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Würzburg: Mikroplastik: Sportvereine fürchten um Kunstrasenplätze

Würzburg

Mikroplastik: Sportvereine fürchten um Kunstrasenplätze

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    In Deutschland gibt es laut DFB rund 5000 Kunstrasenplätze, außerdem rund 1000 Minispielfelder.
    In Deutschland gibt es laut DFB rund 5000 Kunstrasenplätze, außerdem rund 1000 Minispielfelder. Foto: Fredrik von Erichsen, dpa

    Aufregung bei Unterfrankens Fußballvereinen: Weil die EU-Kommission gegen die Verschmutzung durch Mikroplastik vorgeht, sind Kunstrasenplätze in Gefahr. Sie werden in der Regel mit Gummigranulat gefüllt, das durch Wind und Schuhe abgetragen wird und in die Umwelt gelangt. Genau dieses Granulat, eingestuft als Mikroplastik, könnte ab 2022 verboten werden.

    Gibt es keine Übergangsfristen, befürchtet der Bayerische Fußballverband (BFV) einen Zusammenbruch des Spielbetriebs. Man sei gerade in den Ballungsräumen auf Kunstrasenplätze angewiesen, sagt BFV-Sprecher Fabian Frühwirth. Viele Vereine seien verunsichert, obwohl belastbare Zahlen aktuell gar nicht vorliegen, eine vielzitierte Fraunhofer-Studie lediglich auf Annahmen beruhe. Der Verband warnt vor erheblichen finanziellen Belastungen, wenn Plätze saniert werden müssen und Granulat auszutauschen ist.

    Die Grafik zeigt den typischen Aufbau von Kunstrasen.
    Die Grafik zeigt den typischen Aufbau von Kunstrasen. Foto: Polytan GmbH

    Betroffen wären Vereine und Kommunen. Der Deutsche Fußballbund (DFB) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) fordern eine Übergangsfrist von mindestens sechs Jahren. Dem hat sich am Wochenende Horst Seehofer (CSU) als Bundesinnenminister und damit Sportminister angeschlossen.

    Vorteile von Kunstrasen gegenüber Naturrasen

    In Deutschland werden immer mehr Kunstrasenplätze gebaut, jährlich kommen laut BFV rund 300 dazu - in Unterfranken zuletzt etwa in Gerbrunn, Heidingsfeld, Lohr oder Strahlungen. Dem Verband zufolge ist in Bayern seit 2014 die Zahl der Kunstrasenplätze für den Spielbetrieb von 314 auf 349 und in Unterfranken von 47 auf 51 angewachsen. Hinzu kommen kleinere Trainingsplätze.

    Vorteile des Kunstrasens: Er muss nicht gemäht und gedüngt werden, ist witterungsbeständig und kann normalerweise ganzjährig bespielt werden. Das Granulat schützt die künstlichen Grashalme - und die Sportler vor Verletzungen.

    Kunstrasen aus der Nähe betrachtet - hier auf dem Fußballplatz Abtswind im Landkreis Kitzingen.
    Kunstrasen aus der Nähe betrachtet - hier auf dem Fußballplatz Abtswind im Landkreis Kitzingen. Foto: Diana Fuchs

    Der DFB geht davon aus, dass bundesweit rund 6000 Kunstrasenplätze von dem EU-Verbot betroffen wären. Tatsächlich fürchten manche Vereine um ihre Existenz. Beispiel Würzburger FV: Der finanziell arg gebeutelte Traditionsverein verfügt seit 2008 über einen eigenen Kunstrasenplatz. Nach Auskunft von Vorsitzendem Roland Metz trainieren 20 Mannschaften darauf. Nur am Kunstrasenplatz habe man Flutlicht. Sollte er wegfallen, "hätten wir Riesenprobleme."

    Teure Sanierungen könnten Vereine in Schwierigkeiten bringen

    Aber selbst eine Sanierung könnte den WFV finanziell in eine erneute Notlage bringen. Deshalb sieht der Vorsitzende Politik und Verbände gefordert, betroffenen Vereinen unter die Arme zu greifen. "Natürlich wollen wir keine Umweltverschmutzer sein", sagt Metz - nicht zuletzt mit Blick auf die Lage des Platzes nahe am Main. Bei einer Überflutung könnte das Kunststoffgranulat in großen Mengen abgespült werden.

