Der Blick leer, die Augen voller Tränen, verschwitzt und abgekämpft. So saß Jusuf Kurtanovic Ende Mai vergangenen Jahres auf dem Rasen in Schonungen und wollte das alles nicht glauben. Mit 6:7 im Elfmeterschießen hatte sein FC Zeil gegen den TSV Aidhausen gerade dieses entscheidende Relegationsspiel verloren. Der Traum vom Aufstieg in die Kreisliga war dahin, seine Mission zum Abschied gescheitert.

Wenig später wurde bekannt, dass der 33-jährige Deutsch-Serbe eine neue Herausforderung annehmen würde. Seit vergangenem Sommer ist Kurtanovic für den TSV Breitengüßbach in der oberfränkischen Bezirksliga West am Ball, kämpft als Spieler mit dem Tabellen-Zwölften ums sportliche Überleben. Doch egal, wie dieser Kampf ausgehen wird, ab diesem Sommer wird der Sechser erneut eine neue Aufgabe haben. In der Heimat, mehr oder weniger.
Kurtanovic wird Spielertrainer beim Kreisligisten SV Rapid Ebelsbach und folgt somit auf Clemens Haub, der den Rapid nach dann zwei Spielzeiten verlassen wird. Wieso er sich für diesen Schritt entschieden hat, was er mit Ebelsbach vorhat, welche Rolle sein künftiger Co-Trainer Luka Hornung dabei spielte und welche Reaktionen von seinem Ex-Verein aus Zeil kamen, darüber spricht er im Interview.
Frage: Ende Mai haben Sie mit dem FC Zeil in der Relegation gegen Aidhausen den Aufstieg in die Kreisliga knapp verpasst. Es war ihre vorerst letzte Partie im Spielkreis Schweinfurt gewesen. Wie bitter haben Sie diesen Abschied noch in Erinnerung, Herr Kurtanovic?
Jusuf Kurtanovic: Wahnsinnig bitter. Ich werde noch jetzt, ein halbes Jahr später, ab und an auf dieses Spiel angesprochen. Das ist einerseits schön, weil man merkt, dass wir da in Unterzahl doch ganz schön was geleistet haben. Andererseits hast du natürlich sofort wieder vor Augen, wie schmerzhaft das alles war.
Sie mussten das alles schnell verdauen. Ihre Realität hieß ab dem Sommer Spieler des TSV Breitengüßbach in der oberfränkischen Bezirksliga West statt Spielertrainer beim FC Zeil in der Kreisklasse. Wie kam es dazu?
Kurtanovic: Mein Leben ist von Zufällen geprägt. Der Wechsel nach Breitengüßbach war auch so einer. Ich hatte eigentlich ein Angebot eines anderen oberfränkischen Vereins als Spielertrainer, und da waren wir in den Gesprächen schon ziemlich weit. Dann kam der Anruf von Sebastian Derra, dem Trainer in Breitengüßbach. Da konnte ich nicht ablehnen. Das hat mir zwar wahnsinnig Leid für den anderen Verein getan, aber diese sportliche Herausforderung in der Bezirksliga musste ich nochmal annehmen. Als Sportler willst du wissen, was noch möglich ist.
Wie kam Sebastian Derra auf Sie?
Kurtanovic: Breitengüßbach hatte einen personellen Umbruch hinter sich und musste gewaltig umstrukturieren. Sebastians Bruder Johannes Derra war in Augsfeld Trainer gewesen, ich habe sogar noch gegen ihn gespielt. Dadurch weiß er, was im Landkreis Haßberge so los ist. So kam Sebastian dann auf mich.
Das letzte Mal in der Bezirksliga, da noch in der unterfränkischen, waren sie im Sander Trikot vor der Pandemie aktiv. Wie groß war die Umstellung?
Kurtanovic: Das war ein enormer Schritt. Das Niveau ist ein anderes als auf der Kreisebene und dazu kommt, dass du als Spielertrainer nicht immer voll auf dich selbst fokussiert bist. Du willst deinem Team ja etwas beibringen. Rein als Spieler waren das Tempo und das Niveau eine riesige Umstellung. Ich habe mir nicht leicht getan, aber die Jungs in Breitengüßbach haben mir die Umgewöhnung einfach gemacht.
