Weihnachtskugeln aus Franken für die ganze Welt. Die Inge-Glas Manufaktur in Neustadt bei Coburg stellt jedes Jahr rund drei Millionen Weihnachtskugeln und anderen Christbaumschmuck her – ganz wie früher.
Enorme Stückzahlen und Handarbeit, Export in die USA oder nach China und das Wahren alter Tradition – in der Inge-Glas Manufaktur geht das tatsächlich zusammen. Dass man in Nordamerika und Asien heute die aufwendig nach alter Handwerkskunst gefertigten Weihnachtskugel bekommt – es liegt an den Fertigkeiten der Glasbläser aus Neustadt bei Coburg, die inzwischen selten geworden sind. Wer stellt sonst heute noch in solcher Dimension Weihnachtsschmuck von Hand her? Und das europäische Ausland, Asien und die USA sind tatsächlich zu einem wichtigen Exportmarkt geworden, sagt Junior- Chefin Marie Müller-Blech. Ihre Eltern führen die Manufaktur, die heute 125 Mitarbeiter in Deutschland und rund 2500 Kunden in 28 Ländern hat, seit den 1980er Jahren. In 15. Generation schon – denn die Familie Müller-Blech ist seit Jahrhunderten mit dem Glashandwerk verbunden.


Seit 1952 hat das Familienunternehmen seinen Sitz im fränkischen Neustadt, doch die Wurzeln reichen ins benachbarte Thüringen – und ins Jahr 1596. Da gründeten Christoph Müller und Hans Greiner eine Glashüttensiedlung in Lauscha und stellten dort Flaschen, Schalen und Augen aus Glas her. Wohl weil es an echten Äpfeln und Nüssen für den Weihnachtsbaum mangelte, erfanden die Lauschaer Glasbläser den Vorläufer der Weihnachtskugeln: Früchte aus Glas. Dass in der Manufaktur acht Glasbläser drei Millionen Weihnachtskugeln und andere Formen jedes Jahr herstellen? Es mag schier unvorstellbar klingen. Rund 70 Mitarbeiter sind bei Inge-Glas insgesamt für die Herstellung von Weihnachtsschmuck im Einsatz. Rund 35 Tonnen Glas verarbeitet das Unternehmen jedes Jahr dafür - und drei Tonnen Farbe. Von Frühjahr bis zum Spätsommer läuft die Fertigung der weihnachtlichen Deko-Artikel auf Hochtouren, im Herbst ist die Ware bereit für den Versand in alle Welt.


Ein sanfter Stoß Luft
Jede Kugel, jede Form beginnt mit einem rund 25 Zentimeter langen Glaskolben. Glasbläser Udo Gering und seine Kollegen heizen den Kolben mit einem Brenner, aus dem ein Gasgemisch austritt, 15 bis 30 Sekunden gleichmäßig am einen Ende auf rund 740 Grad Celsius auf. Dann blasen sie mit dem Mund durch das andere Ende mit einem sanften wie gekonnten Stoß Luft – und der Kolben bläht sich auf. Ein Arbeitsschritt, der enorm viel Übung bedarf. Auch das gleichmäßige Formen der Kugeln und Sitzen – freigehalten vor der Flamme – ist eine Kunst. Durch das Versilbern wird der gläserne Christbaumschmuck dann im Innern verspiegelt. Die Farben sollen dadurch besser decken und strahlen. Layla Yaylagül und ihre Kollegen füllen dafür 50 Grad heißes Silbernitrat in die Glaskugeln ein und verteilen es durch Drehbewegungen eine Minute lang in der Form. Abgekühlt mit Wasser, schlägt sich das Edelmetall dann an der Innenseite nieder.


Wenn das Silber getrocknet ist, taucht Mitarbeiterin Cora Gladitz die Kugeln in Lack. Nach einem Tag Trocknungspause sind die Weihnachtskugeln dann bereit für die Verzierung. Dafür werden die Kugeln von Hand mit Leim, der durch eine feine Drüse gedrückt wird, verziert und mit Pinsel und Kelle bearbeitet. Mit einem Löffel kommt Glitzerpulver auf die Kugeln. Bis zu 60 Arbeitsschritte sind beim Verzieren notwendig, erklärt Marie Müller-Blech. Weil die Mitarbeiter an verschiedenen Dekoartikel gleichzeitig arbeiten, dauert es rund zwei Wochen vom Glaskolben bis zum fertigen Stück für den Weihnachtsbaum. Das Handwerk und die Arbeitsweise – seit dem Ursprung der Weihnachtskugelherstellung sind sie gleich geblieben, sagt die Junior-Chefin der Manufaktur. Und was heute der beliebteste Artikel ist aus Neustadt? Es ist nicht die klassische Weihnachtskugel, sagt Marie Müller-Blech. Der meistgefragte Artikel von Inge-Glas ist tatsächlich die Weihnachtsgurke – zumindest bei den Kunden aus Deutschland, Österreich und den USA. Und europaweit: die Weißwurst aus Glas.

