Gerd Klaus ist in seiner sechsten Saison Trainer des FC 05 Schweinfurt. Der 47-Jährige, der aktiv unter anderem für den TSV Vestenbergsgreuth, den SC Weismain und Quelle Fürth gespielt hatte, war gleich in seiner ersten Saison mit den Nullfünfern in die Regionalliga Bayern aufgestiegen. Nach drei zum Teil recht knappen Klassenerhalten, startete Präsident Wolf 2016/17 zusammen mit dem A-Lizenz-Inhaber die erste Phase des mittelfristig geplanten Aufstiegs in die Dritte Liga. Die Schweinfurter schlossen mit Platz acht und dem Gewinn des BFV-Pokals ab. In der aktuellen Spielzeit war die Meisterschaft Wolfs erklärtes Ziel, doch als der TSV 1860 München nach dem Zweitliga-Abstieg keine Lizenz für die Dritte Liga erhalten und in die Regionalliga eingruppiert worden war, war es Klaus, der dieses Vorhaben als beinahe utopisch eingestuft hat. Aktuell liegt der FC 05, der im Sommer auf Profitum umgestellt hat, nur noch auf Platz fünf, mit – bei einem Spiel weniger – 13 Punkten Rückstand auf die Löwen und vier Zählern Miese auf den Tabellenzweiten Ingolstadt. Gegen die Zweitliga-Reserve gab es zuletzt auch ein ernüchterndes 0:3 sowie anschließend massive Fan-Proteste. Im Interview mit dieser Zeitung spricht Gerd Klaus über die sportliche Situation des FC 05 in der Liga, die Chancen im Zweitrundenspiel des DFB-Pokals gegen Eintracht Frankfurt am Dienstag (20.
45 Uhr) und auch seine Perspektiven als Trainer.
Frage: Niederlage gegen Ingolstadt, Platz zwei weg und Fan-Proteste. Worüber haben Sie sich am Wochenende am meisten geärgert.
Gerd Klaus: Das schlimmste war eigentlich, dass wir nach 20 guten Anfangsminuten aufgehört haben, Fußball zu spielen, und nicht mehr die Leidenschaft hatten, das Spiel nach dem Rückstand zu drehen. Dass die Fans sich aber gleich nach 20 Minuten auf die Mannschaft einstimmen, statt positive Stimmung zu machen, habe ich so auch noch nicht erlebt. Dass die Fans zu so einem frühen Zeitpunkt „Klaus raus“ schreien, kann ich nicht nachvollziehen. Wir hatten schon andere Zeiten in Schweinfurt, da wäre das berechtigt gewesen. Die Platzierung ist zu diesem Saison-Zeitpunkt nicht so wichtig. Entscheidend ist, welche Entwicklung die Mannschaft macht. Für ganz vorne reicht der Kader nicht, jetzt haben wir noch brutal viele Verletzte. Es trainieren ja mehr außerhalb vom Platz als im Platz. Zuletzt habe ich mit zwölf Mann trainiert. Aber die Entwicklung ist gut: Wir haben Drittligist Unterhaching und Zweitligist Sandhausen geschlagen, sind in beiden Pokalwettbewerben noch dabei. Ich verstehe die Hektik nicht.
„Wenn der TSV 1860 München mal patzt, müssen wir da sein“ – parallel zum wachsenden Rückstand auf die Löwen wurde dieser Satz gebetsmühlenartig von den Spielern, aber auch Ihnen verwendet. Nun hat Sechzig gepatzt und der FC 05 war nicht da.
Klaus: Es ist trotzdem immer noch unser Ziel, man weiß im Fußball ja nie, was passieret. Die können auch mal einen Negativlauf kriegen und dann müssen wir da sein. Wir sind ja noch da, wir sind ja nicht Vorletzter. Dass es am Ende 13, 14 Punkte auf Sechzig werden können, war klar. Aber trotzdem müssen wir in der Spitzengruppe bleiben. Aber noch einmal: Wir haben eine Verletzten liste von sechs, sieben Mann. Unser Physio Peter Hoffmann schaut, was möglich ist. Aber es darf nicht als Entschuldigung gelten. Ich habe der Mannschaft gesagt: Selbst, wenn wir gegen Garching mit acht Mann spielen, dann müssen wir eben mit acht Mann gewinnen.
