Auf der einen Seite: die vielen Eltern. Die ihren Kindern Fußballspielen auf hohem Niveau ermöglichen wollten. Die vielleicht auch die Hoffnung hatten, dass es der eigene Sohn zum Profi schafft. Auf der anderen Seite: das ehrgeizige Führungsduo des Jugendfußballvereins TV Würzburg. Der Umgangston: für manche unangemessen, für manche nicht. "Jedes Kind ist anders", sagt ein Vater. "Eins ist von einem rauen Ton direkt eingeschüchtert, ein anderes steckt das besser weg."
Doch ab wann ist rau zu rau?
Für die Familien von zumindest einigen Kindern war der Umgangston beim TV Würzburg nicht mehr tolerierbar. 38 Kinder verließen den Verein gegen Ende vergangenen Jahres. Die Eltern machen dem Sportlichen Leiter und der Pädagogischen Leiterin, Maximilian Stumpf und seiner Partnerin Veronica Relich, Vorwürfe.
Gespräche mit Eltern und früheren Trainern des TV Würzburg
Über diese Vorwürfe und die Austritte hat diese Redaktion mit Eltern von ehemaligen Spielern und mit früheren Trainern des Vereins gesprochen. Auch Eltern von aktuellen Spielern hatten die Möglichkeit, sich zu äußern, ebenso die Vereinsverantwortlichen. Begleitet wurden diese Recherchen von Androhungen rechtlicher Schritte gegen die Redakteure und dieses Medienhaus, sollten "Hetze" und "Falschaussagen" veröffentlicht werden.

Sportlich, darüber sind sich alle einig, ist der erst 2022 gegründete Verein erfolgreich. Gewonnene Meisterschaften und Pokale im Jugendbereich des Klubs, der zeitweise schon mit dem TV 73 Würzburg und dem TSV Repperndorf zusammenarbeitete, belegen dies. Im Sommer 2024 wechselten aus den Altersklassen U11 bis U13 vom TV drei Fußballer in die Nachwuchsabteilung der TSG Hoffenheim, zwei zu Eintracht Frankfurt und ein Jugendlicher ging zum FSV Frankfurt.
"Kinder sind von Reisen teilweise total verstört wiedergekommen."
Mutter eines früheren Spielers des TV Würzburg
Am Talentsichtungstag der Hoffenheimer, den ihr Kooperationsverein TV Würzburg im Kitzinger Ortsteil Hohenfeld austrug, präsentierte sich der TV von seiner guten Seite. Für viele Eltern ist der Verein die aussichtsreichste Option, ihr fußballerisch talentiertes Kind in das Nachwuchsleistungszentrum eines ambitionierten Profi-Vereins zu bringen. Sie halten fest zu den Verantwortlichen.
Eltern: "Wir wollen mit solchen Menschen nichts mehr zu tun haben"
Warum aber haben die 38 jungen Spieler – und dazu fünf Trainer – den Verein auf einmal verlassen? Anfangs, sagen viele Eltern, seien sie vom Konzept – "Förderung statt Selektion" – überzeugt gewesen. Jetzt berichten sie, dass Kinder "von Reisen teilweise total verstört wiedergekommen" seien. In ihren Schilderungen fallen Sätze wie: "Ich hätte meinen Sohn auf keinen Fall mit denen wegfahren lassen." Oder auch: "Wir wollen mit solchen Menschen nichts mehr zu tun haben."
Zwei Beispiele, die dieser Redaktion von mehreren Zeugen unabhängig voneinander geschildert wurden, verdeutlichen, was die Eltern mit ihren Aussagen meinen.
Streit zwischen Veronica Relich und einer Mutter bei einem Spiel
Am 24. August 2024 spielten in Kitzingen die U12-Junioren des TV Würzburg-Repperndorf gegen eine Nachwuchsmannschaft des 1. FC Heidenheim II. Im Laufe des Spiels bekam ein Würzburger Spieler gesundheitliche Probleme. Mehrere Mütter griffen ein, eine von ihnen geriet in Streit mit der Pädagogischen Leiterin Veronica Relich.
