"Das Land hat Hunger danach", sagt Sebastian Bär. Hunger nach Festgestein. In Bärs Tagebau ist das grauschwarzer dichter Basalt. Der 40-Jährige leitet für die Basalt-Actien-Gesellschaft (BAG) aus Linz am Rhein den Steinbruchbetrieb auf dem Zeilberg bei Maroldsweisach in den Haßbergen.
Es ist die Bauindustrie, deren Hunger unstillbar ist. Insbesondere im Straßenbau: Basalt ist wichtiger Zuschlagstoff für Asphalt und Beton und überall begehrt, wo es gilt, tragfähigen und frostsicheren Untergrund zu schaffen. Das ist auch der Hauptverwendungszweck für den Basalt vom Zeilberg.

Deshalb holen hier jeden Werktag 150 Lastzüge 4000 Tonnen Basalt ab, als Schotter, Splitt oder Sand. Jahr für Jahr werden dem Berg 800 000 Tonnen Gestein entrissen. Vom Umland aus ist ihm das, auch dank Bewaldung, nicht anzusehen. Wie seit Menschengedenken bleibt der Zeilberg die stolzeste Erhebung über das Itz-Baunach-Hügelland. Den von Nord nach Süd 800 Meter langen und in Ost-West-Richtung 600 Meter breiten Tagebau entdeckt nur, wer die Hänge erklimmt und sich auf den knapp vier Kilometer langen Stein-Erlebnispfad um das Abbauareal herum begibt. Hier schaut der Wanderer mancherorts wie von einem Kraterrand in atemberaubende Tiefe.
462,9 Meter über dem Meeresspiegel geben topografische Karten als höchsten Punkt des Zeilbergs an. Etwas höher mag der Gipfel vor Beginn des großmaßstäbigen Abbaus in den 1880er Jahren gewesen sein. Über 100 Meter tief haben sich die Bergleute seither in den Berg gegraben, die Sohle liegt aktuell auf 351 Meter über Normalnull.

"Und wir gehen noch 40 Meter tiefer", sagt Betriebsleiter Bär. 2019 hat die BAG vom Landratsamt Haßberge die Genehmigung erhalten, auf 50 Jahre hinaus weitere 48 Millionen Tonnen Basalt abzubauen. Damit wird sich noch lange im Tagebau stets das gleiche Schauspiel abspielen wie bisher.
Einmal pro Woche rückt ein Sprengtrupp an und sprengt im "Krater" einen Steilwandabschnitt ein paar Meter zurück. Dann schaffen die gut 20 BAG-Beschäftigten vor Ort das herausgelöste Gestein mit Radladern und Muldenkippern fort. Kann der Abbau von der aktuellen Sohle aus nicht weiter fortschreiten, weil der "Kraterrand" erreicht ist, arbeiten sich die Bergleute auf das nächst tiefere Niveau fort.

Vom Stein-Erlebnispfad betrachtet wirken die Muldenkipper und Laster wie Ameisen. Im Vergleich zu herkömmlichen Baumaschinen sind sie Dinosaurier. Jeder Caterpillar-Truck wiegt 50 Tonnen und kann 60 Tonnen aufladen. Ziel jeder Ladung ist ist die Brecheranlage im Nordosten des Tagebaus.
Wollte man ein Symbol für den Rohstoffhunger wählen, wäre es dieser Koloss aus Brechern, Siebtürmen und Förderbändern. Alle paar Minuten verschlingt die Brecheranlage die 60 Tonnen, die einer der Schwerlaster in ihren Schütttrichter kippt. Dann fängt sie an zu rattern und rumpeln: Der Vorbrecher bricht, unbeeindruckt von der Härte des Gesteins, die größeren Brocken entzwei, ehe Schwingsiebe und Nachbrecher dafür sorgen, dass vom Ausgangsmaterial nichts übrig bleibt, was im Durchmesser größer als ein paar Zentimeter wäre.

