Im Fotostudio-Hörsaal der Technischen Hochschule in Würzburg drängelten sich in dieser Woche die Gäste auf zwei Etagen. Viele kamen nicht einmal mehr auf einen Stehplatz und schauten sich deshalb gleich - auch sichtlich zufrieden - die Fotografien auf den Fluren am Sanderheinrichsleitenweg an. Wo derlei geschieht, muss im akademischen Betrieb etwas ganz Besonderes vorfallen: Eröffnung der Ausstellung "Ein gutes Haus hat eine Idee". Die Professorinnen und Dozenten der Fakultät Gestaltung richteten sie aus - zum ersten Todestag ihres Kollegen Dieter Leistner.

Zu Ehren des verstorbenen Kollegen
Den im Herbst 2022 im Alter von knapp 70 Jahren verstorbenen Fotografie-Professor hätte der Andrang gefreut. Nicht als eine Ehren-, sondern als eine Interessenbekundung - und wohl am meisten als geselliger Anlass. Den bot die Vernissage, die Eröffnung wurde zum Treffen vieler unterfränkischer Kreativer und früherer Studierender mit und ohne Kinder.

Der Weg zum Hubland, zur Ausstellung der Fakultät Gestaltung, lohnt sich. Sechs Bildserien Dieter Leistners und eine Reihe von Arbeiten seiner Schülerinnen und Schüler sind zu, insgesamt eine große Werkschau. Der gebürtige Niedersachse Leistner, der im Ruhrgebiet und in Köln studiert hatte, nannte sich Architekturfotograf. Die Beispiele seines Schaffens aus sechs Jahrzehnten zeigen, wie weit dieser Begriff über die Dokumentation von Bauwerken hinausgeht. Nämlich ins Herz des öffentlichen Raums und damit hin zu den Menschen.
Auch in der Architekturfotografie ging es Dieter Leistner um den Menschen
Zugleich haben gute Häuser aber eine Idee, wie Dieter Leistner feststellte und wie es nun der Ausstellungstitel zitiert. Der Sinn eines Hauses ist – zumindest für den Fotografen – wichtiger als dessen Statik. Und es geht dabei auch um den Menschen, selbst wenn - wie oft bei Leistner - keine Figuren durchs Bild laufen.


Aufschlussreiche Begegnungen gibt es in der Abteilung "Alumni" im Flur zum Fotostudio: Exponate von Schülerinnen und Schülern Leistners mit kurzen Kommentaren, welche Lehre sie ihrem Professor am meisten verdanken. Rainer Wengel zum Beispiel bezieht sich mit seiner Schwarz-Weiß-Ansicht eines schwedischen Kiosks auf Dieter Leistners Ästhetik der 1970er Jahre und notiert: "Klassisch, zentral mit einem Augenzwinkern".


Vom Fotografierenden verlangt: Aufmerksamkeit, Geduld und Fleiß
Zum Stichwort "klassisch, zentral" fallen einem sofort Leistners reich vertretene Innenansichten historischer Hallenbäder ein, deren Augenzwinkern in den Uhrenzifferblättern liegt. Die hängen auf den meisten Fotografien dieser Serie "Badetempel" genau in der Bildmitte. Auf einem der wenigen uhrenlosen Beiträge ist das entsprechende rundliche Element aus der Mittelachse leicht nach links verschoben und – ein dicker Teddybär.

Dabei kam es dem Fotografen Leistner nie auf Gags an. Für die 28-teilige Farbserie mit Wartenden könnte er zwar die Leute an ihren Bushaltestellen arrangiert haben - manche Choreografie wirkt wunderlich genug. Wahrscheinlicher aber waren es wieder Aufmerksamkeit, Geduld und Fleiß des Fotografen, in deren Gefolge sich dann verdientermaßen auch Glück einstellte. Studien des öffentlichen Raums sind auch die meisten Ansichten aus Nordkorea, die überdies bei der Isolation dieses Staats erhebliche historische Relevanz haben.
Damit es am Ende ganz einfach aussieht . . .
Noch vielfältiger sind die Alumni-Arbeiten - und aufschlussreich nicht bloß wegen ihrer Kommentare über den Professor. Bei aller Unterschiedlichkeit kann man sich nach einer Weile vorstellen, was alle miteinander verbindet: beobachten, Zeit mitbringen und das Wissen, dass es überhaupt nicht einfach ist, wenn etwas am Ende ganz einfach aussehen soll.
Die Ausstellung "Ein gutes Haus hat eine Idee – der Architekturfotograf Prof. Dieter Leistner" in der TH-WS am Würzburger Sanderheinrichsleitenweg 20 ist bis 11. November zu sehen: montags bis samstags von 10 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei.