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Steilpass: Mit 45 noch Fußballer in der Kreisliga: Murat Akgün schiebt es auf die Gene – und auf einen Ex-Trainer

Steilpass

Mit 45 noch Fußballer in der Kreisliga: Murat Akgün schiebt es auf die Gene – und auf einen Ex-Trainer

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    Murat Akgün ist Trainer von Türkiyemspor Schweinfurt. Selbst war er lange Jahre für die FT Schweinfurt aktiv.
    Murat Akgün ist Trainer von Türkiyemspor Schweinfurt. Selbst war er lange Jahre für die FT Schweinfurt aktiv. Foto: Daniel Rathgeber

    Murat Akgün ist das prägende Gesicht des türkischen Fußballs in Schweinfurt. Als Gastarbeiterkind kam er hier zur Welt. Die längste Zeit seiner Laufbahn verbrachte Akgün allerdings nicht bei einem türkischen Klub. Im Interview spricht der 45-jährige Spielertrainer über eine historische Chance für Türkiyemspor Schweinfurt, den Einfluss des islamischen Fastenmonats auf die Mannschaft und seinen Wunsch nach mehr deutschen Spielern im Verein.

    Wer hat Sie angespielt?

    Murat Akgün: Michael Dellinger, der Stürmer des TSV Aubstadt. Trotz des Altersunterschieds von 15 Jahren liegen wir auf derselben Wellenlänge. Ich bin wie sein großer Bruder. Durch die Arbeit sehen wir uns acht Stunden am Tag, machen zusammen Mittagspause und treffen uns auch privat. Fußball ist unser Gesprächsthema Nummer 1. Bis auf den Freizeitkick mit den Arbeitskollegen haben wir noch nie gegeneinander gespielt. Während des Corona-Lockdowns war ich sein Fitnesstrainer.

    Wie war Ihr Laufweg?

    Akgün: Die längste Zeit, inklusive der Jugend, war ich bei der FT Schweinfurt und habe unter meinem Förderer Ernst Gehling in der Landesliga gespielt. Mein Herzensverein ist Türkiyemspor Schweinfurt, dem ich seit der Gründung 2012 als Spieler oder wie derzeit als Spielertrainer und Abteilungsleiter verbunden bin. Ich war schon für den Vorgängerverein Hilalspor Schweinfurt im Einsatz. Außerdem habe ich einige Jahre beim TSV Bergrheinfeld gespielt. Kurze Abstecher gab es zum FC Frickendorf, FC Sand und zu Türkgücü Schweinfurt. Parallel zur Tätigkeit für Türkiyemspor war ich knapp zehn Jahre Jugendtrainer beim FC 05 Schweinfurt, solange meine Söhne dort aktiv waren. Derzeit bin ich noch Stützpunkttrainer in der Talentförderung des Bayerischen Fußball-Verbands.

    Können Sie sich nach so langer Zeit bei Türkiyemspor vorstellen, einen anderen Verein zu trainieren?

    Akgün: Ich bin dafür offen, muss aber sagen, dass Türkiyemspor mir die Freiheit gibt, die Karriere meiner beiden Söhne zu begleiten. Ob das bei anderen Vereinen auch möglich wäre, weiß ich nicht. Mein älterer Sohn Esad ist 16 und spielt im Nachwuchsleistungszentrum des 1. FC Nürnberg. Da will ich so oft wie möglich dabei sein. Letzten Herbst wurde er zur türkischen Juniorennationalmannschaft nach Istanbul eingeladen und absolvierte seine ersten Spiele. Dieses Erlebnis wollte ich mir nicht entgehen lassen.

    Ein stolzer Vater und seine beiden Söhne: Vater Murat Akgün (Mitte) und sein 13 Jahre alter Sohn Elyasa (links), der bei der FT Schweinfurt in der Jugend spielt und der 16 Jahre alte Esad (rechts), der beim 1. FC Nürnberg spielt.
    Ein stolzer Vater und seine beiden Söhne: Vater Murat Akgün (Mitte) und sein 13 Jahre alter Sohn Elyasa (links), der bei der FT Schweinfurt in der Jugend spielt und der 16 Jahre alte Esad (rechts), der beim 1. FC Nürnberg spielt. Foto: Steffen Krapf

    Mit 45 Jahren spielen Sie selbst noch in der Kreisliga. Können Sie nicht loslassen?

    Akgün: Das Alter ist nur eine Zahl. Ich war nie groß verletzt und mache weiter, solange ich fit bin. Das liegt wohl an meinen Genen. Ich selbst trainiere sehr wenig. Vielleicht zehre ich auch von den Einheiten bei Ernst Gehling. Als ehemaliger Landesliga-Akteur kann ich in der Kreisliga ohne Weiteres mithalten. Ich stelle mich aber nur auf, wenn wir einen personellen Engpass haben. Sonst beschränke ich mich auf unsere zweite oder dritte Mannschaft. Ich bin Allrounder und habe im Laufe der Zeit vorne wie hinten gespielt.

    Ihr Team zählt in der Kreisliga zum Kreis der Favoriten und hält als Tabellendritter Kontakt zur Spitze. Wie groß ist Ihre Sehnsucht nach dem Aufstieg?

    Akgün: Wir wollen zielstrebig in die Bezirksliga, setzen uns aber nicht unter Druck. Die Qualität im Team ist vorhanden, genauso wie das Potenzial für die Zukunft durch unseren Nachwuchs. Wir können Geschichte schreiben. Es gab noch keine türkische Mannschaft aus Schweinfurt in der Bezirksliga. Akteure wie Emir Bas, der beim FC 05 und FC Ingolstadt ausgebildet wurde, sowie Mert Topuz, der beim TSV Forst, FC Sand, TSV Großbardorf und FC 05 gespielt hat, sind ein Gewinn für uns. Das färbt auf unsere Eigengewächse ab. Wir haben die beste Abwehr und den erfolgreichsten Sturm der Liga. Burhan Bayat, Emir Bas und Aiman Chibani kommen zusammen auf 41 von 54 Toren.

