der „MS Zufriedenheit“ dicht. Land unter. Ein sensibles Gespür für Musik und subkulturelle Strömungen hatte der MS in den vergangenen Jahren eine überregionale Gefolgschaft beschert. Die Pandemie bedroht den Club existenziell. „Aktuell halten wir uns mit Hochzeiten über Wasser“, sagt Thomas. Aber es gibt keine wirkliche Perspektive. Keine Ansage von der Politik. Den Mietvertrag hat Howert zum Ende des Jahres gekündigt.
"Immerhin" , Würzburg

Im leeren Kneipenraum des „Immerhin“ im Keller der Posthalle in Würzburg stehen (von links) Felix Dufner (28), Tim Müller (32), Lisa Schmitt (29), Hannes Bachmeier (31) und Sven Liebold (46). Die fünf Würzburgerinnen und Würzburger gehören zum Team des Ladens. Mit über 100 Shows im Jahr zählt das „Immerhin“ in Würzburg zu den aktivsten Live-Locations der Region. Die Bands kommen aus allen Winkeln der Erde. Punkrock, Hardcore, Stoner, Metal. „We are the Immerhin and we play Rock'n'Roll“, lautet die Devise des Veranstaltungsorts. Bisher sind knapp 50 Shows der Pandemie zum Opfer gefallen. Und die große Sause zum 40-jährigen. „Uns allen fehlen der Laden und die mit ihm verbundenen Shows sehr!“, sagt Lisa Schmitt. „Wichtig ist aber, dass wir alle gesund durch die Nummer kommen“, fügt Tim Müller hinzu. Deswegen liegt der Betrieb seit März auf Eis. „Unsere Shows funktionieren einfach nicht, wenn man auf Stühlen sitzen muss. Das ist jedem klar, der schon mal da war“, sagt Hannes Bachmeier. Personalkosten hat das „Immerhin“ keine. Alle Team-Mitglieder arbeiten komplett ehrenamtlich. Aber die Mietkosten laufen weiter.
"Partystadl Pinocchio", Bad Neustadt

„Wir haben seit fünf Monaten keine Einnahmen“, sagt Dirk Mehling (47). Zusammen mit Frank Dumor (54) sitzt er an der Bar des „Party-stadl Pinocchio“ in Bad Neustadt an der Saale. Der Raum ist dunkel. Die Einrichtung wirkt wie eine Mischung aus Skihütte und Bierkönig. „Schulden machen ist keine Alternative“, sagt Mehling. Er wünscht sich einen stärkeren Dialog mit der Politik über Hilfen und Perspektiven: „Es geht um funktionierende Unternehmen, die unschuldig in eine finanzielle Schieflage geraten.“ Seit April haben er und Frank Dumor einen moderierten Radiosender eingerichtet. „24 Stunden rund um die Uhr“, sagt Mehling. Um bei den Gästen in Erinnerung zu bleiben. Seit Juni gibt es auch einen Biergarten. „Aber da musst du aufpassen, dass du kein Geld mitbringst“, sagt Mehling. Wirtschaftlich ist das nicht.
"Stattbahnhof", Schweinfurt

Auf der Empore des großen Konzertsaales im „Stattbahnhof“ in Schweinfurt stehen (von links) Tim Walkowiak (23), Tamara Stapf (25), Gernot Stühler (44) und Julia Gock (38). Im Hintergrund funkelt die neue LED-Lichtanlage. Allzu oft kam sie noch nicht zum Einsatz. Seit Mitte März hat der „Statti“ geschlossen. Viele Shows fallen aus. Die legendären Circle Jerks aus Kalifornien. Oder die Dead Kennedys. Mit einem Online-Angebot hält sich der „Stattbahnhof“ über Wasser. „Wir bedrucken Shirts, Tassen und sogar Schnapsgläser“, sagt Julia Gock. Die Nachfrage ist groß. Gocks Schwester hat Masken genäht. „Wir haben gehofft, dass wir bis Weihnachten wieder öffnen können“, sagt Julia Gock. Aber danach sieht es aktuell nicht aus.
"Rainbow", Knetzgau