"In fünf Minuten ist das durch", sagt Sebastian Bär, dann hat die selbstständig laufende Primäraufbereitungsanlage jede Kipperladung "verdaut". Weil sie eingehaust ist, sind vom Prozess allenfalls ein paar Staubwölkchen zu sehen. Und Schüttguthalden, die sich haushoch unter den Förderbändern türmen.
Die Masse des vorbehandelten Materials wandert weiter über ein hunderte Meter langes Förderband zum "Werk", zur Sortieranlage. Hier wird der Basalt klassiert, also nach Korngrößen gesiebt. Bei Bedarf durchläuft der Rohstoff eine dritte und vierte Brechstufe. Eine Prallmühle kubiziert die Körnung, bringt sie also in gedrungene Form, die eine hohe Packungsdichte im Asphalt oder Beton garantiert. Dann ist die Aufbereitung fertig.


Mehrere 10 000 Tonnen Basalt lagern im Umfeld der Sortieranlage: sorgsam getrennt in Halden unterschiedlicher Partikelgröße, vom Sandkorn bis zu 200-Millimeter-Brecherschrotten. Nebenan befinden sich das Büro und die Zufahrt für die Laster der Bau- und Fuhrunternehmen, die ihre Ladungen fast ausschließlich für eine der Baustellen in der Region abholen. Verschwindend klein erscheint jede Fahrzeugladung im Vergleich zu den Massen, die noch auf Abbau warten. Doch so wie steter Tropfen den Stein höhlt, höhlt steter Abbau den Berg. Eines Tages werden die 48 Millionen Tonnen gefördert sein. Und dann?
"Weit und breit gibt es hier sonst kein Festgestein."
Sebastian Bär über die Besonderheit des Basalts vom Zeilberg
Dann ist Renaturierung des Geländes angesagt, das ob seiner Felswände und Abraumhalden schon heute Heimat seltener Tier- und Pflanzenarten ist, seien es Uhu oder Bergeidechse, Schillerfalter oder Habichtskraut. Und wenn in 50 Jahren der Bedarf an Festgestein nicht kleiner worden ist? "Dann sehen wir weiter", meint Sebastian Bär. Es gehe nicht nur um Genehmigungen und Nachfrage, sondern auch um die Wirtschaftlichkeit der Förderung. Wie viel "schwarzes Gold" über die erlaubte Abbaumenge hinaus im Berg ruht, ist ohnehin noch unerforscht.

Hingegen wissen Geologen genau, woher der Basalt stammt. Der Zeilberg ist ein Vulkan. Er gehört zur Heldburger Gangschar, einem Vulkansystem, das sich von Nordbayern bis Südthüringen zieht und dem als heute noch sichtbares Zeugnis zum Beispiel auch der Große Gleichberg im Grabfeld angehört. Als im Tertiär die Kontinente Afrika und Europa kollidierten und die Alpen emporstiegen, geriet auch die Erdkuste weiter im Norden unter Stress. Entlang von Rissen bahnte sich aus dem Erdmantel Lava den Weg nach oben und erstarrte nahe oder an der Oberfläche zu Basalt.

Das geschah laut Geowissenschaft am Zeilberg vor 16 Millionen Jahren. Die Basaltsäulen, die sich damals bildeten, wurden später überprägt und sind deshalb nicht so malerisch wie anderswo.

Was den Zeilberg für die BAG nicht minder wertvoll macht: "Weit und breit gibt es hier sonst kein Festgestein, sondern nur relativ weiches Sediment", freut sich Sebastian Bär über die Ausnahmesituation inmitten der von Sand-, Ton- und Kalksteinen geprägten Keuper- und Juralandschaft. So dient der Zeilberg in erster Linie einem etwas größter gefassten Umland als Rohstoffquelle: Wenn Bauunternehmen ihn gekauft haben, gelangt der Splitt oder Schotter selten weiter als auf Baustellen im nordbayerischen und südthüringischen Raum.
Allerdings: Für einen Verwendungszweck darf ein Teil des Zeilberger Basaltes wie einst als Lava dahinschmelzen. Für die Produktion von Steinwolle, die als hitze- und fäulnisresistenter Dämmstoff für Gebäude begehrt ist.
