Mit 18 Jahren hat Benjamin Freund seinen ersten Fußball-Trainerschein gemacht. Inzwischen ist er Inhaber der A-Lizenz und nach einer langen Verletzungspause wieder erfolgreich als torgefährlicher Mittelfeldspieler für seinen Herzensverein FT Schweinfurt am Ball. Unter seiner Regie ist die zweite Mannschaft in kurzer Zeit von der Kreisklasse bis in die Bezirksliga aufgestiegen. Im Interview erzählt der 35-Jährige aus Oberwerrn seine Geschichte.
Frage: Wer hat Sie angespielt?
Benjamin Freund: Durch die Freundschaft unserer Familien kenne ich Patrick Helfrich, seit er ein kleiner Junge war. Bevor er bei der FT Schweinfurt mein Mitspieler wurde, war ich sein Jugendtrainer gewesen. Auch wenn sich unsere sportlichen Wege getrennt haben und er jetzt wieder für den FV Niederwerrn/Oberwerrn spielt, verliert man in einem Dorf wie Oberwerrn nicht den Kontakt. Dieses Jahr waren wir zum Junggesellenabschied eines Freundes auf Mallorca.
Wie war Ihr Laufweg?
Freund: Durch meine lange Vereinszugehörigkeit bin ich ein Urgestein der FT Schweinfurt: früher als Mittelfeldspieler in der ersten Mannschaft, jetzt als Spielertrainer in der zweiten. Allerdings kam ich erst mit 19 Jahren an die Maibacher Höhe, weil ich zuvor beim FC Westheim, SV Oberwerrn und FC Schweinfurt 05 gewesen war und nach der Jugend zunächst für den FC Bad Kissingen gespielt hatte.

Was bedeutet es für Sie, bei der FT Schweinfurt zu sein?
Freund: Hier werden Werte gelebt – Tradition, Respekt, Gemeinschaft, Toleranz. Fußball ist das Eine. Wir haben auch eine gesellschaftliche Verantwortung, vor allem ich als Trainer, der diese Werte weitergibt. Mit einem Klub, der in den Tag hineinlebt, würde ich mir schwertun. Ich hatte immer ein Gespür dafür, wenn es Anfragen für einen Vereinswechsel gab. Was bringt es mir, wenn ich Titel für Titel gesammelt hätte? Bei der FTS habe ich Freunde fürs Leben gefunden.
Das klingt sehr sozialromantisch.
Freund: Ich bin einer der Ehrgeizigsten überhaupt und tue alles, um zu gewinnen. Aber ich will nie den Respekt vor dem Gegner verlieren und immer fair spielen. Das ist mir viel mehr wert. Und ich mag die Rolle des Underdogs. Das war schon früher auf dem Bolzplatz so, als ich lieber mit den Schwächeren in einer Mannschaft war. Ein Erfolg hatte dann eine viel größere Bedeutung.
Ihr Lebenslauf im Vereinsfußball weist die ein oder andere Lücke auf. Wie kommt’s?
Freund: Während des Studiums war ich ein halbes Jahr in Brasilien. Der Abstand tat gut, um mich neu zu orientieren. Nach der Rückkehr bin ich von der FTS zum TSV Großbardorf gewechselt. Eine schwere Verletzung hat dazu geführt, dass ich meinen Vertrag nach einem Jahr aufgelöst habe. Um den Kopf freizubekommen, bin ich danach drei Monate durch Südamerika gereist. Durch meine Kniebeschwerden konnte ich fünf Jahre nicht spielen. Als ich zwischendurch eine Saison den TSV Unterpleichfeld trainiert und anfangs die Reserve der Freien Turner übernommen hatte, war es nicht vorstellbar, dass ich noch mal gegen den Ball treten kann.

