Dreieinhalb Wochen ist es her, dass die deutschen U-17-Fußballer mit einem Endspielsieg über Frankreich in der ungarischen Hauptstadt Budapest die Europameisterschaft gewonnen haben. Ihr Trainer, der aus Gänheim im Landkreis Main-Spessart stammende Christian Wück, hat nach dem Erfolg seinen Vertrag beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) verlängert. Das hat der DFB in der vergangenen Woche bekannt gegeben.
Wer meint, dass der Sieg im Finale, das letztlich mit 5:4 nach Elfmeterschießen an die deutschen Nachwuchsfußballer ging, für Christian Wück der Höhepunkt des Turniers gewesen sei, irrt. Diesen, sagt der 50-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion, habe es schon zwei Runden zuvor gegeben.
Nachwuchsfußballer schreiben Klausuren während des Turniers
Was war geschehen? Die deutsche U-17-Nationalmannschaft musste im Viertelfinale gegen die Schweiz ran. Gerade einmal 15 Minuten waren gespielt, als Maxim Dal wegen eines Foulspiels an Winsley Boteli mit Rot vom Platz flog, den fälligen Elfmeter verwandelte der Gefoulte selbst zum frühen 0:1. "Wir waren 75 Minuten in Unterzahl und trotzdem die dominierende Mannschaft", erinnert sich Wück. Paris Brunner traf nach 49 Minuten zum 1:1, es kam am Ende zum Elfmeterschießen. "Das zu gewinnen, war emotionaler als das Finale", findet Wück.

Dennoch dürfte der Coach froh gewesen sein, seinen Frieden mit Europameisterschaften gemacht zu haben. Es war seine vierte, zweimal scheiterte er mit seinen Mannschaften im Halbfinale an Spanien, einmal verlor er im Finale gegen Frankreich. Doch in allem stecke auch etwas Positives, sogar in einer Endspielniederlage. Erfahrungen, von denen seine Mannschaft und er nun profitieren konnten: "Ich bin ein alter Hase und konnte den Jungs Tipps geben. Sie waren sehr aufgeregt."
Sowieso sei ein Turnier mit so jungen Spielern etwas ganz anderes als eines mit gestandenen Profis. Das zeigen alleine die Begleitumstände. "Wir hatten zwei Lehrer dabei", sagt Wück und berichtet von insgesamt 16 Klausuren, die während der Turnierzeit von seinen Schützlingen geschrieben wurden. "Man darf nicht vergessen, dass die Jungs neben dem Fußball für die Schule arbeiten müssen." Das sei ein gehöriger Aufwand, den Spielern gelte großer Respekt.
Wück lobt das Kollektiv, hebt aber auch einzelne Spieler hervor
Im Gespräch über seine Mannschaft kommt Wück ins Schwärmen. Endlich, sagt er, sei das deutsche Team mal wieder "eine Mentalitätsmannschaft" gewesen. Das sei das, was deutsche Teams früher immer ausgezeichnet habe. "Das haben wir endlich auf dem Platz gezeigt. Wir sind mit jedem Rückschlag stärker geworden, deswegen war der Titel möglich."
Doch so sehr das Kollektiv auch im Fokus stand, ganz ohne Sonderlob für einzelne Spieler kommt Wück auf eine entsprechende Nachfrage nicht aus. "Paris Brunner, der vier Tore gemacht hat, und auch Noah Darvich, der die Mannschaft als Kapitän angeführt hat, haben sicherlich das Zeug, bei den Profis anzuklopfen." Und auch Finn Jeltsch vom 1. FC Nürnberg hob Wück wegen dessen Mentalität und Zweikampfhärte heraus.

Ein Turnier hat Wück mit seiner Mannschaft noch vor sich – die WM im November, die noch mal ein "extra Highlight" werde. Parallel geht es für ihn bereits zur deutschen U 15. Ein Nachwuchstrainer beim DFB arbeite immer drei Jahre mit einer Mannschaft zusammen, sagt Wück, daher übernehme er ab sofort den Jahrgang 2009, bereite aber noch den 2006er auf die WM vor.
Für den Trainer wird das eine Umstellung. Die Basics stünden wieder mehr im Fokus, grundlegende Fähigkeiten wie Ballbehandlung oder Passspiel. Grundsätzlich gebe es Leitlinien, die den Spielern beigebracht werden sollen: "Das sind Hilfen für die Spieler, sich auf dem Platz zu entwickeln."
Bolzplatzmentalität soll mehr im Fokus der Ausbildung stehen
Bei Spielern im Teenageralter stehe neben dem Fußball und der Schule noch ein weiteres Thema im Fokus: die Persönlichkeitsentwicklung. "Man muss mit den Jungs anders umgehen als früher", sagt Wück. Die aktuelle Generation sei "ganz anders". Soziale Netzwerke seien da ein großes Thema. "Wir müssen die Spieler zu selbstständigen Menschen erziehen", sagt Wück. Viele Spieler seien das durch das Leben in Nachwuchsleistungszentren nicht mehr. "Sie kriegen vom wahren Leben nicht mehr viel mit. Es ist unsere Aufgabe, hier Wert drauf zu legen."

Mit Blick auf die generelle Nachwuchsarbeit setzt Wück schon im Kindesalter auf die vielzitierte Bolzplatzmentalität, die er und seine Kollegen wieder mehr in den Fokus stellen wollen. "Die Kinder haben keine Zeit mehr für den Bolzplatz, weil sie viel Zeit für die Schule brauchen", sagt er. Das "goldene Alter", betont der Trainer, liege zwischen sechs und 14 Jahren.
"Wir müssen die Fähigkeiten, die sich die Spieler früher selbst beigebracht haben, wieder reinbringen", betont Wück. Damit meint er jene Dinge, die nichts mit mannschaftstaktischem Verhalten zu tun haben, etwa Eins-gegen-eins- oder Zwei-gegen-zwei-Situationen. Dinge, für die Menschen zum Zuschauen ins Fußballstadion gingen.
Dafür sei beispielsweise Funiño da, eine Art, wie der DFB seinen frühen Nachwuchs ausbildet. Bei dieser Spielform wird im Drei-gegen-drei auf zwei kleine Tore gespielt. "Wir müssen das, was uns selbst viel Spaß gemacht hat, als Trainer wieder reinholen", sagt Wück, "und das Hauptaugenmerk auf die Jugend legen."