Was für eine fußballverrückte Rhön! Nach den 1700 in Bad Neustadt eine Woche zuvor strömten am Sonntag offiziell 1926 zahlende und wer weiß wie viele sonstige Zuschauer zum Rhön-Knaller zwischen der DJK Waldberg gegen den VfR Stadt Bischofsheim nach Wollbach. Sie kamen beim Höhepunkt der Relegation im Kreis Rhön voll auf ihre Kosten, die Bischofsheimer einmal ausgenommen. Sie müssen nach der 3:4-(2:1)-Niederlage in die Kreisklasse absteigen, die siegreichen Waldberger schafften den Aufstieg in die Kreisliga Rhön.
Selbst die „Relegationstouristen Güntersleben“, so ihre Transparent-Beschriftung, waren neugierig auf diesen Rhöner Fußball-Boom. Die beiden Mannschaften vom Fuß des Kreuzbergs entlohnten die zur Saisonverlängerung Fußballhungrigen, vielleicht auch nach besonderer Spannung Lechzenden vollauf. Von alledem ausgenommen die erste halbe Stunde. Da tat sich fast gar nichts. Abgetastet hatte man sich wirklich genug. Nur wollte sich keiner aus seiner Taktik herauslocken lassen. Am kreativsten waren da noch die Sprechchöre und Gesänge in beiden Fanblocks. Bis, wie mit einem Gongschlag, der Schlagabtausch eröffnet war. Da zog Waldbergs Patrick Seufert halblinks von der Strafraumkante aus ab. Sein Schuss wurde von einem Verteidigerbein zu einer unhaltbaren Bogenlampe abgefälscht und brachte die überraschende Führung für die DJK – 1:0 (30.). Doch Bischofsheim hatte eine schlagfertige Doppelantwort. Bereits beim zweiten Gegenangriff brachte Uli Dickas nach einer Flanke von Fabian Rott den Kopf vor der DJK-Hintermannschaft an den Ball – 1:1 (32.). Und Matthias Tratt nutzte nach einer Zirkelbach-Ecke den zweiten Ball zum 1:2 (39.). Diese beiden Treffer standen symbolisch für sechs der insgesamt sieben: In beiden Abwehrreihen hakte es und die Tormänner trugen wenig zur Beruhigung bei.
Beim VfR machte allen voran das Angriffsduo Enders/Dickas viel Wirbel. „Wir hatten in der ersten Halbzeit genügend Chancen, um das Spiel vorzeitig zu entscheiden“, haderte Dickas. „Hier haben wir es versäumt, das zweite und dritte Tor drauf zu setzen, dann hätte ich mal sehen wollen“, trauerte VfR-Coach Rainer Graumann einigen vergebenen Chancen nach. Sein Team hatte den größeren Aufwand bis zur Pause betrieben und es stellte sich die Frage nach dem Kräfte-Haushaltsvolumen und der bekannten Waldberger zweiten Luft. „Die hast du erst besiegt, wenn sie in der Kabine sitzen“, prophezeite ein völlig entspannter Platzordner Jürgen Greier, vor kurzem noch Trainer des Gastgebers RSV Wollbach. Wie recht er hatte.
Die Elf von Benjamin Holzheimer berannte zunächst noch dosiert den VfR-Strafraum. Und als nichts Zählbares herauskam, nahm der DJK-Coach, zur Hälfte gezwungenermaßen, einen Doppelwechsel vor (55.). Für Julian Raab und Bastian Krapf kamen Louis Bott und Louis Ziegler ins Spiel. Apropos gezwungen: Raabs letzter Zug zur Bundeswehr wartete – nicht. Dafür ging jetzt die Post ab, aber wie! Die Bischofsheimer Abwehr war vogelwild, der Ausgleich überfällig. Die Flanke von Louis Ziegler kam in dieser Unordnung irgendwie Louis Bott vor die Füße – 2:2 (62.). Die Waldberger hatten Lunte gerochen, setzten nach und wenig später das 3:2 (67.) drauf. Ein simpler Einwurf genügte als Vorbereitung. Philipp Hillenbrand drückte ihn mit dem Knie an einem Abwehrspieler vorbei und drosch ihn in die Maschen.
Beide Trainer schöpften das Rückwechselrecht üppig aus. Rainer Graumann gönnte Uli Dickas eine Viertelstunde Verschnaufpause, um ihn in der Schlussphase noch einmal reinzuwerfen. Die Bewegungen aller 26 Feldspieler waren aber schon etwas langsamer geworden. Dachte man. Dann bekam Bischofsheim seine zweite Luft. Fabian Rott erzielte per direkt verwandelten Freistoß aus so spitzem Winkel, dass man von dem aus eigentlich gar nicht drauf schießen sollte, das 3:3 (75.) – unerwartetes Comeback der Bischofsheimer und wieder alles offen. Die Bratwurststände bekamen schon Nachschub für die Verlängerung.
