Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Sport
Icon Pfeil nach unten

Jess Thorup und Christof Kreutzer im Interview: "Als Trainer bist du oft allein"

Interview

Thorup und Kreutzer im Gespräch: "Als Trainer bist du oft allein"

    • |
    • |
    Der Trainer des Fußball-Bundesligisten FC Augsburg, Jess Thorup, und der Trainer des DEL-Eishockey-Klubs Augsburger Panther, Christof Kreutzer (von links), zu Gast bei AZ Live.
    Der Trainer des Fußball-Bundesligisten FC Augsburg, Jess Thorup, und der Trainer des DEL-Eishockey-Klubs Augsburger Panther, Christof Kreutzer (von links), zu Gast bei AZ Live. Foto: Bernhard Weizenegger

    Herr Thorup, in Anzug und Krawatte haben Sie bei Ihrer Vorstellung und den ersten Spielen für Verwunderung gesorgt. Hat Sie das überrascht?
    JESS THORUP: Ja, hat es. Ich fühle mich wohl im Anzug und möchte der Mannschaft zeigen: Wir haben ein Spiel, also etwas Besonderes, vor uns. Das hat eine wichtige Bedeutung. 

    Herr Kreutzer, im Eishockey sind Trainer im Anzug üblich.
    CHRISTOF KREUTZER: Das ist inzwischen Standard, ich finde das sehr gut. Jedes Spiel, das man für einen Klub bestreitet, ist etwas Besonderes. Der Rahmen muss stimmen, ein gewisser Stil gehört dazu. 

    Sie beide wirken vor und nach den Spielen stets in sich ruhend. Wie verarbeiten Sie den Druck und den Stress nach einem Spiel?
    KREUTZER: Wenn du gewinnst und viele positive Emotionen in dir hast, ist das leichter. Wenn ich zu Hause bin, kann ich nicht ins Bett gehen – egal, wie spät es ist und wie müde ich bin. Ich muss irgendwie runterkommen und merke, was ein Spiel den ganzen Tag mit mir gemacht hat. Letztlich habe ich aber nicht viel Zeit an einem Wochenende, das zu verarbeiten, weil wir am nächsten Tag schon wieder trainieren und einen Tag später erneut spielen. Ich versuche den Stress in Gesprächen abzubauen: mit meinen Co-Trainern, dem Teammanager oder auch meiner jüngsten Tochter, die die Spiele komplett auseinandernimmt. Wenn wir gewonnen haben, spreche ich auch mit meiner Frau (lacht). 


    THORUP: Auf dem Platz bin ich emotional. Wenn ich nach dem Spiel in der Kabine bin, versuche ich, ruhig zu wirken. Für die Spieler ist in dem Moment wichtig, welches Bild der Trainer abgibt. Das ist nicht immer einfach, nach dem späten Gegentor und der Niederlage gegen Leverkusen musste ich mich eine Minute länger sammeln. Als Trainer bist du oft allein. Für mich ist wichtig, dass ich außerhalb des Fußballs Menschen habe, ob meine Frau, meine Kinder oder Freunde, mit denen ich über persönliche Dinge sprechen kann.

    Eine Mannschaft ist ein Querschnitt der Gesellschaft mit unterschiedlichem Alter, Charakter oder Bildungsniveau. Wie bringt ein Trainer die Kabine hinter sich? 
    THORUP: Ich spiele nicht an der Playstation, sondern meine Spieler müssen auf dem Platz entscheiden. Ich sehe den Menschen im Spieler, gebe ihm Vertrauen und versuche für ihn da zu sein - auch wenn er nicht jedes Wochenende spielt.


    KREUTZER: Ich habe Trainer gehabt, die mit mir während einer Saison ganze drei Sätze gesprochen haben. Ich habe aber auch Trainer gehabt, die hart und gerecht waren. Mir hat das gezeigt, wie ich mit Spielern umgehen möchte. Kommunikation ist wichtig, die Tür steht immer offen. Man muss vernünftig und ehrlich miteinander umgehen. Jeder Spieler wird gleich behandelt – ob er 17 oder 35 Jahre alt ist. Ob er spielt, darf nur die Leistung entscheiden. Aber du brauchst auch Leader, die die Mannschaft mitziehen. 

    Sie haben teils Spiele im Zwei-, Drei-Tages-Rhythmus. Wie lässt sich eine Mannschaft immer wieder aufs Neue motivieren?
    KREUTZER: Es muss einfach ein geiles Gefühl sein zu gewinnen. Ich arbeite gerne mit Emotionen, um die Leute zu pushen und die Zuschauer mitzunehmen. Oft ist es nicht so schwer, die Jungs zu begeistern: Weil sie es einfach wollen. Außerdem willst du erfolgreich sein, weil du Geld verdienen und den nächsten Vertrag willst. 


    THORUP: Wenn Spieler sich nicht selbst motivieren können, haben sie ein Problem. Ich helfe dabei, ein Team und Gewinner-Mentalität aufzubauen, halte emotionale Ansprachen, aber am Ende müssen die Spieler es selbst regeln. 

    Der ehemalige Bundestrainer Hansi Flick sorgte in einer WM-Dokumentation mit einem Graugänse-Vergleich für Verwunderung in den Gesichtern der Nationalspieler. Wie stehen Sie zu solchen Formen der Motivation?
    KREUTZER: Bei mir fliegen keine Graugänse, aber ich glaube schon, dass man mit Bildern und Videos pushen kann. Du musst dahinterstehen und transportieren, dass das wichtig ist. Wenn die Jungs das aufnehmen, hast du gewonnen. 


    THORUP: Bilder oder Videos machen Sinn. Aber wenn du immer das Gleiche machst, langweilst du die Spieler irgendwann. Als Trainer musst du ein Gefühl dafür entwickeln, was die Spieler jetzt brauchen: Soll ich sie in Ruhe lassen oder emotional packen?

    Wie viel Psychologe steckt in einem Trainer?
    THORUP: Viel. Als Cheftrainer bin ich eher ein Anführer. Bei mir geht es weniger darum, eine Flanke oder einen Torschuss zu trainieren, sondern darum, Menschen zu einem Team zusammenzubringen. 


    KREUTZER: Als Cheftrainer bist du für eine Gruppe von bis zu 40 Menschen verantwortlich. Wenn du das psychologisch nicht managen kannst, wirst du keinen Erfolg haben. Die Jungs müssen wissen, sie können zu dir kommen. Wenn du aber einen Spieler hast, der jeden Tag bei dir ist und 50 Prozent deiner Energie aufbraucht, bleiben dir nur 50 Prozent für alle anderen Spieler. Das geht nicht. 

    Wie gehen Sie mit erfolgreichen und erfolglosen Phasen um? 
    THORUP: Erfolg gibt Selbstvertrauen – und das ist das Wichtigste für einen Spieler. Wenn du zwei-, dreimal gewonnen hast, musst du schauen, wie du ein viertes Mal gewinnst und eine Gewinner-Mentalität aufbauen kannst. Und darfst nicht sagen: Wir müssen mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben. 


    KREUTZER: Wenn man gewinnt, ist nicht alles gut. Wenn man verliert, ist nicht alles schlecht. Ich bin eigentlich nie zufrieden, auch im Erfolg musst du dich weiterentwickeln. 

    Wie gehen Sie mit Niederlagen um, die durch Fehlentscheidungen eines Schiedsrichters zustande gekommen sind?
    KREUTZER: Für mich ist das schwer. Selbst wenn ein Schiedsrichter sich nach dem Spiel entschuldigt, das bringt mich nicht weiter. Ich bin ein emotionaler Typ, musste aber zumindest in dieser Saison noch keine Strafe bezahlen.


    THORUP: Die Schiedsrichter haben keinen einfachen Job und sind auch Menschen. Wenn ein Schiedsrichter nach dem Spiel den Fehler eingesteht, kann ich besser damit umgehen. 

    Trainer können sich die tollsten Matchpläne ausdenken, oft entscheiden aber Glück, Pech oder Zufall. Wie verrückt macht einen das?
    KREUTZER: Dass dir die Scheibe auf den Schläger fällt oder nicht an den Pfosten, sondern ins Tor fliegt, das musst du dir erarbeiten. Wenn du es mehr willst als der Gegner, hilft dir das, um Glück zu haben. 