Trotzdem ist für Sie im Sommer schon wieder Schluss. Sie werden beim SV Rapid Ebelsbach wieder in die Rolle des Spielertrainers schlüpfen.
Kurtanovic: Im Kopf hatte ich mich eigentlich schon dazu entschieden, in Breitengüßbach weiterzumachen. Aber mit Marcel Gläser (der ehemalige Abteilungsleiter und neue Vorstandsvorsitzende des SV Rapid Ebelsbach, Anm. d. Red.) kam Mitte November der nächste Zufall auf mich zu. Obwohl ich mit Luka Hornung befreundet bin, wusste ich nicht, dass Ebelsbach nach einem Nachfolger für Clemens Haub sucht. Entsprechend überrascht war ich von der Anfrage. Natürlich musste ich überlegen, habe dann aber zugesagt, weil es einfach so gut gepasst hat. Ich muss auch gestehen: Wäre es nicht um die Rolle des Spielertrainers in Ebelsbach gegangen, wäre ich in Breitengüßbach geblieben. Aber einerseits die private Verbindung und dazu die Voraussetzungen, die Ebelsbach mitbringt andererseits, machen es für einen Trainer sehr spannend.
Die da wären?
Kurtanovic: Auch wenn es natürlich komplett unterschiedliche Vereine sind, ist Ebelsbach dem FC Zeil gar nicht so unähnlich: Die Ebelsbacher Mannschaft besteht fast ausschließlich aus einheimischen Jungs, was eine gute Basis ist. Das Team hat eine enorme Qualität, Ebelsbach war ja nicht umsonst in der Bezirksliga und spielt seither immer wieder oben in der Kreisliga mit.
Stichwort Zeil: Ihr Ex-Verein steht mit sechs Punkten Vorsprung auf Rang eins der Kreisklasse 3. Gut möglich also, dass es für Sie in der neuen Runde gleich zu einem Wiedersehen auf dem Rasen kommt.
Kurtanovic: Ich drücke Simon Rambacher und den Jungs die Daumen, dass sie es endlich packen. Das hat sich der gesamte FC Zeil einfach verdient. Andy Wild (der Sportvorstand des FC Zeil, Anm. d. Red) hat mir schon einen Willkommens-Gruß geschickt und sich gefreut, dass ich wieder im Spielkreis bin. Natürlich stehen wir jetzt in Konkurrenz – außer Ebelsbach schafft den Sprung in die Bezirksliga, was ja immer noch möglich ist.
Auch in Konkurrenz um mögliche Neuzugänge. Mit Clemens Haub verliert der SV Rapid einen Neuner. Muss also im Angriff nachgebessert werden?
Kurtanovic: Das würde ich so nicht sagen. Natürlich ist Clemens vorne drin wichtig, aber die Torjägerliste führen Bryan Weiß, Patrik Lediger und Oliver Wacker an. Die Mannschaft ist, so wie sie ist, sehr gut aufgestellt. Aber natürlich gibt es immer Baustellen, natürlich hilft frisches Blut immer.
Sie sehen sich also trotz Ihrer Aufgabe in Breitengüßbach schon für Ihren neuen Verein um?
Kurtanovic: Breitengüßbach ist bis zum Sommer weiterhin die Nummer eins, auch wenn ich natürlich schon mit Ebelsbach mitten in den Planungen stecke. Ich stehe intensiv mit Marcel Gläser in Kontakt, führe Gespräche mit anderen Leuten aus dem Verein. Aber als Spieler kann ich mich in Breitengüßbach einfach voll aufs Spiel konzentrieren, alle Energie auf das Ziel Klassenerhalt richten. Und da hoffe ich, dass ich es endlich mal schaffe.
Mit dem FC Sand konnten Sie sich zweimal nicht in der Bezirksliga halten, mussten direkt wieder runter. Sollte es in Breitengüßbach auch nicht klappen, könnte es ja gut sein, dass Ihnen das erstmals in Ihrer Karriere in Ebelsbach gelingt.
Kurtanovic: Das ist alles Zukunftsmusik. Aber den Ansporn habe ich natürlich, gerade aufgrund meiner Vergangenheit. Den FC Zeil habe ich mehr oder weniger unvollendet verlassen. Deswegen hoffe ich umso mehr, dass sie es dieses Jahr packen. Und deswegen will ich natürlich erst recht in Ebelsbach erfolgreich sein.