Beide Mannschaften wollten aber jetzt die Entscheidung, spielten Harakiri, gingen läuferisch über die berühmten 100 Prozent. Dann versuchte es Waldbergs Patrick Seufert wieder mal mit der Flanke einfach vors VfR-Tor, wo bis dahin schon so viel Unordnung geherrscht hatte. Es war die richtige Entscheidung: Wieder brachte man den Ball nicht weg, und der junge Louis Ziegler schoss die DJK nach einem Jahr Abstinenz wieder in die Kreisliga zurück. „Ich bin mit 19 Jahren noch so jung, darf in so einem heiß umkämpften Spiel dabei sein und noch dazu so eine entscheidende Kiste machen. Ich habe noch nie in meinem Leben so ein wichtiges Tor geschossen“, jubelte der Sohn des DJK-Vorsitzenden Mario Ziegler.
Die letzten drei regulären und vier Nachspielminuten hätte sich – bei einem Pfostenschuss („Mir ist das Herz in die Hose gerutscht“, Waldbergs Kilian Metz) – zwar alles noch einmal drehen können. Doch jetzt stand auch das Glück der DJK zur Seite. Und das Schönste an diesem herrlichen Fußballabend: Es war ein ausnehmend faires Fußballspiel und das bei dieser Bedeutung. „Die Mannschaft hat sich die ganze Saison nicht umwerfen lassen von Negativstimmung, Rückschlägen oder sonst was. Abstieg, Aufstieg, Fahrstuhltrainer: Wenn ihr wollt, ich kann damit sehr gut leben“, sagte Aufstiegstrainer Benjamin Holzheimer nach seinem letzten Spiel an der Seitenlinie. Er übergibt dem neuen Trainer, dem Ex-Großbardorfer Hansjürgen Ragati, einen Kreisligisten. Rainer Graumann dagegen muss mit seinen Bischofsheimern in der Kreisklasse ran: „Diese Saison und erst recht diese zwei Relegationsspiele sind nichts für schwache Nerven. Wir gratulieren natürlich den Waldbergern, müssen jetzt erst mal unsere Wunden lecken und versuchen, für die kommende Runde eine schlagkräftige Mannschaft aufzubauen.“
Statistik zum Spiel
Um einen Platz in der Kreisliga Rhön, 2. Runde
DJK Waldberg –
VfR Stadt Bischofsheim 4:3 (1:2)
Waldberg: Beck – Raab, Arnold, Voll, Pistor, K. Metz, Bühner, Krapf, Seufert, Hillenbrand, Man. Wehner. Rückwechselspieler: Bott, Ziegler, Eisenhauer.
Bischofsheim: Sterzinger – Zirk, Geis, Klein, Chr. Rott, Zirkelbach, Tratt, F. Rott, Enders, Kleinheinz, Dickas. Rückwechselspieler: Mar. Wehner, Simon, Kleinhenz.
Tore: 1:0 Patrick Seufert (30.), 1:1 Uli Dickas (32.), 1:2 Mattias Tratt (39.), 2:2 Luis Bott (62.), 3:2 Philipp Hillenbrand (67.), 3:3 Fabian Rott (75.), 4:3 Louis Ziegler (87.).
Schiedsrichter: Freibott (Bad Bocklet).
Zuschauer: 1926 (in Wollbach/NES).
Waldberg wird zur Partymeile
„Das war der Wahnsinn“, freute sich der Fußball-Abteilungsleiter der DJK Waldberg, Sebastian Arnold, überschwänglich über den Aufstieg in die Kreisliga und die anschließenden Feierlichkeiten. „Ich glaube, ganz Waldberg war auf den Beinen“, war nicht nur er vom großen Empfang im Heimatort beeindruckt. „Die Musikkapelle hat uns am Ortseingang empfangen und uns zur Ortsmitte musikalisch begleitet.“ Dort stieg die große Party. Mannschaft, Verantwortliche, Fans – alle feierten freudetrunken den sportlichen Höhenflug bei Freibier.
Wie lange gefeiert wurde? In jedem Fall wurde die Nacht zum Tag gemacht. Selbst am Montagvormittag waren Arnold und die Spieler noch auf den Beinen: „Wir feiern weiter, jetzt geht's zum Johannes Arnold, seine Frau Katrin hat Geburtstag.“
Und dann wird Sebastian Arnold nachdenklich und hält mit Kritik am Verband nicht hinterm Berg. „Verlierer der Relegation sind die Mannschaften und die Fans“, sind ihm die Anstoßzeiten ein Dorn im Auge. Die Verantwortlichen sollten sich Gedanken machen. „Wir sind reine Amateure.“ Gerade dieses letzte Spiel gegen Bischofsheim an einem Sonntag um 18 Uhr anzusetzen, dafür habe er kein Verständnis. Es gebe eine Reihe von Vereinen, die seine Ansicht teilen. „Aber sie trauen sich nicht, das öffentlich zu sagen. Ich sag', was ich denke. Ich kusche nicht“, redet er Klartext. Text: phü