Uriah Heep, Münchner Freiheit und Spider Murphy Gang. Theo Kuhn (77) hatte sie alle. 1979 baut er im Gewerbegebiet in Knetzgau die Diskothek „Rainbow“. Und lädt die Musiker-Prominenz in die Haßberge. Mit Erfolg. Die Stars geben sich bei Kuhn die Klinke in die Hand. Seit 7. März ist das „Rainbow“ geschlossen. „Es gibt aktuell keine Alternative“, sagt Theo. Er sitzt am Rand der dunklen Tanzfläche. Ein normaler Diskobetrieb ist für ihn nicht denkbar „Auch wenn es immer wieder unvernünftige Menschen gibt, die es nicht wahrhaben wollen“, sagt Kuhn. Er nimmt die Pandemie sehr ernst. Der Laden gehört ihm. Pacht zahlt er nicht. Aber die Kosten laufen trotzdem weiter. Ihm fehlen das Personal und die Gäste – „die große Familie!“, sagt er. Theo Kuhn hofft, dass der Betrieb nach Corona verstärkt weitergeht. „Dass die Bude wieder rockt“, sagt er und lacht.
"Waldschänke Dornheim", Würzburg

„Wir haben unseren Rettungsschirm bis nächsten Sommer gespannt“, sagt Patrick Hansel. Der 38-Jährige steht auf der Tanzfläche der „Waldschänke Dornheim“ auf der Talavera in Würzburg. Der Club schließt bereits zum 17. Januar. Mit einem rauschenden Fest geht es in die Winterpause. Im März kommt das Virus. Lockdown. Alle Planungen für den Sommer liegen auf Eis. Mitte Mai läuft der Biergarten wieder an. Das kompensiert zumindest die Verluste. Veranstaltungen in den Innenräumen gibt es keine. Hansel vermietet auch nicht. „Wir machen jetzt den Sommer fertig und gehen dann mit frischem Kopf in den Winter“, sagt er. Inzwischen haben die Leute auch begriffen, dass im Club Sendepause ist. „So lange bis es einen Impfstoff gibt. Oder eine medizinische Behandlung“, sagt Patrick Hansel.
"Dschungel", Volkach

Seit den 1970er Jahren kommen Bands aus der ganzen Welt in die kleine Bar in der Sommeracher Straße. Aktuell ist es dunkel im Volkacher „Dschungel“. Seit Mitte März liegt der Betrieb brach. Katja Ruck (44) steht hinter der Theke und seufzt. „Wir sind ja nicht auf der Reeperbahn“, sagt die Betreiberin der alteingesessenen Bar. „Ein normaler Kneipenbetrieb wäre ohne Probleme möglich“, fügt Katja hinzu. Bayern ist das einzige Bundesland, in dem Kneipen und Bars immer noch dicht sind. Der Biergarten vor dem „Dschungel“ ist klein. „Das ist wirtschaftlich nicht machbar. Was will ich mit 25 Leuten, die drei Bier trinken“, sagt Katja. Aktuell hält sie sich mit Soforthilfe über Wasser. Ihr Vermieter ist kulant. Und der Verein „Skate'n?ock e.V.“ aus dem benachbarten Nordheim hat ihr Hilfe angeboten. „Mit Freunden ist alles schaffbar“, sagt sie und lacht.
"Labyrinth", Würzburg

„Am Anfang haben wir gedacht, dass wir in sechs Wochen wieder aufmachen“, sagt Marius Mensch (37). Er lehnt an einem Stehtisch in der Diskothek „Labyrinth“. Die Barhocker sind hochgestellt. An den Säulen prangen frische Graffitis. Der Künstler Max Göbel hat sie während des Lockdowns neu gestaltet. Seit den Achtzigern ist das „Laby“ eine feste Institution in der alternativen Szene. Sogar die „Toten Hosen“ waren schon da. Zum Kickern nach einer Show in der damaligen Carl-Diem-Halle. Seit 13. März ist der Laden zu. Marius hält sich mit dem Überbrückungsgeld über Wasser. Und mit Vermietungen. Aber das reicht allenfalls für die Fixkosten. Wann es weitergeht? Marius lacht: „Am liebsten gleich morgen.“ Aber ihm ist vollkommen klar, dass das angesichts der Pandemie nicht funktioniert. „Wir hoffen auf März“, sagt der 37-Jährige.
"Katze", Würzburg

Leon Schnarr (20) steht in der Mitte der Tanzfläche der „Katze“. Aus vier Ecken schießt Nebel in den leeren Raum. Seit Anfang November macht er eine Ausbildung als Veranstaltungskaufmann in der „Katze“. „Und dann kam Corona“, sagt er. Der Laden muss schließen. „Wir haben die Zeit genutzt für Renovierungen“, fügt Schnarr hinzu. Aktuell vermietet der Club seine Räume für Privatveranstaltungen. Schnarr macht die Abendleitung oder übernimmt die Bar. „Im Frühjahr geht es weiter“, sagt er selbstbewusst: „No surrender, wir geben nicht auf.“