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Schweinfurt: Wo der Sonnenhut bis zum Horizont reicht

Schweinfurt

Wo der Sonnenhut bis zum Horizont reicht

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    Kräuteranbau in Schwebheim hat eine lange Tradition. Kräuterbauer Frank Böhm inmitten seines Echinaceafelds. Kräuter gehören für ihn seit frühester Kindheit zu seinem Leben.
    Kräuteranbau in Schwebheim hat eine lange Tradition. Kräuterbauer Frank Böhm inmitten seines Echinaceafelds. Kräuter gehören für ihn seit frühester Kindheit zu seinem Leben. Foto: Martina Müller

    Der Geruch ist betörend. Frisch, ein bisschen würzig, mit einer herben Note. Könnte ein interessantes Parfüm sein. Ist es aber nicht. In der Scheune von Frank Böhm riecht es so wahnsinnig gut, weil hier frisch geerntete Petersilie verarbeitet wird. Nur gut, dass noch niemand ein Petersilien-Parfüm kreiert hat: Der Duft macht ziemlich hungrig. 

    Frank Böhm ist in dritter Generation Kräuteranbauer in Schwebheim im Landkreis Schweinfurt. Fünf Betriebe gibt es hier noch, die Heilpflanzen anbauen. Von den 65 Pflanzen, die zum Schwebheimer "Kräuterpool" gehören, sind zwischen 30 und 35 im Anbau. Kräuter sind wie so vieles auch Moden und Trends unterworfen: Zur Zeit sei Sonnenhut sehr beliebt, sagt Frank Böhm, der in seinem großen Betrieb aktuell 16 verschiedene Kulturen anbaut. Sonnenhut-Präparate sollen das Immunsystem stärken - gefragt in Corona-Zeiten.   

    Was heute ein Nischenprodukt ist, war früher ein Weg zum Überleben. Anfang des 19. Jahrhunderts kamen die Schwebheimer Bauern auf die Idee, Kräuter und Gewürzpflanzen nicht mehr nur in der Natur zu sammeln. Sondern sie anzubauen, zu verkaufen - oder gleich selbst Produkte daraus herzustellen. 

    Ein Feld voller Sonnenhüte. Was hier hübsch anzusehen ist, wird zu Tee oder Presssaft verarbeitet.
    Ein Feld voller Sonnenhüte. Was hier hübsch anzusehen ist, wird zu Tee oder Presssaft verarbeitet. Foto: Martina Müller
    Spitzwegerich wird mit dem Häcksler geerntet und direkt auf den Traktoranhänger geladen. Schwalben umkreisen die Fahrzeuge, da sie auf auffliegende kleine Insekten hoffen.
    Spitzwegerich wird mit dem Häcksler geerntet und direkt auf den Traktoranhänger geladen. Schwalben umkreisen die Fahrzeuge, da sie auf auffliegende kleine Insekten hoffen. Foto: Martina Müller

    Vorteil Schwebheim: Gute Böden und der Faktor Erbteilung

    Die Böden in Schwebheim seien optimal, sagt Böhm. Und noch etwas begünstigte den Schwebheimer Kräuteranbau: die Fränkische Erbteilung, dadurch entstanden viele kleine Äcker. Damit dann ein Auskommen zu finden, war für die Erben des Grundbesitzes nicht einfach. Aber die kleinen Felder waren ideal für Pfefferminze, Melisse,  Eibisch, Baldrian, Angelika, Estragon, Frauenmantel, Spitzwegerich, Artischocke, Brennnessel, Wurzelpetersilie . . . Daraus wurde Tee, Saft, Gewürz und Pastille. Schwebheim erwarb sich einen Ruf, die Gemeinde nennt sich stolz das  "Apothekergärtlein Frankens". 