    "Was wir anbieten, haben nicht mal manche Landesligisten."

    Murat Akgün

    Türkiyemspor ist ein eigenständiger Verein ohne Spielgemeinschaft und mit drei Männermannschaften im Ligabetrieb. Woher kommt dieser Zulauf an Fußballern?

    Akgün: Als niederklassiger Verein locken wir Spieler zu uns, ohne Geld zu zahlen. Wir haben einen Fitnessraum eingerichtet und die Kabinen neugestaltet. Es gibt einheitliche Trainingskleidung und einen Wäscheservice, damit die Spieler ihre Klamotten nicht selbst waschen müssen. Was wir anbieten, haben nicht mal manche Landesligisten. Außerdem ist immer was los in unserem Vereinsheim, das wir 2012 aus der Insolvenzmasse des VfR Schweinfurt übernommen und renoviert haben. Nach dem Training bleiben viele sitzen. Wir schauen Fußball im Fernsehen, spielen Karten, haben eine Spielkonsole und eine Tischtennisplatte. Bei uns herrscht ein großer Zusammenhalt.

    Liegt die Philosophie des Vereins darin, die sportliche Heimat für türkischstämmige Spieler aus Schweinfurt zu sein?

    Akgün: Nicht nur. Wir sind für alle Nationalitäten offen. Ich würde mir wünschen, dass mehr deutsche Spieler zu uns wechseln, auch in der Jugend. Mancher traut sich vielleicht nicht, aber dafür gibt es keinen Grund. Bei uns hat sich einiges verbessert. Auf dem Platz wird Deutsch gesprochen. Das gehört für uns zur Integration. Ich kann mir vorstellen, dass wir mit dem Aufstieg in die Bezirksliga für einige interessant werden. Inzwischen haben sich uns ausländische Studenten angeschlossen. Das hat sich an der Hochschule in Schweinfurt herumgesprochen.

    Täuscht es oder trifft es zu, dass türkische Spieler emotionaler als andere bei der Sache sind?

    Akgün: Ja, das sieht man auch an mir. Ich bin immer für eine Karte wegen Meckerns gut. Wir Türken sind beim Fußball sehr hitzig und überreagieren schon mal, wenn wir uns durch den Schiedsrichter benachteiligt fühlen oder uns mit Gegnern und Zuschauern anlegen. Das liegt uns im Blut, das ist unsere Mentalität und schwer in den Griff zu bekommen. Ich predige immer wieder, dass wir uns nicht provozieren lassen und ruhig bleiben, egal was passiert. Das wollen wir verbessern, aber es ist schwer, diesen Ruf wieder loszuwerden.

    Der islamische Fastenmonat Ramadan, der in diesem Jahr in den März und April fällt, verpflichtet Muslime, am Tag auf Essen und Trinken zu verzichten. Hat das Auswirkungen auf die Leistung Ihrer Spieler?

    Akgün: Das Fasten geht während des Spiels an die körperliche Substanz. Es fehlen die Kraft und die Konzentration nach zehn Stunden ohne Flüssigkeit und Nahrung, vor allem ab der zweiten Woche. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Nach einer Stunde Spielzeit sehne ich den Abpfiff herbei. Letztes Jahr haben wir während des Ramadans kein Spiel gewonnen, weil viele von uns gefastet haben. Ich werde mit der Mannschaft sprechen, ob wir das Training um eine Stunde vorverlegen, damit alle rechtzeitig essen können.

    August ist traditionell der Monat, in dem Ihnen die halbe Mannschaft fehlt, weil sich die Spieler vier Wochen im Türkei-Urlaub befinden?

    Akgün: Mittlerweile verteilt sich der Heimaturlaub auch auf die anderen Sommermonate, so dass wir nicht maximal dezimiert sind. Allerdings sind die Spieler ohne wochenlanges Training nach ihrer Rückkehr nicht mehr so fit.

    "Auf dem Platz wird Deutsch gesprochen. Das gehört für uns zur Integration."

    Murat Akgün

    Was macht die Karriere neben der Karriere?

    Akgün: Ich arbeite seit meiner Ausbildung zum Industriemechaniker bei ZF in Schweinfurt. Das werden jetzt 30 Jahre. Heute bin ich nicht mehr in der Endmontage von Stoßdämpfern tätig, sondern als Facharbeiter im Musterbau für die Elektromobilität.

    Wen spielen Sie an?

    Akgün: Meinen Landsmann Suat Tuncer, mit dem ich seit der Jugend intensiven Kontakt pflege. Er war bei seinem Heimatverein TSV Gochsheim Stürmer in der Bezirksliga und Bezirksoberliga. Suat ist als Scout für Profivereine wie den FC Ingolstadt, Karlsruher SC und VfB Stuttgart unterwegs und hält Ausschau nach Talenten. Einige Juniorenspieler aus Schweinfurt hat er bereits in Bundesliga-Leistungszentren vermittelt.

    Das Interview-Format "Steilpass"In unserem Interview-Format "Steilpass" übernehmen die Interviewten die Regie. Am Ende des Gespräches dürfen sie entscheiden, wer als Nächstes an der Reihe ist, von uns befragt zu werden – sie spielen also den nächsten Protagonisten oder die nächste Protagonistin an.Quelle: cam

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