Der deutsche Basketball-Profi Dirk Nowitzki ist in der nordamerikanischen Profiliga längst zur „lebenden Legende“ geworden. Der 39-jährige Würzburger absolviert gerade mit den Dallas Mavericks, mit denen er im Jahr 2011 die Meisterschaft gewann, seine nunmehr 20. Saison in der NBA. Das Besondere in dieser Spielzeit: Erstmals hat der 2,13 Meter große Blondschopf mit dem ebenfalls aus Würzburg stammenden Maxi Kleber (25) einen deutschen Teamkollegen an seiner Seite. Unser Mitarbeiter Dirk Sing hat Nowitzki am Rande des Gastspiels bei den Miami Heat getroffen.
Frage: Dirk, seit dieser Saison wird bei den Dallas Mavericks aufgrund der Tatsache, dass Maxi Kleber sein Rookie-Jahr absolviert, noch mehr Deutsch gesprochen. Ist das für Sie eine besondere Situation?
Dirk Nowitzki: (lacht) Ja, absolut. Ich kannte den Maxi vorher ja nicht wirklich. Wir haben zwar in den zurückliegenden Jahren oft miteinander getextet, aber uns eigentlich nie richtig getroffen. Auch in der Nationalmannschaft nicht. Wenn ich gespielt habe, war er nicht dabei und umgekehrt. Wir haben uns dann hier in Dallas zum ersten Mal richtig kennengelernt. Ich freue mich jedenfalls für Maxi riesig, dass er sich durchgebissen hat und ja auch schon oft in unserer Starting Five gestanden ist.
Wie würden Sie Kleber spielerisch charakterisieren?
Nowitzki: Maxi ist ein toller Allround-Spieler. Hinten ist er in der Lage, sehr gut zu verteidigen. In der Offensive verfügt er über einen starken Zug zum Korb sowie – gerade auch für seine Größe – hervorragenden Wurf von außen. Darüber hinaus ist er auch beim Rebound stark. Bislang hat Maxi jedenfalls schon einige sehr, sehr gute Partien für uns gemacht. Und darüber freuen wir uns alle.
Sehen Sie sich als eine Art Mentor für Ihren Landsmann?
Nowitzki: Klar, wenn der Fragen hat, dann helfe ich ihm natürlich sehr gerne! Aber grundsätzlich kommt er auch alleine recht gut zurecht. Es ist ja doch eine etwas andere Situation als damals bei mir, als ich mit 19, 20 Jahren in den USA gegangen bin. Maxi ist bereits 25 Jahre alt, hat zuvor schon im Ausland gespielt (in der Saison 2014/2015 beim spanischen Team Obradoiro CAB; Anm. d. Red.) und spricht ausgezeichnet Englisch. Von dem her hat er all die Probleme, die ich damals zu meiner Anfangszeit in der NBA hatte, definitiv nicht.
Sie haben Ihre eigene Rookie-Saison 1998/1999 bei den Dallas Mavericks bereits angesprochen. Fühlen Sie sich durch die derzeitige Situation von und mit Maxi Kleber oftmals automatisch an Ihren Start in der NBA erinnert?
Nowitzki: (lacht) Schon ein bisschen, ja. Wobei ich deutlich sagen muss, dass Maxi das deutlich besser macht als ich damals. Schon allein vom Basketballerischen her ist er um einiges weiter, als ich es seinerzeit war. Für mich kam auch noch erschwerend hinzu, dass meine Rookie-Saison 1998/1999 aufgrund des Streiks später begann und daher in den ersten rund zwei Wochen gleich rund 50 Partien auf dem Programm standen. Das war schon der pure Wahnsinn. Ich habe Maxi aber schon im Vorfeld gesagt, dass die erste Spielzeit grundsätzlich immer schwer wird. Es wird viele Höhen und Tiefen geben, durch die man sich durchkämpfen muss. Ab Dezember beziehungsweise Januar wird die Saison dann schon ziemlich lang, weil man den engen Terminkalender mit den ganzen Reisen einfach noch nicht gewohnt ist. Man muss schlichtweg extrem auf seinen Körper, seine Nahrung und seinen Schlaf achten, damit man entsprechend regenerieren kann. Bislang macht Maxi das aber sehr gut.
Eine Ihrer herausragenden Charakter-Eigenschaften, die nicht nur von Mit-, sondern auch Gegenspielern immer wieder gelobt und hervorgehoben wird, ist Ihre Bodenständigkeit, die Sie auch in Ihrem nun 20. NBA-Jahr beibehalten haben. Wie wichtig war und ist es Ihnen nach wie vor, keine Rolle zu spielen, sondern sich authentisch zu geben und nach diesem Grundwert zu leben?