Wie haben Sie die Zwangspause empfunden?
Freund: Es war eine schlimme Zeit, in der mir etwas gefehlt hat. Ich will nicht sagen, dass der Fußball mein Lebenselixier ist. Aber es ist ein Privileg, einer Sache mit Leidenschaft nachgehen zu können und meine Gedanken und mein Herzblut hineinzustecken. Das Tragische ist, es waren als Fußballer meine besten Jahre zwischen 26 und 31, die ich versäumt habe. In meinem letzten Spiel vor der Verletzung hat uns mit Großbardorf nur ein Tor gefehlt, um in die Regionalliga aufzusteigen.
Umso erstaunlicher ist, dass Sie wieder auf die Beine gekommen sind.
Freund: Anfangs war ich zu ungeduldig. Später habe ich es nicht mehr zwanghaft versucht. Das hat sich entwickelt und länger gedauert als gedacht. Im Training habe ich plötzlich gemerkt, dass es wieder funktioniert und meine Knie nicht mehr anschwellen. Das war eine unerwartete Wendung, die meinen Ehrgeiz geweckt hat. Seitdem stehe ich dauerhaft auf dem Feld, um meinem Team zu helfen, zur Not auch in der ersten Mannschaft. Der Körper musste sich daran wieder gewöhnen. Ich wurde dreimal operiert und habe Probleme mit der Beweglichkeit, bin aber auch nach Belastungen völlig schmerzfrei. Ich habe Lebensqualität zurückgewonnen.
"Manchmal würde ich mir wünschen, dass ich auf dem Fußballplatz meine Emotionen besser unter Kontrolle hätte."
Benjamin Freund
Der Ehrgeiz trägt Sie durch Ihr Leben. Patrick Helfrich hat verraten, Sie hätten als Kind beim Kartenspielen geschummelt.
Freund: Ich kann mich nicht mehr erinnern. Auszuschließen ist es nicht, weil ich ungern verliere. Heutzutage mache ich das beim Schafkopf nicht mehr. Manchmal würde ich mir jedoch wünschen, dass ich auf dem Fußballplatz meine Emotionen besser unter Kontrolle hätte und in mancher Situation nicht über das Ziel hinausschießen würde.
Welche Erfahrungen haben Sie bei Ihrem Auslandssemester in Brasilien gemacht?
Freund: Ich habe in einer offiziellen Kleinfeldliga gespielt. Dadurch war es einfach, sich zu integrieren und Freunde zu finden, auch ohne große Sprachkenntnisse. Mit Fußball in Brasilien verbindet man Schönspielerei. Was mich vielmehr beeindruckt hat, war die Begeisterung, mit der die Einheimischen spielen. Jeder Zweikampf wird wie ein Torerfolg gefeiert. In dieser prägenden Zeit habe ich viel gelernt, auch über mich selbst, und einiges fürs Leben mitgenommen: wie gut es uns in Deutschland geht, wie wenig die Menschen in Südamerika haben und wie glücklich sie trotzdem sind, ohne sich zu beschweren.
Was macht die Karriere neben der Karriere?
Freund: Ich habe in Bayreuth Sportökonomie studiert und bin beim Bayerischen Turnverband angestellt als Abteilungsleiter für Marketing, Kommunikation und Events. In diesem Zusammenhang war ich Organisator und Geschäftsführer des Landesturnfests, das 2019 in Schweinfurt und 2023 in Regensburg stattgefunden hat. Es macht riesigen Spaß, mit zwei Jahren Vorlaufzeit die größte Breitensportveranstaltung Bayerns mit einem breiten Rahmenprogramm auf die Beine zu stellen, damit mehr als 8000 Menschen aller Altersklassen ihrem Hobby nachgehen und mehrere Tage an einem Ort Sport treiben können.

Hilft Ihnen Ihr Studium als Fußballtrainer?
Freund: Es hat mir die sportwissenschaftlichen Grundlagen vermittelt, garantiert aber nicht die richtige Anwendung in der Praxis. Ich glaube nicht, dass jemand ein guter Trainer ist, nur weil er Trainerscheine hat. Genauso ist es mit einem Sportstudium. Ich stehe auf Trainingstrends und probiere gerne Neues aus, etwa bei den Trainingsformen. Aber ich bin kein Laptop-Trainer und sehe mich als einen der älteren Schule. Das mag daran liegen, dass ich als Spieler autoritäre Trainer wie meinen Vater Thomas Freund und Ernst Gehling hatte, von denen ich mir einiges abgeschaut habe.
Der Vater als Trainer – sorgt das für Konflikte in der Familie?
Freund: Das ist eine Konstellation, die nicht immer harmonisch ist. Das musste meine Mutter feststellen, wenn sie als Schlichterin zwischen die Fronten geraten ist. Gelegentlich sind die Fetzen geflogen, weil wir unterschiedliche Ansichten zum Spiel hatten oder wenn er mich kritisiert hat. Ich konnte den Trainer ja nicht hinter mir lassen, wenn ich nach Hause gegangen bin, weil er am Esstisch saß. Ich muss allerdings zugeben, dass ich es meinem Vater nicht leicht gemacht habe. Als Trainer würde ich heute ähnlich reagieren wie er damals.
Wen spielen Sie an?
Freund: Ich feiere solche Geschichten wie die von Wolfgang Hau, der in dieser Saison erneut als Trainer beim TSV Bergrheinfeld eingestiegen ist und seitdem einen Sieg nach dem anderen einfährt. Das gönne ich ihm als Konkurrent in der Bezirksliga und erinnert mich an Jupp Heynckes beim FC Bayern München. Mit seiner Schweinfurter Fußballschule bringt er außerdem viele Kinder zum Sport. Eine Zeit lang habe ich ihn in den Camps als Trainer unterstützt.
Das Interview-Format "Steilpass"In unserem Interview-Format "Steilpass" übernehmen die Interviewten die Regie. Am Ende des Gespräches dürfen sie entscheiden, wer als Nächstes an der Reihe ist, von uns befragt zu werden – sie spielen also den nächsten Protagonisten oder die nächste Protagonistin an.cam
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