Noch so ein Satz: „Unser Kader ist für diese Belastung nicht ausgelegt.“ Lediglich das Pokalspiel gegen Frankfurt war eine nicht kalkulierte Variable in der FC-05-Rechnung. Denn das Hinzukommen der Löwen hat die Belastung ja nicht erhöht für Schweinfurt. Wurde demnach nicht mit letzter Konsequenz für das Ziel Dritte Liga geplant?
Klaus: Das Ziel war natürlich vor dem Hinzukommen der Sechziger ausgegeben. Und ohne die wären wir auch nicht so weit davon entfernt. Dass uns dann auch noch Leistungsträger wie Lukas Billick und Lukas Kling sehr früh für lange Zeit ausfallen, konnten wir nicht wissen. Wir können es uns auch nicht erlauben, den Kader auf 25 Mann aufzublähen. Das musst du ja alles bezahlen, das sind ja alles Profis, die wollen ja auch ein paar Euro verdienen. Man kann natürlich einen Kader von 25 Mann zusammenstellen wollen wie die Sechziger, aber das schaffen wir nicht. Wir haben einen festen Etat und dieser ist trotz allem nur auf unterem Regionalliga-Niveau. Im Südwesten beispielsweise macht keiner unter den ersten Acht mit einem Etat wie unserem herum. Und was die Belastung betrifft: Im BFV-Pokal hätte man es auch leichter haben können als auswärts in Aschaffenburg oder so früh gegen einen Drittligisten ran zu müssen.
Man hätte ja mal einen Kreisligisten kriegen können, der uns wählt. Aber uns will ja keiner, weil der FC 05 für die meisten ein Rotes Tuch ist wegen Ausschreitungen.
Sie sind mit Präsident Markus Wolf befreundet. Gab's unter Freunden schon mal Zoff wegen der doch etwas unterschiedlichen Vorstellungen? Ihr Boss hat ja so seine Träume . . .
Klaus: Ja klar haben wir öfter diskutiert. Markus ist halt gerne euphorisch. Er sieht den Fußball wie sein Geschäft, da ist er auch immer optimistisch – und hat ja auch viel erreicht. Er will das vorantreiben in der Mentalität der Bayern: „Uns kann keiner schlagen.“ Er will auch das Umfeld, die Sponsoren und die Mannschaft kitzeln. Man kriegt halt die Quittung, wenn man nicht hundertprozentig abliefert. Aber er weiß, was er macht, ist ein schlauer Mensch. Er weiß, wo er hin will, und ich weiß, dass er Erfolg haben wird. Ob es in ein, zwei oder drei Jahren sein wird: Der Verein wird hundertprozentig, wenn Markus bei der Stange bleibt, in die Dritte Liga gehen. Da werden eben für die neue Saison noch drei, vier Spieler geholt. Da schaffst du einen 22- oder 23-Mann-Kader, erhöhst die Qualität und Eines greift ins Andere.
Das Drumherum muss ja auch wachsen. Wir sind ja auch erst ganz kleine Profis. Spieler wie Janz, Messingschlager oder Kracun waren ja noch nie Profis, die müssen das erst lernen. Plötzlich trainieren sie sieben Mal die Woche. Da kommt eben so eine Durststrecke. Und die kann noch länger dauern. Aber ich bin sicher, dass wir eine sehr gute Rückrunde spielen werden.
Oft sind es die Proteste Weniger, die Mechanismen in Gang setzen. Haben Sie Gedanken daran verschwendet, möglicherweise zur Winterpause nicht mehr Schweinfurter Trainer sein zu wollen?
Klaus: Nein. Das würde ich tun, wenn ich das Gefühl hätte, dass ich die Mannschaft nicht mehr erreiche. Das ist aber nicht so. Wenn ich sehen würde, die Mannschaft zeigt keine Entwicklung, wäre ich der erste, der zu Markus Wolf gehen würde. Der hat schon ganz andere Zeiten gesehen in Schweinfurt, hat auch nach zwölf Punkten aus der Vorrunde, meiner Einschätzung vertraut, die Mannschaft könne die Klasse halten. So lange ich die Entwicklung sehe, denke ich da keine Sekunde dran. Wenn der Verein das anders sehen würde, kann ich das nicht beeinflussen. Aber wenn ich Stimmen aufschnappe, die sagen, ich soll einmal was verändern, nur damit was verändert ist, dann lasse ich mich davon natürlich nicht beeinflussen.
Ich sehe die Entwicklung der Mannschaft ja nicht auf zwei, drei Wochen. In die Dritte Liga zu wollen, dauert ein bisschen. Ich sehe nicht den Zeitpunkt für „Klaus raus“, wir liegen annähernd im Soll. Wir sind ja nicht komplett weg von der Planung, die wir im Kopf haben. Wir haben nicht das Gefühl, dass es nicht passen würde. Warum sollte ich mich von Leuten, die unsere Spieler nicht mal identifizieren können, die nicht beurteilen können, was wir für eine Arbeit machen, verrückt machen lassen?
Haben Sie als Trainer Fehler gemacht? Gibt es Dinge, die Sie so nicht mehr tun würden?
Klaus: Wenn ich gewusst hätte, dass wir so viele Verletzte bekommen und durch den Pokal noch mehr schwere Spiele hinzukommen, dann hätte ich versucht, noch ein oder zwei Spieler hinzu zu bekommen. Aber: Du musst in Schweinfurt auch erst Spieler bekommen, die dich gleich weiter bringen. Das war nicht mit allen unseren Verpflichtungen so. Es spielen ja jede Woche noch acht, neun Mann aus der alten Mannschaft. Jetzt haben wir schon einen besseren Namen, durch Pokal, Frankfurt und, und, und. Für die neue Saison wird das etwas leichter. Vom Spielsystem her würde ich nichts ändern.
Wir haben es ja auch mit zwei Spitzen probiert, doch dann fehlt uns einer im Mittelfeld und damit die Durchschlagskraft. Klar gibt es die 50:50-Entscheidungen, welchen von zwei Spielern man anfangen lässt, da kann man daneben liegen. Aber große Schnitzer, wo ich mich als Trainer hinterfragen müsste, erkenne ich nicht.
Einige Fans werfen Ihnen vor, sie hätten zu schnell öffentlich den Titel den Münchner Löwen überlassen.
Klaus: Bei Sechzig musste ich zurückrudern. Sonst wären die überzogenen Erwartungen nie kleiner geworden. Die haben acht Millionen Etat, wir eine Million. Das ist eine ganz andere Hausnummer. Nehmen wir mal die Würzburger Kickers. Da hatte Hollerbach drei Millionen Etat, wollte unbedingt sofort hoch und hat dennoch jedem Spieler verboten, das Wort Aufstieg in den Mund zu nehmen.
Wäre die Dritte Liga auch das Umfeld, das sich der Trainer Gerd Klaus für sich vorstellen kann?
Klaus: Ja. In der Dritten Liga zu trainieren ist ja jetzt nicht so viel anders, als in der Regionalliga. Ich habe ja auch eine gewisse Erfahrung. Die Lizenz zum Fußballlehrer muss ich halt machen. Und werde ich auch machen. Wenn man aufsteigt, müssen sie einen ja zum Lehrgang nehmen. Ich werde mich aber schon für nächste Runde anmelden, dann hätte man die Lizenz vielleicht schon ein Jahr früher. Auch wenn es noch Zukunftsmusik ist, die Planungen laufen Richtung Dritte Liga. Wir werden auch im Winter womöglich schon ein, zwei Spieler dazunehmen. Die Gespräche laufen.