    Kunstrasen der Herstellerfirma Polytan, Partner des Bayerischen Fußballverbandes. Polytan zweifelt die Fraunhofer-Studie über Mikroplastik auf Fußballplätzen an. 
    Kunstrasen der Herstellerfirma Polytan, Partner des Bayerischen Fußballverbandes. Polytan zweifelt die Fraunhofer-Studie über Mikroplastik auf Fußballplätzen an.  Foto: obs/Polytan GmbH

    Aber es gerät auch allein durch Trainings- und Spielbetrieb in die Umwelt. Zwar sollen Spieler ihre Schuhe noch auf dem Platz abklopfen. Dennoch bleiben Kunststoffteilchen hängen und werden bis in die Kabinen verteilt. Über die Menge, wieviel Granulat pro Jahr auf einem Platz nachgestreut werden muss, gehen die Angaben auseinander. Von bis zu 4000 Kilo ist in der Fraunhofer-Studie die Rede. Völlig übertrieben seien diese Zahlen und die Studie wissenschaftlich nicht fundiert, kritisiert der Kunstrasen-Hersteller Polytan, Partner des Bayerischen Fußballverbandes. Auf modernen Plätzen müssten nur noch 250 Kilogramm Granulat nachgestreut werden.  Polytan hat jüngst erst einen Kunstrasen auf den Markt gebracht, der gänzlich ohne Füllstoffe auskommt.

    TSV Erlabrunn hat Kunstrasenplatz mit Kork gebaut

    WFV-Vereinsboss Roland Metz will sich in nächster Zeit über mögliche Sanierungsmaßnahmen informieren. Rat könnte er sich in der Nachbarschaft holen. Im nur wenigen Kilometer entfernten Erlabrunn hat der TSV erst vor zwei Jahren seinen Hartplatz in einen Kunstrasenplatz verwandelt - und ist beim Bau von der DIN-Norm abgewichen. Statt Kunststoffgranulat verwendete man Kork. Es gilt in Fachkreisen als natürliche Alternative.

    Die Führung des TSV Erlabrunn ist stolz auf den neuen Kunstrasenplatz (hier kurz nach der Einweihung im Oktober 2017): von links Daniel Göbel (Jugendleiter Fußballabteilung), Steffen Förtig (Vorstand Finanzen & Vermögensverwaltung), Johannes Heßdörfer (1. Abteilungsleiter Fußball), Thomas Schmitt (Vorstand Sport), Rico Hornauer (2. Abteilungsleiter Fußball), Stefan Mahler (Vorstand Öffentlichkeitsarbeit) und Ralf Kuberek (Schriftführer Fußballabteilung).
    Die Führung des TSV Erlabrunn ist stolz auf den neuen Kunstrasenplatz (hier kurz nach der Einweihung im Oktober 2017): von links Daniel Göbel (Jugendleiter Fußballabteilung), Steffen Förtig (Vorstand Finanzen & Vermögensverwaltung), Johannes Heßdörfer (1. Abteilungsleiter Fußball), Thomas Schmitt (Vorstand Sport), Rico Hornauer (2. Abteilungsleiter Fußball), Stefan Mahler (Vorstand Öffentlichkeitsarbeit) und Ralf Kuberek (Schriftführer Fußballabteilung). Foto: TSV Erlabrunn

    "Wir sind stolz, dass wir den Platz nachhaltig und umweltverträglich angelegt haben", sagt Sport-Vorstand Thomas Schmitt. Zwar hatte man Mikroplastik nicht auf dem Schirm, wohl aber die mögliche Umweltgefährdung durch ein Main-Hochwasser.  Außerdem sei es angenehmer, auf Kork zu spielen: "Das Material stinkt nicht und der Platz wird im Sommer nicht so warm."

    Teurer war das Naturprodukt unterm Strich auch nicht. Und nachstreuen? Bisher nicht nötig. Wichtiger ist das Abziehen des Platzes und das Verteilen des Granulats. Aus ganz Bayern erreichen Schmitt derzeit Anfragen zur Korklösung des TSV Erlabrunn - ein Indiz, wie aufgeschreckt die Vereine durch das drohende EU-Verbot sind.

    Auch in Sand am Main (Lkr. Hassberge) spielen Fußballer auf Kunstrasen.
    Auch in Sand am Main (Lkr. Hassberge) spielen Fußballer auf Kunstrasen. Foto: Alfons Beuerlein

    Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) versuchte am Montag zu beschwichtigen. Noch längst stehe nicht fest, ob die EU-Kommission tatsächlich ein Verbot von Plastik-Einstreumaterial für Kunstrasenplätze vorschlägt. Die beauftragte Europäische Chemikalienagentur (Echa) sei in einer frühen Phase der Meinungsbildung. Man habe großes Interesse daran, dass Sportvereine ihren Spiel- und Trainingsbetrieb ohne Einschränkungen durchführen können.

    Der DFB forderte am Montag einen Bestandsschutz der in Betrieb befindlichen Kunstrasenplätze.  Man gehe von geringeren Belastungswerten für die Umwelt aus, als mancherorts spekuliert werde, so DFB-Vize Erwin Burgar. Für die Einordnung bedürfe es zunächst valider Zahlen.

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