Nowitzki: Nachdem ich von meiner Familie in Würzburg so erzogen wurde, kenne ich es überhaupt nicht anders. Als Familienvater möchte ich das natürlich auch an meine Kinder weitergeben. Mehr gibt es dazu eigentlich gar nicht zu sagen, weil das für mich eine Selbstverständlichkeit ist.
Können Sie dennoch nachvollziehen, dass der eine oder andere junge Spieler, der gerade in das Business NBA eintritt, hin und wieder den Boden unter den Füßen verliert?
Nowitzki: Ja, absolut! Vor allem wenn man sieht, welche Summen heutzutage gezahlt werden, dann kann man diesen Jungs oftmals nicht mal einen großen Vorwurf machen. Ich denke, dass in diesem Bereich gerade die älteren und erfahrenen Akteure eines jeden Teams schon einen gewissen Einfluss auf diese jungen Spieler nehmen und ihnen Ratschläge geben können, damit sie mit ihrem Geld clever umgehen.
Das ist mit Sicherheit ein ganz wichtiger Punkt, den die Jungs lernen müssen.
Sie haben immer wieder betont, wie groß der Spaßfaktor beziehungsweise Ihre Liebe zum Basketball-Sport sei. Hat sich dieses Verhältnis in den zurückliegenden 19 Jahren eigentlich in irgendeiner Form verändert?
Nowitzki: Nein, definitiv nicht. Wäre das der Fall gewesen und hätte es sich ins Negative gewandelt, würde ich jetzt nicht mehr spielen! Klar, wenn man viele Partien verliert, wie es bei uns in den vergangenen Jahren leider der Fall war, dann ist es natürlich nicht einfach. Auch muss man sich oftmals durch die Trainings-, Kraft- oder Stretching-Einheiten durchbeißen und durchkämpfen. Aber wenn man dann wieder auf dem Court steht, die Fans sieht und diese besondere Atmosphäre im Spiel spürt, zeigt einem das schon, dass sich das Ganze lohnt und es dementsprechend einen riesigen Spaß macht.
Wenn Sie eines Tages Ihre Karriere beenden: Was wird Ihnen wohl am meisten fehlen?
Nowitzki: Ich glaube, einfach alles. Sei es das ganze Reisen, die Film-Sessions, die Zeit in der Umkleide mit den Jungs, die gemeinsamen Busfahrten, die gegenseitigen Frotzeleien im Team – aber natürlich auch die Spiele und damit der sportliche Wettbewerb. Seit ich sechs oder sieben Jahre alt bin, spiele ich Tennis, Handball oder Basketball. Diese Duelle „Mann gegen Mann“ oder eben „Mannschaft gegen Mannschaft“ werden mir da am Anfang schon ziemlich fehlen.
Ihr Vertrag bei den Mavericks läuft noch bis 2019. Sie haben es dennoch offengelassen, ob Sie diesen auch erfüllen oder vorzeitig Ihre Karriere beenden. Gibt es schon eine gewisse Tendenz?
Nowitzki: Ich würde sagen: Schau mer mal. (lacht) Am Anfang dieser Saison konnte ich mich noch nicht gut bewegen. Auch hat der Körper nicht so reagiert, wie ich es mir erhofft hatte. Seit einigen Wochen geht es aber wieder viel besser. Von dem her kann ich es mir schon vorstellen, dass ich noch ein weiteres Jahr dranhänge.
Lassen Sie uns noch kurz über Ihre Leidenschaft Fußball sprechen. In der Gruppenphase der WM 2018 in Russland trifft Deutschland unter anderem auf Schweden. Die Zwillingsbrüder Ihrer schwedischen Ehefrau Jessica Olsson, Martin (Swansea) und Marcus (Derby County), sind als Fußball-Profis in England tätig. Zudem ist Martin aktueller Nationalspieler. Ist bei dieser Konstellation der Familienkrach nicht schon vorprogrammiert?
Nowitzki: (lacht) Der „Trash-Talk“ innerhalb der Familie hat tatsächlich unmittelbar nach der Auslosung schon begonnen. Vielleicht ergibt sich für mich ja die Möglichkeit, bei dieser Partie live im Stadion dabei zu sein. Das wäre schon eine tolle Sache. Auch wenn ich natürlich der deutschen Mannschaft im direkten Duell die Daumen drücke, hoffe ich, dass am Ende beide Teams ins Achtelfinale einziehen.