Im Auftrag der Bayerischen Architektenkammer hat der Würzburger Benjamin Brückner baufällige Architektur fotografiert. Seine Serie dokumentiert den "morbiden Charme in der Provinz".
Nicht-Orte nennt Benjamin Brückner die Motive. Baufällige Wohnhäuser, verlassene Geschäfte, Gastwirtschaften, die vor etlichen Jahren geschlossen wurden und die "normalerweise nicht als bildwürdig gelten". Für eine künstlerische Bilderserie hat der Würzburger Fotograf solche Gebäude in Unterfranken aufgenommen und dokumentiert, weil es sie vielleicht bald nicht mehr gibt. Weil die Häuser weiter verfallen, abgerissen – oder anders genutzt werden.


Die Fotografien sind im Auftrag der Bayerischen Architektenkammer entstanden, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert. Sie zeigen den „morbiden Charme“ leerstehender Gebäude im ländlichen Raum - und den Wert dieser Häuser für die Identität eines Ortes. Zugleich werfen die Bilder Fragen nach dem zukünftigen Umgang mit den Gebäuden, nach Entwicklungsmöglichkeiten auf. Von Abriss über Erhalt und Wiederbelebung bis zum Weiterbauen – die Architektenkammer in Unterfranken stellt die Frage selbst provokant kurz: Ist das Baukultur oder kann das weg?

Keine Menschen und gleichmäßiger Himmel
Brückners Aufnahmen sind im Zeitraum von März 2020 und April 2021 entstanden. Dafür ist der Würzburger Fotograf durch die weite Region gefahren auf der Suche nach Gebäuden, die augenscheinlich unbewohnt sind. Er fand kleine Läden, in denen die Sonne ihr Werk an Werbeschildern für Rasierklingen verrichtet hat und Zeitschriften ausliegen, mit Bundestrainer Berti Vogts auf der Titelseite. "Eigentlich kaum vorstellbar, dass man sowas eine Viertelstunde Fahrt entfernt von Würzburg findet", sagt der 37-jährige Fotograf.
"Ich will nicht zeigen, was Unterfranken für ein gottverlassenes Stück Erde ist."
Benjamin Brückner, Fotograf


Der Auftraggeber der künstlerischen Dokumentation des Leerstandes, der "Treffpunkt Architektur Unterfranken", ist 2003 in Würzburg als erste regionale Außenstelle der Bayerischen Architektenkammer an den Start gegangen. Als Pilotprojekt begonnen, dient der Treffpunkt seither als Plattform für Veranstaltungen der Bayerischen Architektenkammer sowie der unterfränkischen Architekten- und Ingenieurverbände. Das 50-jährige Kammerjubiläum nehmen die Architekten jetzt zum Anlass, Themen wie Flächensparen, Gestaltung von Ortsmitten und den Umgang mit Gebäudebestand noch stärker in den Mittelpunkt zu rücken.

Benjamin Brückner geht es in seiner Arbeit explizit nicht darum, die Orte bloßzustellen: "Ich will nicht zeigen, was Unterfranken für ein gottverlassenes Stück Erde ist", sagt der Fotograf. Es gehe ihm allein um die Gebäude selbst. Das spiegelt sich in der Bildsprache der Serie wider: keine Menschen, emotionsloses Wetter, keine Schatten. Es seien Zeitdokumente, weil zu Architektur eben nicht nur die feierliche Eröffnung eines Neubaus gehöre, sagt der Fotograf. Sondern auch der stückweise Zerfall.

Benjamin BrücknerDer gebürtige Würzburger, Jahrgang 1983, studierte Anglistik und Geschichte an der Julius-Maximilians-Universität und ist seit 2011 freier Portrait- und Architekturfotograf. Einem größeren Publikum wurde der u.a. bekannt durch sein fotografisches Experiment „500 faces“ auf dem Würzburger Umsonst & Draussen-Festival 2014. Seit 2015 ist Brückner Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler (BBK), wo er 2019 mit seiner Fotoserie „Energiewende“ debütierte. Ebenfalls seit 2015 hat er regelmäßig Lehraufträge am Institut für Kunstgeschichte der Uni Würzburg. keck
