Ja, der 1. Juni 2024 beschäftige ihn noch immer, gesteht Manuel Leicht. Es war ein schwülwarmer Samstagnachmittag, Zweitrunden-Rückspiel der Bayernliga-Relegation zwischen dem Würzburger FV und dem TSV Großbardorf in der Zellerau. Für den Ur-Großbardorfer Leicht zugleich das letzte Spiel seiner Karriere. Und die Chance, sich mit dem sofortigen Wiederaufstieg in die Bayernliga das perfekte Abschiedsgeschenk zu machen. Letztlich sollte alles anders kommen, und Leicht nach über 300 Bayernliga-Spielen für den TSV Großbardorf zum Abschluss die verrückteste und zugleich bitterste Partie seiner Laufbahn erleben.
Zwei Relegationsniederlagen innerhalb von 24 Stunden
"Natürlich macht man sich im Vorfeld viele Gedanken, wie es sein wird, wenn endgültig Schluss ist", sagt der 38-Jährige rückblickend. Aus privaten Gründen war er 2018 schon einmal offiziell aus der ersten Mannschaft zurückgetreten. Wenn Not am Mann war, half der 1,69-Meter-Mann in den vergangenen Jahren bei seinem Heimat- und Herzensverein jedoch immer wieder aus. So auch in diesem Frühjahr, als der TSV Großbardorf sowohl mit der ersten Mannschaft als auch der zweiten Mannschaft in die Relegation musste.
Das Happy End blieb jedoch aus. Vielmehr musste Leicht innerhalb von nicht einmal 24 Stunden zwei seiner bittersten Niederlagen einstecken. Bereits am Freitagabend vergoss der gebürtige Großbardorfer die ersten Tränen, als er nach einer starken Rückrunde und einer bis dato überzeugenden Relegation mit dem TSV Großbardorf II das alles entscheide Drittrundenspiel gegen die FT Schweinfurt II in Strahlungen mit 0:3 verlor und die Großbardorfer dadurch aus der Bezirksliga absteigen mussten.

Einen Tag später schien hingegen alles angerichtet für den perfekten Abschied. Nach einem 0:0 im Hinspiel ging die erste Mannschaft des TSV Großbardorf in der ersten Minute der Nachspielzeit durch Albin Peci mit 3:2 beim Würzburger FV in Führung. Manuel Leicht fieberte als Ersatzspieler an der Seitenlinie mit und wähnte sich, wie viele seiner Mitspieler, bereits mit mehr als einem Bein in der Bayernliga. Erst recht, als Würzburgs Dennie Michel zwei Minuten später einen Strafstoß verschoss. "Da kann heute nichts mehr schiefgehen", dachte Leicht damals. Doch in der fünften Nachspielminute bekamen die Würzburger einen weiteren Elfmeter zugesprochen, den Simon Schäffer zum 3:3 verwandelte.

Ein Nackenschlag, von dem sich die Großbardorfer nicht mehr erholten und in der Verlängerung zwei weitere Gegentreffer kassierten. "Der erste Elfmeter war unstrittig, aber den zweiten muss man nicht geben", ärgert sich Leicht noch heute. "Der erstmalige Aufstieg mit der ersten Mannschaft wäre zum Abschluss das noch fehlende Puzzleteil meiner Laufbahn gewesen. Doch auch so blicke ich stolz auf meine Karriere zurück, denn es waren viele Erfahrungen dabei, die andere nicht machen konnten", sagt Leicht mit einigen Monaten Abstand.
"Zoff" mit Zimmernachbar Julian Nagelsmann
Er denkt dabei vor allem an seine Zeit beim TSV 1860 München. Mit 15 Jahren hatte Leicht seine gewohnte Umgebung in Großbardorf verlassen, war in die Landeshauptstadt gezogen und durfte dort Profiluft schnuppern. "Das war nicht immer einfach und natürlich hatte ich zwischendurch auch mal Heimweh. Dennoch war es eine tolle Erfahrung, die ich nie bereut habe." In München habe er gelernt, selbstständig zu werden, und sei unheimlich schnell gereift, sagt Leicht. Untergebracht war er damals in einem Wohnheim der Löwen, Tür an Tür mit einem heute äußerst prominenten Zimmernachbarn: Julian Nagelsmann.
"Ihn jetzt im Fernsehen als unseren Bundestrainer zu sehen, ist schon Wahnsinn. Bei ihm war allerdings früh abzusehen, dass es einmal in die Trainerschiene gehen wird." Nagelsmann sei schon damals ein total offener, positiver, lustiger und extrovertierter Typ gewesen. "Wenn er heute nicht Bundestrainer wäre, würde man ihn vielleicht auch in einer Gesangsshow im TV sehen", sagt Leicht mit einem Schmunzeln und erinnert sich an einige kleine "Konflikte" mit seinem damaligen Teamkollegen: "Er hat gerne die Musik aufgedreht und lauthals mitgesungen. Ich habe schon ein paar mal an seiner Tür geklopft, weil mich die Lautstärke beim Lernen gestört hat."