Kann der FC 05 überhaupt ein fester Bestand des deutschen Profifußballs werden? Was müsste sich in Schweinfurt alles verändern?
Klaus: Wir sind nicht so weit weg vom bezahlten Fußball. Wir kommen da in den nächsten ein, zwei Jahren hin. Nur muss auch das Umfeld noch mehr mitmachen. Markus Wolf kann das nicht alleine stemmen. Aber es wächst ja bereits: Es kamen neue Sponsoren dazu, die Stadt geht auf viel mehr ein inzwischen.
Personelle Veränderungen gab es ja vor der Runde schon etliche: Neun Neue hat der FC 05 geholt. In die Stammformation haben es nur Eiban, Wolf und Strohmaier auf Anhieb geschafft. Was fehlt Fritscher, Schlicht und Co?
Klaus: Viele Spieler, die wir geholt haben, waren vorher länger verletzt. Sonst hätte wir mit unserem Budget ja solche Spieler gar nicht bekommen. Wir haben gewusst, dass wir Geduld haben müssen. Und dann hat sich mit Lukas Kling ausgerechnet ein Spieler, der hundertprozentig fit war, schwer verletzt. In drei Wochen kann er aber wohl wieder voll einsteigen. Er war einer, der von Beginn an das Ruder an sich gerissen hatte. Sein Ausfall hat uns schon Einiges gekostet.
Und jetzt kommt am Dienstag Eintracht Frankfurt zum Zweitrundenspiel im DFB-Pokal. Gibt's überhaupt eine Chance gegen den Bundesligisten?
Klaus: Im Fußball ist so, dass du immer eine Chance hast. Aber wir können eins und eins zusammenzählen. Im Oktober gegen eine Bundesliga-Mannschaft zu spielen, ist sehr, sehr schwer für einen Regionalligisten. Die Eintracht ist Sechster, hat enorme Qualität, spielt sehr guten Fußball. Ich hätte nicht gedacht, dass die erneut eine so gute Runde spielen.
Letzte Woche hat mein Bruder die Frankfurter beobachtet, am Samstag fahre ich zum Spiel gegen Dortmund und schaue sie mir an. Ich sage mal so: Von 100 Spielen gewinnst du gegen die eines und spielst zweimal Unentschieden. Wir hoffen natürlich, dass wir am Dienstag dieses eine oder eines der beiden anderen haben.
Die Stimmung könnte eigentlich gut sein. Ist Ihre Vorfreude auf Frankfurt durch die persönlichen Angriffe des vergangenen Wochenendes getrübt?
Klaus: Ich kann das, was passiert ist, nicht ausblenden. Auch die Mannschaft beschäftigt sich damit. Der Zeitpunkt war nicht gut. Aber jetzt müssen wir ohnehin erst einmal das Tagesgeschäft am Freitag gegen Garching angehen. Vielleicht wäre das ohne die Querelen etwas aus dem Fokus gerutscht, doch jetzt müssen wir erst einmal unbedingt dieses Spiel gewinnen, damit die Unruhe nicht noch größer wird.
Im DFB-Pokal hat man nichts zu verlieren. In der Liga und im bayerischen Totopokal schon. Was müsste in den nächsten Monaten passieren, damit es für Sie eine erfolgreiche Saison war?
Klaus: Wir müssen uns weiter entwickeln. Aber zuerst müssen wir durch die Phase, nicht hundertprozentig spritzig zu sein wegen der Ausfälle und der Belastung. Vielleicht müssen wir mehr auf Ergebnis und weniger offensiv spielen. Auch daraus können wir lernen – wie man mitunter aus negativen Geschichten mehr lernt, denn aus positiven. Und wir müssen auch die Fans wieder ins Boot nehmen.
„Wir sind nicht so weit weg vom bezahlten Fußball. Wir kommen da in den nächsten ein, zwei Jahren hin.“
FC-05-Trainer Gerd Klaus