Ob es noch fünf vor zwölf ist, oder das Stündlein bereits geschlagen hat, ist selbst nach diesem öffentlichen Hilfeschrei nicht zweifelsfrei geklärt. Fakt ist: Der Basketball-Bundesligist Würzburg Baskets sieht sich genötigt, um Geld zu betteln, damit er seine weitere Existenz gewährleisten kann. Fakt ist auch: Spätestens zum 15. April muss der Klub die Lizenz für die kommende Spielzeit beantragen. Um den von der Liga vorgeschriebenen Mindestetat von drei Millionen Euro zu erreichen, fehlt den Baskets derzeit noch "ein mittlerer sechsstelliger Betrag", wie Geschäftsführer Steffen Liebler am Freitag auf einer Pressekonferenz im Trainingszentrum erklärte. Nach Beantragung der Lizenz muss der Klub bis Mitte Juli 80 Prozent des Etats der Liga nachweisen.

Liebler ist guter Dinge, die aktuelle Lücke in den nächsten acht Wochen noch geschlossen zu bekommen. Was ihm richtig Bauchschmerzen macht, ist die mittel- und längerfristige Zukunft. Die Liga und ihre Vereine haben mehrheitlich beschlossen, den Mindestetat sukzessive jährlich um 500.000 Euro zu erhöhen. Und was aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage in Kriegs- und Katastrophenzeiten mit brachialer Inflation für den Klub kostenerschwerend hinzukommt: Um einen Standard wie vor dieser aktuellen Saison zu garantieren, "brauchen wir im Sommer vier Millionen Euro", sagte Liebler. Das Gesamtbudget für die laufende Runde bezifferte er auf 3,5 Millionen. Vor der Pandemie konnte er auch schon mal fünf bis sechs Millionen Euro pro Saison ausgeben.
Heißt: Zum Ist-Stand fehlen den Baskets 1,5 Millionen Euro. Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Die Sparpotenziale in der Organisation seien bereits spätestens mit dem Hereinbrechen der Pandemie ausgereizt worden, betonte Liebler: "Wir sind am Minimum angekommen. Kleiner geht es nicht mehr für einen Bundesligaklub." Und: Die vom Staat gewährten Corona-Hilfen, von denen der Klub zuletzt auch gelebt hat, fließen nun auch nicht mehr.

Der 38-Jährige, der die Geschäfte der Baskets seit nunmehr zwölf Jahren führt, betonte mehrfach, dass der Klub "kerngesund" sei und diese Spielzeit mindestens mit einer schwarzen null, womöglich sogar mit etwas Überschuss abgeschlossen werden könne, Altlasten seien auch getilgt. Natürlich war das auch schon einmal anders, dennoch: So vielversprechend die Voraussetzungen für potenzielle neue Geldgeber oder alte, die ihr Engagement erhöhen sollen, auch klingen mögen – der aktuelle überraschende sportliche Erfolg wird unter diesen Voraussetzungen nicht wiederholbar sein. Die Existenz von Bundesliga-Basketball in Würzburg steht gerade auf sehr tönernen Füßen.
Hinzu kommt: Die diesen aktuellen Höhenflug pilotierenden Spieler wie Cameron Hunt, Stanley Whittaker oder der gerade verletzte C.J. Bryce, die allesamt jetzt schon Angebote haben von Klubs, bei denen sie das Drei- oder Vierfache bekommen könnten, werden selbst bei einem Vier-Millionen-Etat nicht gehalten werden können. Und auch die ehrgeizigen Baumeister des aktuellen sportlichen Hypes, Trainer Sasa Filipovski und sein Trainerstab sowie Sportmanager Kresimir Loncar, haben andere Ambitionen, als jedes Jahr bei null anfangen zu müssen.
Filipovski, der in seinen 14 Monaten in Würzburg nachhaltig bewiesen hat, Spieler zu ungeahnten Leistungen kitzeln und Mannschaften entwickeln zu können, hat den Baskets eine Frist (angeblich bis Ende Februar) gesetzt, um Planungssicherheit zu haben. Bastelt der Klub bis dahin keinen auch nur halbwegs erfolgversprechenden Etat zusammen, schaut er sich nach einem neuen Arbeitgeber um. Nicht umsonst sagt Liebler: "Oberstes Ziel ist es, Sasa zu halten. Aber dafür müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen."
Auch Loncar hat durch sein gutes Scouting auf sich aufmerksam gemacht und aktuell mindestens ein Angebot vorliegen, für einen anderen Klub zu arbeiten. Was in seinem Job natürlich auch gut in seinem neu gebauten Haus in Würzburg geht. Apropos Neubau: Erstmals betonten die Baskets auch, wie wichtig eine neue Multifunktionsarena sei, um ihre Zukunft zu sichern. "Wir brauchen eine neue Halle", sagte Liebler.
Es gehört schon auch Mut dazu, öffentlich derart die Hosen herunterzulassen, wie es Liebler an diesem Freitag tat. Auch wenn man dieses Bild nicht überinterpretieren muss, dennoch: Zur aktuellen Situation der Baskets passte die doch recht trostlose Atmosphäre in diesem fensterlosen Raum des Trainingszentrums ganz gut. Und offenbar auch die Tatsache, dass nur Liebler und der Hallensprecher da saßen und um Hilfe schrien. Gut: Mannschaft und Trainer gönnen sich gerade in der Pokalfinale- und Länderspielpause ein paar freie Tage. Und die Gesellschafter hatten offenbar Wichtigeres zu tun, als wenigstens einmal in diesem Rahmen womöglich auch unbequeme Fragen zu beantworten.
Liebler dagegen wirkte tatsächlich so, als wolle er um die Zukunft des Klubs und um hochklassigen Sport in Würzburg kämpfen, und er erwähnte in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich die Fuß- und Handballer: "Die Region muss sich entscheiden, ob sie hochklassigen Sport will, oder nicht."
Sie muss es natürlich nicht. Aber sie könnte es. Und vielleicht sollte sie es auch.