Während Nagelsmann und anderen Teamkollegen wie den Bender-Zwillingen der Sprung ins Profigeschäft gelang, brachte es Manuel Leicht auch aufgrund von Verletzungspech nur auf zwei Regionalliga-Einsätze für die U23 des TSV 1860 München. Dennoch habe er aktuell immer noch Kontakt zu früheren Mitspielern wie Christian Träsch oder Marcel Schäfer (Sportdirektor RB Leipzig). "Dass es bei mir nicht zum Fußballprofi gereicht hat, ist rückblickend vielleicht gar nicht einmal so schlecht", sagt Leicht und erinnert sich an Schilderungen eines Bekannten, der als Profi zu Hause von Fans bedrängt wurde. "Als Fußballprofi führst du ein Leben in einer Blase ohne echte Freiheit. Das viele Geld, das sie verdienen, betrachte ich daher auch ein bisschen als Schmerzensgeld."
Mit dem TSV Großbardorf das Abenteuer Regionalliga erlebt
Im beschaulichen Großbardorf fühlt sich Leicht da deutlich wohler. "Zumal ich mit meinem Heimatverein viele Jahre im gehobenen Amateurfußball unterwegs sein durfte." Nach seiner Zeit in München kehrte Leicht 2008 zum TSV Großbardorf zurück, der damals gerade in die Regionalliga Süd aufgestiegen war. "Wir haben gegen Mannschaften wie Darmstadt, Mannheim oder Heidenheim, damals übrigens schon mit Frank Schmitt als Trainer, gespielt. Schade war nur, dass wir unsere Heimspiele in Schweinfurt austragen mussten."
Nach dem einjährigen Regionalliga-Intermezzo folgten über zehn Jahre in der Bayernliga, wo die Großbardorfer oft zur Spitzengruppe gehörten. "Für den großen Wurf hat es leider nie gereicht, doch auch so blicke ich auf eine wunderschöne Zeit zurück." In der Leicht nach und nach mehr Verantwortung übernahm. Sei es als Kapitän, als Teammanager, als Mitglied der Vorstandschaft und zuletzt auch als Interimstrainer der Landesliga-Mannschaft. "Der TSV Großbardorf hat mir meine Karriere erst ermöglicht und daher möchte ich auch gerne etwas zurückgeben", sagt Leicht.

Für den 38-Jährigen hat das auch immer etwas mit Respekt zu tun. "Der geht mir heutzutage leider in vielen Bereichen zunehmend verloren, wenn ich sehe, wie Einsatz- und Rettungskräfte angegangen werden. Wir haben es aber selbst in der Hand, etwas dagegen zu tun. Als Trainer habe ich beispielsweise die Chance, auch Werte außerhalb des Fußballs zu vermitteln."
Momentan macht Leicht das als Coach der Großbardorfer U9, in der auch sein Sohn spielt. "Ich kann schon ganz gut mit Kindern umgehen, in ein paar Jahren würde ich allerdings auch gerne unsere erste Mannschaft trainieren." Vielleicht holt er sich bis dahin schon einmal den einen oder anderen Tipp bei seinem ehemaligen Zimmernachbarn ab.