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Main-Tauber-Kreis: Rehretter mit Hightech

Main-Tauber-Kreis

Rehretter mit Hightech

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    Tierrettung mit Hightech.  Achim Hoffmann hat mittels Drohne ein kleines Rehkitz gefunden.
    Tierrettung mit Hightech.  Achim Hoffmann hat mittels Drohne ein kleines Rehkitz gefunden. Foto: Fabian Gebert

    Unterwegs mit Jägern im Main-Tauber-Kreis. Ihre Mission: Mit Drohne und  Wärmebildkamera Kitze und andere Wildtiere vor dem Mähtod bewahren.

    Früh am Morgen vor Sonnenaufgang auf einer Wiese bei Dörtel im Main-Tauber-Kreis. Die Drohne, die gleich zum Einsatz kommt, ist mit einer Wärmebildkamera ausgestattet. „Es ist notwendig so früh anzufangen, weil da die Bodentemperatur noch niedrig ist und sich die Körpertemperatur der Tiere deutlich zur Umgebung abgrenzen muss“, sagt Philip Frank. Frühmorgens um halb Fünf – „da sieht man die Rehe deutlich durch die Wärmebildkamera“.

    Die Drohne steigt 40 Meter hoch in die Luft. Und fliegt über GPS-Koordinaten automatisch die Fläche ab, die der Jäger am Vorabend programmiert hat. Die Steuerung hält er immer in den Händen, er muss bei unerwarteten Gefahren eingreifen können. Alle 1,5 Sekunden zeichnet die Wärmebildkamera ein Foto auf und speichert es auf einem USB-Stick.

    Frank startet die Drohne.
    Frank startet die Drohne. Foto: Fabian Gebert
    Alle schauen gespannt auf die Liveübertragung.
    Alle schauen gespannt auf die Liveübertragung. Foto: Fabian Gebert

    Diese Luftbilder vom Feld will Franks Schwester Katharina gleich am Notebook auswerten. Nach rund neun Minuten in der Luft muss der Akku gewechselt werden, das reicht gerade zum Abfliegen von drei Hektar. Was die Kamera sieht, bekommt Katharina Frank auf einem Display auch live angezeigt: Da, zwei helle Punkte! Für die Franks ist klar: Da sind zwei kleine Rehe, die nur wenige Meter auseinanderliegen. Die Auswertung der GPS-Daten am Notebook führt die fünf Leute, die da frühmorgens unterwegs sind, direkt zu den Kitzen.

    Es ist Tierkinder-Zeit. Und für viele Wildtiere die gefährlichste Zeit des Jahres, das hohe Gras kann beim Mähen schnell zur tödlichen Falle werden. Gerade Rehe bringen ihre Kitze gerne in waldnahen Wiesen zur Welt. Und während der ersten zwei bis drei Lebenswochen pressen sich die kleinen Tiere bei Gefahr instinktiv flach auf den Boden. Wegen ihres Duckinstinkts kommen bundesweit jährlich nach Schätzungen der Deutschen Wildtierstiftung rund 100.000 Jungtiere unter den scharfen Klingen der Mähwerke zu Tode.

    Aileen Brunner hat ein Rehkitz in der Hand.
    Aileen Brunner hat ein Rehkitz in der Hand. Foto: Fabian Gebert
    Achim Hoffmann mit einem kleinen Feldhasen in der Hand.
    Achim Hoffmann mit einem kleinen Feldhasen in der Hand. Foto: Fabian Gebert

    Die Landwirte sind laut Tierschutzgesetz angewiesen, die Wiesen vor dem Mähen abzusuchen. Was, wenn Landwirte ihrer Pflicht nicht nachkommen und Wildtiere anmähen? Bei Verstößen drohen hohe Strafen. „Die Mutter steht nach dem Mähen oft auf der Wiese, um ihre Kleinen zu suchen“, sagt Jäger Walter Frank. „Wenn sie es nicht geschafft haben, dem Mähwerk zu entkommen - das ist kein schöner Anblick.“

    51-Jährige aus Hollenbach im Hohenloher Land hat mit seiner Familie das Jagdrevier in Rot im Main-Tauber-Kreis gepachtet. Und die Jäger lassen ihre Wärmbilddrohne auch in Nachbarrevieren fliegen. Ihr Ziel: möglichst viele Jungtiere vor Mähmaschinen retten. Für Tiere setzen sich die Franks schon immer ein – gleich ob ein Vogel aus dem Nest gefallen ist, ein Frischling sein Elterntier durch einen Verkehrsunfall verloren hat oder zwei blinde Kitze von der Gaiß verstoßen wurden. Tiere, die Hilfe brauchen, bekommen Obhut und werden großgezogen.

    Katharina und Walter Frank bereiten den ersten Flug des Tages vor.
    Katharina und Walter Frank bereiten den ersten Flug des Tages vor. Foto: Fabian Gebert
    Katharina und Walter Frank beim Suchen der kleinen Tiere mittels GPS-Gerät
    Katharina und Walter Frank beim Suchen der kleinen Tiere mittels GPS-Gerät Foto: Fabian Gebert

    Katharina und Philip Frank sind früher schon im Frühsommer die Wiesen abgelaufen. „Aber die Chancen, so ein Kitz zu finden, ist relativ gering“, sagt der 24-jährige Drohnenpilot. Auch herkömmliche Methoden wie optische und akustische Vergrämungsmittel und Scheuchen hätten nichts gebracht. „Stundenlang war man unterwegs, um dann nach der Mahd sehen zu müssen, dass die Rieke ihre Jungen auf der gemähten Wiese sucht. Aber vergeblich“, sagt die 25-jährige Katharina Frank. „Dieser Zustand war für uns unerträglich.“

    Irgendwann sind die Jäger auf die Möglichkeit aufmerksam geworden, Wiesen mit einer Wärmebilddrohne zu überfliegen. Zwei Jahre lang beauftragten sie jemanden, der die Wiesen überflog und konnten so Dutzende 20 Kitze aus den Wiesen retten. Um flexibler zu sein, schafften sich die Franks für 10.000 Euro selbst ein Fluggerät samt Ausstattung an. Von Anfang April bis Mitte Juni, wenn die Kitze auf die Welt kommen, ist die Jägerfamilie oft an mehreren Tagen in der Woche von 4.30 bis 9 Uhr morgens unterwegs. Dann suchen sie die Felder für Landwirte ab, ehrenamtlich: „Wir verlangen für das Abfliegen kein Geld“, sagt Philip Frank. „Doch wir können nur tätig werden, wenn uns die Landwirte auch einbinden und spätestens einen Tag bevor sie mähen wollen, informieren.“

    Ihr größter Wunsch sei es, "dass lückenlos und flächendeckend mit der vorhandenen Technik kein Tier mehr unnötig dem Mähtod zum Opfer fällt". Im vergangenen Jahr haben die fünf Jäger 53 Rehkitze, viele Hasen, Rebhühner und Gelege mit der Drohne gerettet.  Die Eier der Enten brüteten sie aus und ließen die Tiere dann frei. Mit einer Trefferquote von 99 Prozent sei die Technik schlichtweg weit effektiver als das bloße Ablaufen der Wiese oder das Aufstellen von Wildscheuchen in der Nacht vor dem Mähen, sagt Walter Frank.

    Ein nur wenige Tage altes Rehkitz.
    Ein nur wenige Tage altes Rehkitz. Foto: Fabian Gebert
     Ein kleines gerettetes Rehkitz.
     Ein kleines gerettetes Rehkitz. Foto: Fabian Gebert

    An diesem Morgen zeigt die Wärmebildkamera zehn kleine Punkte: ein junger Feldhase und neun Kitze, teils erst zwei, drei Tage alt. Katharina Frank zieht sich große lange Handschuhe über und pflückt erst mal Gras: „Das ist wichtig. Wenn das Fell den Geruch von Menschen annimmt, würde die Mutter, die Ricke, die kleinen Tiere abstoßen.“ Dann wären die Kleinen zwar vor dem Mähtod gerettet – aber würden verhungern.

    Die wenige Tage alten Tiere legt die Jägerin vorsichtig in einen Karton und bringt sie darin an den Waldrand. Sind alle entdeckten Tierkinder in Sicherheit, kann der Landwirt mit dem Mähen beginnen. Sobald er fertig ist, werden die Tiere wieder ausgesetzt.

    Wie die Ricke ihre Kitze wiederfindet, wenn die nicht an genau dieselbe Stelle zurückgebracht werden? „Nach kurzer Zeit sucht die Mutter nach ihren Kindern, indem sie nach den Kitzen fiept und schreit“, erklären die Franks. Die Jungtiere wiederum antworten auf das Fiepen – und überleben. Die größte Belohnung fürs frühe Aufstehen und den Hightech-Einsatz im Feld: Wenn nach der Mahd eine Ricke mit ihren Kitzen zusammen spielt.

    Aileen Brunner und Achim Hoffmann beim Tragen des Kartons mit den kleinen Tieren
    Aileen Brunner und Achim Hoffmann beim Tragen des Kartons mit den kleinen Tieren Foto: Fabian Gebert
     Aileen Brunner setzt ein Rehkitz im Wald aus.
     Aileen Brunner setzt ein Rehkitz im Wald aus. Foto: Fabian Gebert
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