Seine erste Saison beim Handball-Drittligisten HSC Bad Neustadt hatte sich Stanislaw Gorobtschuk eigentlich anders vorgestellt. Im Sommer 2020 war der Torhüter nach insgesamt zehn Jahren in Diensten des ThSV Eisenach an die Saale gewechselt. Nach einem schwierigen letzten Jahr, in dem er beim Thüringer Zweitligisten keine Rolle mehr gespielt hatte, wollte er bei den Rotmilanen wieder Spaß am Handball haben. Der Start mit fünf Punkten aus fünf Spielen war verheißungsvoll, doch die Corona-Pandemie bremste Gorobtschuk erneut aus. Eine weitere Spielzeit ohne Handball drohte, ehe es den 33-Jährigen zu Beginn des Jahres etwas überraschend kurzzeitig zu Maccabi Tel Aviv in die erste israelische Liga verschlug.
Angebot von Maccabi Tel Aviv reizte Gorobtschuk
"Anfang des Jahres war ich richtig schlecht gelaunt. Die Zeit ohne Sport hat mich ganz schön heruntergezogen. Sportler sind da wie kleine Kinder. Wenn man ihnen das Spielzeug wegnimmt, dann werden sie mit der Zeit unausstehlich", beschreibt Gorobtschuk seinen damaligen Gemütszustand. Dass ihm der Sport fehlte, erzählte er bei Telefonaten auch seinem besten Freund Gabor Langhans. Die beiden Handballer kennen sich seit ihrer gemeinsamen Zeit in Eisenach. Obwohl Langhans seit fast drei Jahren beim israelischen Top-Club Hapoel Aschdod spielt, ist der Kontakt nie abgerissen. "Gabor hat mir dann gesagt, dass Maccabi Tel Aviv noch einen Torhüter sucht und wenig später hatte ich auch schon ein Angebot", so Gorobtschuk.

Lange überlegen musste der ehrgeizige Torhüter nicht. "Ich wollte schon immer einmal im Ausland spielen. Die Perspektive auf regelmäßige Trainingseinheiten und Spiele haben mich zudem gereizt." Dankbar zeigt sich Gorobtschuk, dass ihm vom HSC Bad Neustadt keine Steine in den Weg gelegt wurden und der Wechsel im Februar über die Bühne gehen konnte. Da Maccabi Tel Aviv in Israel ein großer und einflussreicher Verein ist, konnten die Einreiseformalitäten relativ zügig erledigt werden. Vor dem Abflug machte Gorobtschuk in Deutschland seinen ersten Corona-Test, in Israel folgten drei weitere negative Tests, ehe er nach fünf Tagen Hotel-Quarantäne endlich Handball spielen durfte.
Bereits nach wenigen Tagen in Israel das erste Mal geimpft
Auch auf seine erste Impfung musste er nicht lange warten, immerhin ist in Israel schon mehr als die Hälfte der Bevölkerung geimpft. "Nach zehn Tagen wurde ich bereits das erste Mal geimpft, später ein zweites Mal." Finanziell seien die etwas mehr als zwei Monate in Israel für ihn ein Plus-Minus-Null-Geschäft gewesen, "denn die Lebensunterhaltskosten sind dort sehr hoch. Doch die Möglichkeit, täglich trainieren und wieder ein normales Leben führen zu können, war einfach schön." Begeistert zeigt sich Gorobtschuk von den Lebensumständen in Israel. "Der Staat macht sehr viel für Familien, da kann sich Deutschland einiges abschauen. Es gibt in Tel Aviv beispielsweise einige Parks mit Sportanlagen, weshalb man sehr viele Kinder sieht, die sich bewegen."
Was Gorobtschuk ebenfalls beeindruckte, war der hohe Stellenwert der Familie bei den Israelis. "Nach der Arbeit ist Familienzeit. Ich war zweimal bei einem Shabbat-Dinner eingeladen. Dabei habe ich sofort gemerkt, wie wichtig den Menschen dort das Leben in der Familie ist." Auch wenn der 33-Jährige letztlich nur gut zwei Monate in Israel lebte, nahm er viele neue Eindrücke mit nach Hause. "Der Besuch der Klagemauer in Jerusalem war für mich als gläubigen Christ beispielsweise etwas ganz Besonderes." Nach dem Training mit den Mitspielern bei angenehmen Temperaturen am Strand zu sitzen oder in eine Bar zu gehen, war angesichts des Lockdowns in Deutschland auch ein ungewohntes Lebensgefühl.

Mission Klassenerhalt mit Maccabi nicht erfolgreich
Aus sportlicher Sicht verlief das Gastspiel in Israel für Gorobtschuk jedoch nicht so erfolgreich. Das Ziel, mit Maccabi den Klassenerhalt zu schaffen, wurde nicht erreicht. Noch immer ärgert sich Gorobtschuk über den aus seiner Sicht vermeidbaren Abstieg. "Zwei Spiele vor Saisonende hatten wir noch drei Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz. Dann kamen aber plötzlich drei Spieler, die am Wochenende zuvor nicht eingesetzt wurden, einfach nicht mehr zum Training." Da sich zudem zwei weitere wichtige Rückraumspieler verletzt hatten, mussten auf diesen Positionen zwei 17-Jährige einspringen. So gingen die letzten beiden Spiele sehr unglücklich verloren und Maccabi rutschte in der Tabelle noch auf einen Abstiegsplatz.
Wie deutlich anders als in Deutschland Mannschaften auch organisiert sein können, hat Gorobtschuk schnell gemerkt. "Da beginnt das Training einfach mal 20 Minuten später oder beim Videostudium klingeln regelmäßig die Handys der Spieler. Das war für mich etwas ganz Neues und hat mich schon gestört. Vielleicht helfen mir diese Erfahrungen aber auch, zukünftig etwas lockerer und nicht ganz so verbissen zu sein." Nach seiner Rückkehr nach Deutschland stand dann auch nicht der Sport, sondern sein kleiner Sohn im Mittelpunkt. "Ihn habe ich in der Zeit schon sehr vermisst. Wir hatten zwar jeden Tag per Videoanruf Kontakt, aber die persönliche Begegnung ersetzt das natürlich nicht", so Gorobtschuk.
Noch kein Vertrag für die kommende Saison
Seine sportliche Zukunft sieht der nach wie vor in Eisenach lebende Torhüter beim HSC Bad Neustadt - auch wenn er aktuell noch keinen Vertrag für die kommende Spielzeit hat. "Zu 90 Prozent werde ich beim HSC bleiben. Ich fühle mich hier sehr wohl und in den wenigen Saisonspielen vor dem Abbruch waren wir auf einem guten Weg", findet Gorobtschuk. Gerne erinnert er sich dabei an das letzte Spiel gegen Tabellenführer Saarlouis, das der HSC Bad Neustadt auch dank eines überragenden Stanislaw Gorobtschuk überraschend mit 22:18 gewann.
"Dieses Spiel hat gezeigt, was den Handball ausmacht. Wenn man alles gibt, kann man auch gegen individuell besser besetzte Mannschaften gewinnen." Gorobtschuk hofft, dass die Rotmilane auch in der neuen Saison an diese Leistung anknüpfen können. "Für mich wäre es das Schönste, mit einem guten Konzept weiterhin für Bad Neustadt zu spielen. Ich will aber natürlich auch wissen, wie der Weg des HSC kurz- und mittelfristig aussehen soll." Den Ehrgeiz und die Professionalität hat Gorobtschuk in Israel also nicht verloren.