    Kräuteranbau in Schwebheim hat eine lange Tradition. Hier Petersilie.
    Kräuteranbau in Schwebheim hat eine lange Tradition. Hier Petersilie. Foto: Martina Müller
    Unkraut zwischen den Kräutern, hier ein Feld mit Melisse, wird von Hand entfernt. Die Saisonarbeiterinnen arbeiten sehr geschickt und schnell.
    Unkraut zwischen den Kräutern, hier ein Feld mit Melisse, wird von Hand entfernt. Die Saisonarbeiterinnen arbeiten sehr geschickt und schnell. Foto: Martina Müller

    "Nirgendwo in der Gegend gibt es soviel Kräuter", sagt Frank Böhm. Ein Grund, warum sich ein Rundgang durch die Schwebheimer Flur lohnt. Wer dazu noch ein bisschen was erfahren und wissen will: Am Kräuterpavillon in der Schulstraße, etwas außerhalb des Ortes, beginnt ein 2,7 Kilometer langen Kräuterlehrpfad

    Der Kräuteranbau ist etwas Besonderes. Nicht nur wegen der vielen Handarbeit, die nötig ist. Hacken, Unkraut rupfen, ernten - da muss jemand anpacken. Nicht für jeden Schritt gebe es Maschinen, sagt Böhm. Die ganze Familie arbeite mit: "Die Mama fährt Bulldog, der Vater kümmert sich um die Trocknung, ich kümmere mich um hacken, düngen, bewässern, säen." Saisonkräfte arbeiten mit. "Viele schon seit Jahren." 

    Beinwell - auch Comfrey genannt.
    Beinwell - auch Comfrey genannt. Foto: Martina Müller

    Das Bewässern macht viel Arbeit

    Und manche Erntemaschinen wurde sozusagen direkt in Schwebheim entworfen - wie der "Huckepack", mit dem Böhm gerade Petersilie erntet. Die Maschine transportiert die Kräuter nach dem Schneiden gleich nach hinten auf die Ladefläche. In Italien gibt es solche Maschinen mittlerweile auch zu kaufen - mit klimatisierter Kabine. 

    70 Meter Spannbreite hat das Beregnungsstativ des Fliegers, der auf einem der Petersilienfelder auf seinen Einsatz wartet. "Bewässern macht schon enorm viel Arbeit", sagt der Kräuteranbauer. Nachts wird gegossen. Erstens, weil das besser für die Pflanzen sei. Zweitens, weil so die Anwohner nicht gestört würden. Ein Knochenjob: "Tagsüber arbeiten, nachts gießen, da stehts Du schon unter Strom." Deswegen freut sich Frank Böhm jetzt auch ein bisschen auf den Winter: "Da ist Ruhe". 

    Die Kräuterfelder rund um Schwebheim kann man schon von Weitem am Duft erkennen: Hier die Pfefferminze
    Die Kräuterfelder rund um Schwebheim kann man schon von Weitem am Duft erkennen: Hier die Pfefferminze Foto: Martina Müller

    Für die Petersilie war es zu nass

    Der diesjährige Sommer? Mit seiner Petersilie ist Böhm heuer nicht so zufrieden. "Das war zu nass." Kurz nachdem er die Brennnesseln gepflanzt hatte, kam der Frost. "Nach drei Tagen waren sie weg", sagt der Schwebheimer. "Aber das ist halt die Natur." Und mit ihr das Wetter.

    "Jede Pflanze braucht ihren eigenen Boden, ihren eigenen Menschen zum Ernten", sagt Frank Böhm. Kräuter sind sein Leben. "Da wirst Du reingeboren", sagt er über seine Arbeit. Was ihm auch gefällt: etwas anbauen, das anderen Menschen  Gutes tut. Was genau in den Blüten, Kapseln und Wurzeln steckt, was die Heilkraft ist und wofür welches Kraut gewachsen ist, erzählt er gerne bei Führungen.  

    Wer ein paar Stunden mit Frank Böhm unterwegs ist, weiß nicht nur ziemlich viel über alte Hausmittel und die Wirkungen von Pflanzen. Er weiß dann auch, wie viel Arbeit nötig ist, bis zum Beispiel ein Tee verkaufsbereit im Regal liegt: sehr, sehr viel. Frisch gebrüht, trinkt man ihn gleich mit einem ganz anderen Gefühl.     

    Ein Feld voller Eibisch.
    Ein Feld voller Eibisch. Foto: Martina Müller
     Mit dem Förderband werden die Kräuter aus dem Trockenofen transportiert.
     Mit dem Förderband werden die Kräuter aus dem Trockenofen transportiert. Foto: Martina Müller
    Etikett auf die Tüte: jetzt kann der Kräutertee ins Verkaufsregal
    Etikett auf die Tüte: jetzt kann der Kräutertee ins Verkaufsregal Foto: Martina Müller
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