Das hatte offenbar Folgen: Die Mutter berichtet, ihrem Mann und ihr sei zwei Wochen später von den Verantwortlichen des TV wegen des Streits ein zweiwöchiges Platzverbot für Trainings und Spiele erteilt worden.
Stumpf und Relich bestätigen dieses Verbot. Sie teilen über eine Anwältin mit, dass die gesperrte Mutter "durch ihre übermäßig aufgeregte Einmischung" den angeschlagenen Jungen "erneut zum Hyperventilieren gebracht und seinen gesundheitlichen Zustand dadurch verschlechtert" habe. "Dieser Sachverhalt wurde der Mutter [...] auch mitgeteilt, sodass das zweiwöchige Anwesenheitsverbot der Eltern [...] durchaus sachgerecht war."
Familie berichtet: Sohn wurde bei Spielen nicht mehr eingesetzt
Doch damit war der Vorfall offenbar noch nicht abgehakt. Die Mutter berichtet, auch ihr Sohn, der mit der ganzen Situation nichts zu tun hatte, sei wegen des Streits mit Relich bestraft worden. Auch andere Eltern und Trainer sagen, dass der Junge nicht mehr habe spielen dürfen. Maximilian Stumpf habe darauf gedrängt, ihn nicht mehr einzusetzen. "Das war das Schlimmste für meinen Sohn", sagt die betroffene Mutter. "Dass er nicht wusste, warum er nicht spielen darf."
Stumpf und Relich teilen dazu mit: "In diesem Fall haben die Trainer im gemeinsamen Einvernehmen entschieden, den betreffenden Spieler nicht aufzustellen. Dies war eine rein sportliche Entscheidung, die ausschließlich auf der Neuheit des Spielers und auf leistungsbezogenen Kriterien basierte und in keinerlei Zusammenhang mit dem Vorfall am 24. August steht."
"Mein Sohn hat mir am nächsten Morgen gesagt: 'Papa, wenn der mein Trainer wird, spiele ich dort nicht mehr.'"
Vater eines ehemaligen Spielers des TV Würzburg
Der junge Fußballer war laut Stumpf und Relich also neu und nicht gut genug. Im Konzept, mit dem der Verein wirbt und immer wieder Eltern überzeugt, heißt es: "Unsere Spielerinnen und Spieler kommen, um zu bleiben! Sie sollen und dürfen Fehler im Training sowie bei Wettbewerben machen. Nur dadurch können sie sich weiterentwickeln und verbessern." Doch auch beim TV Würzburg gibt es nur elf Plätze in der Startaufstellung.
Der Vater des Jungen berichtet, sein Sohn habe begonnen, schlafzuwandeln und dabei zu schreien. In der Schule sei er abgesackt. Er mache sich noch immer Vorwürfe, sein Kind nicht früher aus dem Verein genommen zu haben.
Kinder als "Schande für den Verein" bezeichnet?
Kurz nach dem Streit beim Spiel in Kitzingen ein weiterer Vorfall: Am 7. September 2024 soll Leiter Maximilian Stumpf, so berichten es mehrere Eltern übereinstimmend, Kinder während eines Mini-Trainingslagers angeschrien und sie als "Schande für den Verein" bezeichnet haben. Einige der Kinder hätten angefangen zu weinen und hätten getröstet werden müssen.
Auch gegen die Trainer soll sich die Kritik des Leiters gerichtet haben. Zu den Kindern soll Stumpf gesagt haben: "Wenn die zu schlecht sind, trainiere ich euch halt." Ein Vater berichtet, sein Sohn habe ihm am nächsten Morgen gesagt: "Papa, wenn der mein Trainer wird, spiele ich dort nicht mehr."
