Der Profifußball macht es seit vielen Jahren vor und immer mehr Amateurvereine ziehen mittlerweile nach: mehrtägige Trainingslager in der Vorbereitungszeit – immer öfter auch im Ausland. Vor allem im Winter wirkt es verlockend, dem nasskalten Wetter in Deutschland zu entfliehen und sich im Süden unter der Sonne auf die Rest-Saison vorzubereiten. Waren es vor einigen Jahren in erster Linie ambitionierte Fußballteams von der Regionalliga bis zur Landesliga, so machen sich mittlerweile auch immer mehr Mannschaften aus den unteren Ligen auf die Reise.
Die SG Hausen/Nordheim fliegt für fünf Tage in die Türkei
Wie die SG Hausen/Nordheim aus der Kreisklasse Rhön 2, der dritten Liga von unten. Der Herbstmeister weilte Mitte Februar für fünf Tage in der Türkei und bereitete sich dort auf den Saisonendspurt vor. 35 Spieler aus der 1. und 2. Mannschaft hatte Trainer Stefan Mühlfeld an Bord und schwärmt nach der Rückkehr aus dem Süden noch immer. "Das war eine super Geschichte. Hut ab, dass so viele Spieler dabei waren. Zumal sie Flüge und Unterkunft selbst zahlen mussten. Und ein großes Dankeschön an Marco Schmidt, der die gesamte aufwendige Organisation übernommen hat."
Mühlfeld, der als Spieler höherklassig beim TSV Großbardorf und der DJK Waldberg aktiv war, ist generell ein Freund von Trainingslagern. "Der kameradschaftliche Aspekt ist bei so einem Event natürlich besonders groß." Die Geselligkeit steht für den Trainer der SG Hausen/Nordheim aber dennoch nicht im Vordergrund. "Das Gesamtpaket muss passen, ansonsten macht es aus meiner Sicht keinen Sinn."

Wichtig sei ihm neben guten Trainingsbedingungen vor allem gewesen, dass ein Großteil der Spieler aus der 1. Mannschaft dabei ist. "Wären es nur fünf oder sechs gewesen, dann hätten wir das nicht gemacht." Das Thema Türkei-Trainingslager kam in den vergangenen Jahren immer wieder einmal auf, wirklich große Resonanz gab es aber nicht. Dass das diesmal anders war, ist für Mühlfeld ein weiterer Beleg für die seit Saisonbeginn spürbare Euphorie im Verein. "Die Trainingsbeteiligung ist die ganze Saison schon super. Der Wille, etwas zu erreichen, ist deutlich zu spüren."

Und so stand in der Nähe des bekannten Urlaubsort Side das Sportliche auch ganz klar im Vordergrund. "Wir haben in den vier Tagen vor Ort sechs Trainingseinheiten und ein Testspiel absolviert. Die Jungs haben wirklich super mitgezogen", lobt Mühlfeld. Untergebracht war die Gruppe aus der Rhön in einer Fünf-Sterne-Hotelanlage, in der einige Wochen zuvor auch die Profis des Zweitligisten 1. FC Magdeburg nächtigten.
Zu der Trainingsanlage, die fünf bis sechs Plätze umfasst, wurde die Spielgemeinschaft jeweils per Shuttle-Bus gebracht. "In der Türkei herrscht schon ein wahnsinniger Fußballtourismus. Während unserem Aufenthalt waren beispielsweise auch drei Jugendteams von Zenit St. Petersburg im gleichen Hotel."
Internationales Schiedsrichtergespann im Test gegen Schweizer Viertligisten
Ein vor Ort kurzfristig organisiertes Testspiel bestritt die SG Hausen/Nordheim dann aber gegen den FC Oberwil, ein Team aus der vierten Schweizer Liga. "Die haben uns ganz schön die Ohren lang gezogen und wir haben deutlich mit 0:5 verloren. Das war eine junge sowie technisch und taktisch sehr gut ausgebildete Mannschaft. Gegen solch einen Gegner hätte ich zu Hause sicher kein Testspiel ausgemacht, aber es war für alle sicher eine besondere Erfahrung." Zumal die Partie von einem internationalen Schiedsrichtergespann geleitet wurde und an der Seitenlinie sogar ein vierter Offizielle auf die Trainer aufpasste.