    THORUP: Ich glaube daran, dass das Glück der Tüchtige hat. 

    Womit kann Sie ein Spieler wütend machen?
    KREUTZER: Mit mir kann man über alles sprechen. Was aber dem Team und dem Klub schadet, dafür habe ich kein Verständnis. Das ist auch eine Frage des Respekts. 


    THORUP: Keiner steht über der Gruppe. Wenn jemand etwa zu spät kommt, das kann ich nicht nachvollziehen. Ich mache ihm klar: Das war das erste und das letzte Mal. Ich muss mich auf die Spieler und die Spieler müssen sich auf mich verlassen können. 

    Wie sieht Ihr idealer Spieler aus?
    THORUP: Natürlich muss ein Spieler an sich denken und ein Individualist sein, aber er muss seine Rolle kennen, um der Mannschaft zu helfen. Ich glaube, die Mentalität eines Spielers wird in Zukunft noch wichtiger werden. 

    Wie bedeutend ist bei einer Spielerverpflichtung der Charakter?
    THORUP: Persönlichkeit ist immens wichtig. Ich muss aber auch sagen: Wer nicht total angepasst ist, bereitet womöglich auch dem Gegner Probleme. 


    KREUTZER: Als Trainer musst du dich entscheiden, wie viele faule Äpfel kann die Mannschaft verkraften. Ein Torjäger kann auch sehr eigen sein. Wenn du aber zwei oder drei dieser Typen im Team hast, können sie das gesamte Gefüge zerstören. Wie stimmig eine Mannschaft zusammengestellt ist, zeigt sich meist erst, wenn du weniger erfolgreiche Phasen hast.

    Herr Kreutzer, wie bauten Sie Torhüter Dennis Endras auf, nachdem die Fans seine Auswechslung bejubelten? 
    KREUTZER: So etwas habe ich noch nie erlebt. Wir haben viel mit den Fans kommuniziert, auch die Fans haben untereinander kommuniziert. Wenn gefühlte 4000 Leute im Stadion jubeln, wenn du aus dem Tor fährst, das macht etwas mit einem. Obwohl wir ihn brauchten, musste ich ihn schützen und habe ihn in der Phase, speziell in den Heimspielen, nicht spielen lassen. Dennis hat viel mit sich arbeiten lassen. So sind wir wieder dahin gekommen, dass er ein wichtiger Spieler für uns ist.

    Wie sehen Ihre Saisonziele aus?
    THORUP: Wichtig ist jetzt der Klassenerhalt. Ich finde es aber gut, dass der Verein Ambitionen hat. Mein Ziel ist es, mit dem FC Augsburg vielleicht auch mal im Europapokal zu spielen. 


    KREUTZER: Wir müssen realistisch bleiben, oberstes Ziel ist so früh wie möglich der Klassenerhalt. Mit der Mannschaft in den Play-offs oder unter den ersten sechs Teams zu spielen, das muss erst wieder wachsen. 

    Zur Person

    Christof Kreutzer, 56, geboren in Krefeld, feierte zwischen 1990 und 1996 als Eishockeyprofi fünf Meisterschaften mit der Düsseldorfer EG. Nach Stationen in Düsseldorf und Bad Nauheim arbeitete er zwischen 2021 und 2023 als Sportdirektor und als Trainer beim DEL-Konkurrenten Schwenningen. Seit Frühjahr 2023 ist er in beiden Funktionen für die Augsburger Panther tätig. Kreutzer ist verheiratet und hat zwei Kinder.

    Jess Thorup, 53, geboren in Kopenhagen, war als Fußballprofi und Trainer in Dänemark Meister und Pokalsieger. Während seiner Spielerkarriere war er unter anderem für den FC Tirol und den KFC Uerdingen am Ball, als Trainer arbeitete er in Belgien und Dänemark, ehe er Mitte Oktober 2023 den FC Augsburg übernahm. Thorup hat eine Frau und zwei Kinder. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden