"Ein starkes Team" steht auf einem Plakat neben dem Tor am Gochsheimer Sportplatz. Gemeint sind zwar Sportheimwirt Niko Gerasimou und der TSV, es könnte aber auch für die besondere Beziehung zwischen dem Sportverein und seinem Langzeit-Coach Stefan Riegler stehen.
"Seit 20 Jahren bin ich jetzt im Verein", sagt der 38-jährige, "damals als Spieler vom FC 05 Schweinfurt gekommen. Heute habe ich für jede Tür einen Schlüssel." Und es gibt nicht wenige, die sich fragen, ob Riegler nicht eigentlich auf dem topgepflegten Sportgelände wohnt und nicht in seinem Neubau am Ortsrand. "Vergangenes Jahr hatte ich Montag und Mittwoch Training mit der U 17, in der mein Sohn spielt, Dienstag und Donnerstag die Einheiten mit der ersten Mannschaft, Freitag das Spiel mit der U 17, Samstag die Partie mit den Alten Herren und am Sonntag das Punktspiel mit der 'Gochsheimer Eins'." Heuer sei es nicht mehr ganz so extrem, "da haben wir die U 17 vor das Training mit der ersten Mannschaft am Dienstag und Donnerstag legen können."
So gibt es also nun zwei Tage in der Woche, an denen Riegler mal - zumindest nicht offiziell - beim TSV zu finden ist, sondern bei der Familie. Also wenn nicht die Arbeit dazwischenkommt, denn der frühere Nullfünfer arbeitet im Schichtbetrieb in der Schweinfurter Großindustrie. "Wobei ich wegen Fußball keine zweite Schicht mache. Meist arbeite ich nachts, das liegt mir am besten." Ohnehin hat Riegler klare Prioritäten: "Familie, Arbeit und Fußball - genau in der Reihenfolge."
Ein Klub als Familie
Wie gut nur, dass seine eigene Familie absolut sportbegeistert ist und die Passion des Papas unterstützt. "Da bin ich so dankbar, denn ohne diesen Rückhalt würde es nicht gehen." Und wie gut auch, dass Riegler den TSV ebenfalls als Familie ansieht. Ein Wort, das in Gochsheim ganz groß geschrieben wird. "Wir sind ein absoluter Familienverein hier", sagt er. "Wir haben alle eine ganz enge Bindung - Sportler, Nachwuchs, Funktionäre, Platzwart oder Fans."
Dass er den Stuhl vor die Tür gestellt bekommen könnte, wenn es mal nicht laufen sollte, kann er sich nicht vorstellen. "Wenn ich merke, dass ich die Mannschaft nicht mehr erreiche, dann gehe ich von selbst. Dazu liegt mir der Verein viel zu sehr am Herzen."
Dieses Familiengefühl wird es auch brauchen, denn nach dem Aufstieg in die Fußball-Landesliga Nordwest ist Gochsheim der Underdog. "Nur gemeinsam schaffen wir das", glaubt der Coach. "Bei uns bekommt keiner Geld. Also muss es Spaß machen. Wenn wir vollzählig sind, dann haben wir schon die Qualität, die Klasse zu halten. Und wenn es nicht klappt, dann wollen wir wenigstens Spaß haben." Eines stellt Riegler aber klar: "So gut wir uns auch verstehen, die letzte Entscheidung fälle ich. Auch wenn eine Entscheidung vielleicht mal jemanden enttäuscht: Das ist rein sportlich und nicht persönlich."
"Wenn ich merke, dass ich die Mannschaft nicht mehr erreiche, dann gehe ich von selbst. Dazu liegt mir der Verein viel zu sehr am Herzen."
Trainer Stefan Riegler über seine Bindung zum Neu-Landesligisten TSV Gochsheim
Und so fiebert die Gochsheimer Fußballfamilie samt ihres "Oberhaupts" also dem Heim-Derby gegen die FT Schweinfurt am Sonntag (15 Uhr) entgegen. Es ist das erste Landesliga-Match für den TSV seit 50 Jahren. "Natürlich wird uns die Unterstützung unserer Fans helfen", sagt Riegler. Braucht es auch, denn die Schweinfurter sind natürlich Favorit.
"Das sind Mentalitätsmonster", glaubt der TSV-Trainer. "Sie sind vielleicht nicht die spielerisch beste Mannschaft der Liga, aber zusammengeschweißt wie keine andere Truppe. Für mich gehören sie zu den Teams, die ich ganz oben erwarte." Und noch einen Vorteil hätte die FTS: "Dominik Popp. Das ist ein Unterschiedsspieler. Denn kann man ähnlich wie einen Robert Lewandowski nie ganz ausschalten. Trotzdem haben wir uns was überlegt und hoffen die Turner überraschen zu können. Wir wollen ihnen einen heißen Tanz bieten."
Die Turner wollen nicht der Favorit sein
Das Wort "Favorit" hört der Schweinfurter Coach Adrian Gahn gar nicht gerne. "Das ist ein Derby, das ist, wie wenn Dortmund bei Schalke spielt, da ist der Tabellenstand völlig egal." Zumal die Stimmung an der Maibacher Höh' getrübt ist. Was schon befürchtet wurde, hat sich bestätigt: Kapitän Yannik Saal hat sich gegen Ebersdorf seinen dritten Kreuzbandriss zugezogen.
"Ein schwerer Schlag für ihn und die ganze Mannschaft", so Gahn. So könnte es der FTS zupasskommen, dass mit Daniel Meusel und Ex-Turner Yannick Sprenger die beiden Gochsheimer Hauptangreifer ausfallen werden. "Mit Marcial Weisensel, der ja auch mal bei uns war, haben sie aber einen weiteren sehr guten Stürmer", so Gahn. "Alles in allem wird das bestimmt so ein Spiel, wegen dem man weiß, weshalb man Fußball spielt."