Dominik Friesacher (43) ist kein gewöhnlicher Trainer im Würzburger Amateurfußball. Aber er trainiert auch keinen gewöhnlichen Verein. Was die Freien Turner Würzburg, mit denen er zuletzt von der A-Klasse bis in die Kreisliga durchmarschiert ist, ausmacht und auf welchen Nationalspieler er schon mal im direkten Duell traf, berichtet Friesacher im Steilpass-Interview.

Frage: Wer hat Sie angespielt?
Dominik Friesacher: Das war Charlotte Pfister. Sie spielt bei den Freien Turnern Ultimate Frisbee. Wir Fußballer teilen uns mit dem Frisbee-Team den Rasenplatz und müssen uns absprechen. Außerdem sehen wir uns natürlich bei den Vereinsfeierlichkeiten. Die Zusammenarbeit bei uns funktioniert wirklich gut.
Wie war ihr Laufweg?
Friesacher: Ich habe als Kind beim Post SV Würzburg angefangen. Als Jugendlicher habe ich auch in Gerbrunn gespielt. Nach einem Abstecher zu den Würzburger Kickers ging ich zurück nach Gerbrunn, wo ich die meiste Zeit gespielt habe. Nach einer schwereren Verletzung konnte ich selbst kaum noch kicken und bin deshalb bei der zweiten Mannschaft beim TSV Gerbrunn als Co-Trainer von Oliver Bieber eingestiegen. Dann kam über dessen Bruder Thomas die Anfrage, ob ich die erste Mannschaft bei den Freien Turnern trainieren möchte. Das ist nun 13 Jahre her. So lange bin ich da schon der Trainer.

Das ist ganz schön lang. Kennen Sie jemanden, der auch schon so lange bei einem Verein Trainer ist?
Friesacher: Außer Christian Streich beim SC Freiburg ist mir keiner bekannt, aber es gibt bestimmt jemanden.
Streich ist auch seit 2011 im Amt. Das passt ja sehr gut.
Friesacher: Ich habe immer gesagt, dass ich so lange weitermache, wie es mir Spaß macht. Normalerweise ist die Zeit eines Trainers begrenzt, weil sich alles zu sehr wiederholt, die Jungs einen irgendwann nicht mehr hören können und neue Impulse brauchen. Wir haben bei den Freien Turnern den "Vorteil", dass wir eine große Fluktuation haben. Wir sind größtenteils ein Kader mit Studierenden, die nach drei oder vier Jahren immer beruflich weiterziehen. Wir haben also regelmäßig frisches Blut. Und für die, die schon länger da sind, habe ich mich immer wieder neu erfunden.
Sich neu erfinden. Das probieren viele, aber den wenigsten gelingt es.
Friesacher: Zum einen ist es abhängig vom Niveau der Mannschaft. Ich versuche, dass keine Trainingseinheit wie die andere ist, hole mir von auswärts viele Ideen. Ich habe mittlerweile ein Gefühl dafür entwickelt, was funktioniert und was nicht.

Die Freien Turner haben an der Mergentheimer Straße ja auch einen benachbarten Verein. Geht der Blick auch mal rüber zu den Fußballern des ETSV Würzburg?
Friesacher: Bei denen schaue ich mir nichts ab.
Ist die Rivalität so groß?
Friesacher: Nein, wir haben eigentlich ein super Verhältnis. Ich kenne den Trainer der zweiten Mannschaft, Daniel Zschalig, der im Sommer aufhört. Natürlich ist es ein Derby, aber sonst pflegen wir ein gutes Nachbarschaftsverhältnis.
Warum zieht es die Würzburger Studierenden zu den Freien Turnern?
Friesacher: Da spielen die Lage des Sportgeländes und viel Mundpropaganda eine große Rolle. Über den Sebastian-Kneipp-Steg ist man direkt in der Sanderau, wo viel Studierende wohnen. Auch die Sportuni an der Mergentheimer Straße ist nicht weit entfernt. Es hat sich herumgesprochen, dass bei uns eine gute Atmosphäre herrscht und das Feiern auch nach dem Training nicht zu kurz kommt. Da sind wir in Würzburg nicht zu schlagen. Viele unserer Spieler werden in einer Kneipe in der Sanderstraße abgeworben.

