Freddie Mercury und Günther Koch? "Ja, spinnst du", würde Koch sagen. Und hinterherschieben: "Hey, des g'foit mer." Ausgeschlossen ist es ja nicht, dass der Queen-Sänger zu seiner Münchner Zeit in den noch heute so glorifizierten 80er Jahren den Koch im Bayerischen Rundfunk gehört hat, wie dieser beim Fußball nicht nur ein Spiel, sondern auch seine Seele übertragen hat. Generationen von Fans fieberten am Samstagnachmittag mit. Beim Autowaschen. Beim Kehren. Beim Werkeln. Sie hofften. Sie bangten. Sie beteten. Und dann schrie er, der Koch: "Tor. Tor. Toooooaar!"
All we hear is Radio gaga!

"Radio ist unerreicht", sagt Günther Koch. Die Medien haben sich gewandelt. Fundamental. Digitalisierung lässt die Grenzen verschwimmen. "Aber Radio ist Radio." Kaum einer hat als Fußball-Radioreporter hierzulande solche Spuren hinterlassen wie Koch, der Realschullehrer für Englisch und Religion, bei dem am Wochenende stets Fußball auf dem Stundenplan stand. "Ich wollte immer Lehrer oder Reporter werden", hat er einmal gesagt, "und dann wurde ich beides".
Und immer hat Koch den Club in die Hölle begleitet
Am kommenden Montag wird Günther Koch 80 Jahre alt, aber in Nürnberg-Langwasser wird es "keine große Feier geben". Sicher werden die beiden Töchter Dorothea und Martina zu Besuch kommen, und sicher wird er ein wenig zurückblicken auf sein erfülltes Leben, das schon. Schließlich ist gerade seine Biographie erschienen: "Wir melden uns vom Abgrund." Ein treffender Titel, denn das Reporterleben von Günther Koch war ja nicht geprägt von den großen Triumphen, sondern von krachenden, von unmöglichen Niederlagen.
Klar, der Mann mit dem markant-breiten Scheitel und dem grauen Dreitagebart übertrug viele Jahre auch die Champions-League-Spiele des FC Bayern München. Und doch stand der Name Günther Koch Jahrzehnte lang als Synonym für den 1. FC Nürnberg. Für jenen Verein, der keine Möglichkeit des Scheiterns ausgelassen hat.

Und immer hat Koch den Club in die Hölle begleitet mit seinem unvergleichlichen Stil. Manchmal kamen seine Worte wie getragen auf einem ruhigen Fluss, dann, wenn die Dramatik nicht mehr auszuhalten war, folgte sein Stakkato. Seine Stimme hat Bilder gemalt. Wer an Nürnbergs Nackenschläge denkt, hat Koch im Ohr: "Hier ist der 1. FC Wackelknie." "Hallo, hier ist Nürnberg. Wir melden uns vom Abgrund." "Ade, liebe Freunde. Es ist nicht zu fassen."
Manchmal hat Günther Jauch Kochs Beiträge geschnitten
Koch konnte sich stets auf seine virtuose Sprache verlassen und wurde so zu einer Marke. Als er 1977 mit ersten Radiobeiträgen für den Sport im Hörfunk begann, führte ihn der Weg oft nach Großwallstadt zum Handball, nach Schweinfurt zum Faustball oder ins Würzburger Frauenlandbad zum Wasserball. Und manchmal saß dann im Münchner Studio ein junger Mann, der die Beiträge zurechtschneiden musste und der den aufgeregten neuen, aber älteren Kollegen beruhigte: "Herr Koch, das war wieder super." Sein Name: Günther Jauch. Auch seine journalistische Karriere begann 1977 beim BR.

Der damalige Sportchef Fritz Hausmann erkannte und förderte das Talent Kochs. Der Lehrer wurde die Stimme Frankens in der Fußball-Bundesliga und der Kultsendung "Heute im Stadion". Günther Koch liebt Fußball. "Der Ball, dieser Hundskerl, der verreckte. Einmal geht er aus drei Metern nicht ins Tor und dann fliegt er aus 30 Metern in den Winkel. Ist doch Wahnsinn." Und dann summt er ein "Oaaah" oder "Aaahh" oder schreit ein "Hey!" – und hat damit Zeit gewonnen und die nächste Anekdote ist parat über den Ex-Cluberer Reiner Wirsching, den Hoeneß oder den Maradona.
Günther Koch ist kein einfach Charakter: Unbequem. Direkt.
Viele davon stehen im Buch von Jürgen Roth, das ein wenig kompliziert zu lesen ist, weil die Sätze lang und verschlungen sind. Koch-Sätze dagegen sind klar, kurz, und wer sie aufschreiben will, der braucht einen ordentlichen Vorrat an Apostrophen: Im Dialekt des Franken, der in Oberbayern aufgewachsen ist, werden die Vokale gerne verschluckt. Die 330 Seiten sind jedenfalls, ja, was eigentlich? Eine Mischung aus Biografie, Interviews, Auszügen aus Radioreportagen und Zitaten. Ein Sammelsurium.

Es gab durchaus Brüche in seinem Leben. Koch ist kein einfacher Charakter. Unbequem. Direkt. Arrogant. So beschreibt er sich auch selbst. Aber immer ehrlich. "Grad raus" halt, so wie der Orden heißt, den ihm 2007 die Faschingsgilde Würzburg-Versbach verliehen hat für sein freches Mundwerk. "Ich bin einer, der sich allen Kategorien entzieht", sagt Koch.
Nur einmal hat er zurückgezogen, 2003 war das. Günther Koch, SPD-Mitglied und noch heute in der Partei aktiv, war für die Genossen in den Landtagswahlkampf gezogen und hatte mit einem sagenhaften Stimmergebnis den Einzug ins Maximilianeum über die Liste geschafft.

Doch die Mehrheit im CSU-dominierten Rundfunkrat beschloss damals: Mikrofon oder Parlament. Koch musste sich entscheiden. "Ich hatte nie für möglich gehalten, dass sie mir verbieten, Sportreporter zu sein." Eine Sauerei sei das gewesen, sagt er, "defacto ein Berufsverbot".
Auch mit 80 Jahren kickt Günther Koch noch
2007 übertrug Günther Koch noch das Pokalfinale zwischen dem 1. FC Nürnberg und dem VfB Stuttgart, dann war Schluss. Dass ausgerechnet der Club die goldene Trophäe gewann, ist eine wunderbare Ironie. Am Ende war er dann doch noch irgendwie zu einer Art Nürnberger Meistersinger geworden.
Untätig ist Koch seither nie geblieben. Er kickt noch in der Montagsrunde der Nürnberger Presse, macht Führungen im Club-Museum und am Deportationsbahnhof in Langwasser, er spricht Hörbücher – und ab und an, wenn es besondere Spiele sind und es ihn juckt, dann sitzt Günther Koch beim Nürnberger Fanradio am Mikrophon. Radio gaga. Auf ewig.
Buch-Tipp: Jürgen Roth, "Wir melden uns vom Abgrund, Günther Koch - Ein Leben als Sportreporter", 330 Seiten, Kunstmann-Verlag, 24 Euro.