Dass man die Leistungsstärke von Fußballteams aus dem Ausland nie so recht einschätzen kann, erfuhr mit der SG Brendlorenzen/Windshausen am vergangenen Wochenende ein weiteres Team aus der Kreisklasse Rhön 2. Der Überraschungs-Tabellendritte machte für drei Tage Station in Tschechien. Genauer gesagt in Lovosice, einer Stadt im nördlichen Böhmen, etwa 70 Kilometer westlich von Prag.
Dort stand neben zwei Lauf- und vier Trainingseinheiten auch ein Testspiel gegen ein tschechisches Team auf dem Programm. "Leider war der Gegner deutlich schwächer als erwartet, sodass wir bei unserem 11:0-Sieg nicht wirklich gefordert wurden. Das war aber wirklich der einzige kleine Wermutstropfen", sagt SG-Trainer Matthias Petzold.
SG Brendlorenzen/Windshausen begeistert von den Trainingsbedingungen in Tschechien
Der 53-Jährige ist seit jeher ein großer Fan von Trainingslagern. "Mit jedem meiner bisherigen Vereine war ich im Winter bisher in Trainingslager. Mit dem TSV Ostheim war ich auch schon in der Türkei und mit der SG Mellrichstadt/Frickenhausen in Tschechien. Wichtig ist mir, dass möglichst viele Stammspieler aus der 1. Mannschaft dabei sind." Das sei diesmal bei 16 Teilnehmern der Fall gewesen, sodass Petzold von einer "absolut gelungenen Sache" spricht.
"Natürlich spielt auch das Team-Building immer eine Rolle, aber bei mir wird schon auch ordentlich trainiert", sagt Petzold. Und so stand nach der gut 400 Kilometer langen Anreise mit Privatautos am Donnerstagabend gleich noch die erste Trainingseinheit auf dem Programm. Auch am Freitag und Samstag wurde gleich mehrfach trainiert.
"Die Bedingungen waren wirklich optimal. Wir waren in einem Hotel untergebracht, das auf Sportvereine spezialisiert ist und nach Renovierungsarbeiten erst im Januar wieder eröffnet hat." Da seine Spieler bei allen Einheiten ordentlich mitgezogen haben, ging es am Samstagabend zur Belohnung dann auch noch nach Prag in eine fünfstöckige Disco. "Das hatten sich die Jungs auf jeden Fall verdient. Von so einem Trainingslager zehrt man als Mannschaft sehr lange."

Der Meinung ist auch Frank Kirchner, aktuell Trainer beim Kreisklassisten VfR Stadt Bischofsheim. "Trainingslager sind für mich ein absolutes Muss, da wird das Fundament für die Runde gelegt." Kirchner hat zwar auch immer wieder einmal mit Ausflügen ins Ausland geliebäugelt, bevorzugt dann aber doch Unterkünfte in der näheren Umgebung. Hoch im Kurs stehen bei ihm seit vielen Jahren vor allem Hüttenlager in der Rhön.
Der VfR Stadt Bischofsheim fährt zum Ski-Langlauf nach Oberhof
Mit seinen Spielern ging es in diesmal für zwei Nächte ins nur wenige Kilometer entfernte Oberwildflecken. "Der Vorteil ist, dass so auch Spieler nach der Arbeit schnell und einfach nachkommen können. Denn wichtig ist vor allem, dass der Kader möglichst komplett ist." Auch das Finanzielle spiele natürlich eine Rolle. "Wir haben viele Studenten, da ist so eine Reise ins Ausland schon ein großer Kostenfaktor."
In die Karten spielte den Bischofsheimern das milde Wetter in den letzten Wochen. "Am Abend haben wir gesellig in der Hütte zusammen gesessen, gepokert oder Schafkopf gespielt und am Tag konnten wir auf unserem Platz in Bischofsheim hart trainieren." Einen kleinen Ausflug machte Kirchner dann aber doch noch mit seinem Team. "Am Samstagnachmittag sind wir nach Oberhof zum Langlauf in die Skihalle gefahren. Das war eine schöne Abwechslung und zudem gut für die Stimmung, wenn es den einen oder anderen auch einmal hingelegt hat."