So ist die Fußball-Weltmeisterschaft von 1974 - und speziell das zum Kampf der Systeme hochstilisierte deutsch-deutsche Spiel in der Gruppenphase - wohl noch nie erzählt worden. In ihrer Ende September erschienenen Graphic Novel "Das Spiel der Brüder Werner" entwerfen die Franzosen Philippe Collin und Sébastien Goethals einen Agententhriller, der mit zwei Waisenkindern im Berlin der Nachkriegszeit beginnt und mit zwei Stasi-Agenden am Spielfeldrand des internationalen Wettbewerbs 1974 endet. Wer sich den 134 eindrucksvoll illustrierten Seiten des Comics widmet, sollte daher nicht nur sportliches, sondern auch geschichtliches Interesse mitbringen. Denn das Bruderduell findet nicht nur auf dem Platz, sondern auch zwischen den Geschwistern Andreas und Konrad Werner und vor allem dem kapitalistischen und dem sozialistischen System statt.

Die Brüder erleben im Mai 1945 die Eroberung Berlins mit, entkommen gerade so den rauchenden Trümmern und landen schließlich in Leipzig, wo sie unter ärmlichen Bedingungen hausen. Um der Erziehungsanstalt zu entgehen, treten beide in die Reihen der Staatssicherheit ein. Und damit beginnen die Probleme. Während sich der ältere Bruder Konrad in der Weltanschauung des sozialistischen Staates komplett wiederfindet, kommen dem jüngeren, Andreas, immer Zweifel an seinem Tun. 1962 trennen sich die Wege der beiden, erst zwölf Jahre später sehen sie sich im Rahmen der in Westdeutschland ausgetragenen Fußball-WM wieder - und es kommt zum großen Showdown.

Das Werk von Collin und Goethals überzeugt durch seine eindrucksvollen Zeichnungen und authentischen Dialoge. Die Geschichte um die Brüder Werner ist eines Agententhrillers würdig und der Abriss von gut 30 Jahren deutscher Historie durchaus gelungen. Fußball-Fans werden sich vor allem an den tiefen Einblicken in die jeweiligen Nationalmannschaften freuen. Wenn sich etwa der politisch links angehauchte Paul Breitner mit dem in seinen Augen überheblichen Franz Beckenbauer zankt. Oder wenn die DDR-Fußballer um den späteren Siegtorschützen Jürgen Sparwasser sich erstmals in ihrem Leben ins Hamburger Nachtleben stürzen. Dass das Spiel gegen die BRD für die DDR am Ende mit einem 1:0-Sieg endet, ist klar. Warum das aber so ist, dafür bietet der Comic eine spannende Erklärung. Und die ist noch nicht das Ende des Buches.
Philippe Collin, Sébastien Goethals: Das Spiel der Brüder Werner. Graphic Novel. Splitter-Verlag. 152 Seiten. 25 Euro.