Bei euch ist der wichtigste Spieler dann der Vergnügungswart?
Friesacher: Den haben wir tatsächlich erst seit diesem Jahr, aber feiern können die Studierenden auch ohne Vergnügungswart. Früher war ich da auch unter der Woche häufiger dabei, aber mittlerweile geht das nicht mehr.
Die letzten beiden Jahre lief es sportlich sehr gut bei den Freien Turnern. Woran lag das?
Friesacher: Wir hatten schon immer mal Spieler, die zwei oder drei Ligen höher kicken konnten, aber seit zwei Jahren ist es in der Breite viel besser geworden. Das hat uns zu zwei Aufstiegen in Folgen verholfen. Dieses Jahr stoßen wir aber wieder an unsere Grenzen und sind Letzter in der Kreisliga. Vielleicht schaffen wir noch das Wunder und erreichen die Relegation, aber bisher ist die Kreisliga ein Abenteuer für uns.
Haben Sie zu Ihren Gerbrunner Zeiten eigentlich auch die Jahre in der Bayernliga miterlebt?
Friesacher: Da war ich zwar als Spieler aktiv, aber überwiegend eben in der zweiten Mannschaft. Auch, weil mir damals schon mein Knie Schwierigkeiten bereitet hat. Aber das DFB-Pokalspiel im Jahr 2003 habe ich gespielt.
Der TSV Gerbrunn war damals pleite und zog seine erste Mannschaft zurück, weil sich der Hauptsponsor verabschiedet hatte. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Friesacher: Weil wir das bayerische Pokalfinale erreicht hatten, waren wir auch für den DFB-Pokalwettbewerb qualifiziert. Allerdings mussten wir erst noch das Finale des Landespokals in Aindling spielen, um wirklich am DFB-Pokal teilnehmen zu dürfen. Nachdem die ganzen Halbprofis nicht mehr mitspielten, hatten wir kaum noch Leute. Also sind wir mit acht Spielern nach Aindling gefahren. Trainer und Betreuer haben dann noch mitgekickt, damit wir wenigstens zehn Spieler auf dem Feld hatten. Ich glaube, wir haben mit 0:14 verloren. Aber der Verein hatte noch offene Rechnungen zu begleichen, weshalb wir auch die 150.000 Euro Prämie abgreifen wollten.

Bei der DFB-Pokal-Auslosung im ZDF-Sportstudio hatten der TSV Gerbunn dann sehr viel Pech.
Friesacher: Zum Schluss waren noch drei Vereine übrig für uns. Borussia Dortmund, VfB Stuttgart und Wacker Burghausen – der Verein, den wir dann leider bekamen. Der Traum vom ausverkauften Stadion war vorbei. Stattdessen spielten wir vor 800 Zuschauerinnen und Zuschauern am Gerbrunner Sportplatz und verloren als Kreisklassist auch mit 0:14. Mein Gegenspieler war der kongolesische Nationalspieler Macchambes Younga-Mouhani. Auch Youssef Mokhtari, Stefan Reisinger oder Stefan Frühbeis dürften einigen Fußball-Freaks noch ein Begriff sein.
Was macht die Karriere neben der Karriere?
Friesacher: Ich bin im öffentlichen Dienst als Beamter beim Amt für ländliche Entwicklung. Ich habe Vermessungstechnik studiert. Flurbereiningung und Dorferneuerungen im ländlichen Bereich sind meine Themen. Nebenbei unterrichte ich noch an der Berufsschule in Ansbach.
Die Freien Turner gelten auch als das St. Pauli Würzburgs. Woher kommt das?
Friesacher: Die meisten Vereine, die ich kenne, sind so offen und multikulti wie wir. Wir hatten 2015 im Verein viele Menschen, die sich für Geflüchtete engagiert haben. Wir hatten bis zu 15 Spieler neu im Training, denen wir über Sponsoren die Bahnkarte bezahlt und Fußballschuhe besorgt haben. Ich hoffe und denke aber, dass viele anderen Vereine da mittlerweile genauso agieren. Mittlerweile sind wir dem unserem Ruf entwachsen und gelten auch in Würzburg als sehr seriöser Verein, finde ich.

Wen spielen Sie an?
Friesacher: Ich würde den Ball in meine Jugend zurückspielen zu Oliver Bieber, der den TSV Gerbrunn trainiert und wie wir letztes Jahr jetzt zum zweiten Mal in Folge aufsteigen könnten.
Das Interview-Format "Steilpass"In unserem Interview-Format "Steilpass" übernehmen die Interviewten die Regie. Am Ende des Gespräches dürfen sie entscheiden, wer als Nächstes an der Reihe ist, von uns befragt zu werden – sie spielen also den nächsten Protagonisten oder die nächste Protagonistin an.Quelle: cam