In der Stellungnahme von Stumpf und Relich heißt es dazu: "Kinder sind von Natur aus lebhaft, voller Energie und manchmal in der Gruppe auch übermütig, insbesondere in einer Mannschaftssportart wie Fußball, die von Dynamik und Emotionen lebt. Unsere Aufgabe ist es, eine gute Balance zwischen Spielfreude und Disziplin herzustellen. Dazu gehört es auch, in bestimmten Situationen ein klares, bestimmendes und manchmal eben auch lautes Wort zu sprechen – insbesondere, wenn der Geräuschpegel hoch ist und die Aufmerksamkeit der Gruppe wiederhergestellt werden muss."

Mit einem verlorenen Spiel habe diese Ansage – entgegen der Aussagen von Eltern und einem Trainer – nichts zu tun gehabt. "Sondern mit dem unangebrachten Verhalten der Kinder in der Halle. Eine herabwürdigende oder unangemessene Ansprache hat es jedoch zu keinem Zeitpunkt gegeben. Nach der Ansage haben alle Kinder im Übrigen mit den Trainern und auch Herrn Stumpf noch bis spät harmonisch zusammen am Lagerfeuer gesessen und Geschichten erzählt."
Dass alle zusammen am Lagerfeuer saßen, sei richtig, berichtet ein Junge. Allerdings hätten einige Kinder vorher wirklich geweint. Und zur Äußerung "Schande für den Verein" sagt ein Trainer, der bei dem Vorfall dabei war: "Den Wortlaut weiß ich nicht mehr zu 100 Prozent, aber das Gespräch ging in die Richtung." Der Übungsleiter bestätigt auch, dass mehrere Kinder geweint hätten und die Aussage gegen ihn gefallen sei.
Aussage eines Vaters: Sportleiter sehr direkt, aber nicht aggressiv
Es gibt auch eine gegenteilige Stimme. Der Vater eines aktuellen Spielers spricht von einem "guten Umgang" im Verein. Maximilian Stumpf sei "manchmal sehr direkt" mit seinem Feedback, aggressiv sei es aber nicht. Es gebe in jedem Klub Diskussionen und immer wieder verärgerte Eltern. Von ehemaligen Trainern seien Mütter und Väter aufgehetzt worden, sagt der Mann. Das sei der Grund für die Austritte.
Der Vater des Spielers kündigte im Gespräch mit der Redaktion an, die Kontaktdaten von Eltern zu schicken, die seine Version bestätigen könnten. Bis jetzt hat die Redaktion keine Kontakte erhalten.
Die Eltern der Spieler, die den Verein verließen, begründen ihre Entscheidung anders. Sie seien gegangen, als mehrere Trainer auf einmal aufgehört hätten. Am 18. November 2024 seien die Trainer aus den Whatsapp-Gruppen des Vereins entfernt worden, berichten Coaches und Eltern. Weil "wir das Training abgesagt haben und erst ein klärendes Gespräch haben wollten", sagen die Trainer selbst dazu.
Sie stimmen den Eltern zu, dass es nicht geduldet worden sei, Probleme anzusprechen oder Kritik zu äußern. Stumpf und Relich sagen dazu nur: "Das war keine Entscheidung von unserer Seite aus. Ein Teil der Trainer hat zu unserem Bedauern ihre Ämter zum 21.11.2024 niedergelegt."
Außerordentliche Kündigungen der Eltern abgelehnt
Für die Mütter und Väter war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Trainer seien wichtige Bezugspersonen für ihre Kinder gewesen, lautet einer der vielen Gründe, mit denen die Eltern eine außerordentliche Kündigung der Vereinsmitgliedschaft anstrebten. Die Mitgliedschaft ist mit einem Monatsbeitrag von 45 Euro verbunden. Außerordentliche Kündigungen sind notwendig, weil reguläre Austritte aus dem TV Würzburg mit einer Frist von zwei Monaten nur zum 30. Juni oder 31. Dezember eines Jahres möglich sind.
Die außerordentlichen Kündigungen wurden durch die vom TV beauftragte Anwältin abgelehnt, der Verein mahnte ausstehende Beträge an. Inzwischen lassen sich mehrere Familien von einem Anwalt vertreten.