Rumänien hat Würzburg als Quartier für die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland gewählt. Von hier aus wird die "Tricolorii" zu ihren Spielen nach München (Montag, 17. Juni, 15 Uhr gegen die Ukraine), Köln (Samstag, 22. Juni, 21 Uhr gegen Belgien) und Frankfurt (Mittwoch, 26. Juni, 18 Uhr gegen die Slowakei) reisen.

Nicht nur geografisch scheint die Wahl von Würzburg logisch. Ebenso leben viele Rumänen sowie Menschen mit deutschem Pass und rumänischen Wurzeln in der Stadt. Sechs in der Region bekannte Fußballer aus Rumänien erzählen ihre Geschichte und schätzen die Aussichten der rumänischen Nationalmannschaft bei der EM ein.
Cornel Pascu

Er nennt sich selbst Sport-verrückt. Fußball-verrückt. Doch es war nicht der Fußball, der den rumänischen Erstliga-Spieler Cornel Pascu 1990 nach Deutschland brachte. Sein Sohn Andrej, später selbst Fußballer in der Region, "drohte, sein Augenlicht zu verlieren" – und Pascus Landsmann Claudiu Bozesan, der zu diesem Zeitpunkt bei den Würzburger Kickers war, "hat mir gesagt, dass die hier eine gute Augenklinik haben".
Andrej wurde geheilt, der Vater, der zuvor von 1981 bis 1990 bei Poli Timisoara im Mittelfeld gespielt hatte, blieb in Würzburg, schloss sich 1991 auf Wink von Ion Dumitru dem damaligen Landesligisten SV Heidingsfeld an, wo er bis 1997 blieb und unter anderem Erwin Albert sein Trainer war.
Dass es mit einer Profi-Laufbahn nichts wurde, bereut der heute 61-Jährige nicht: "Ich bin dankbar, dass mein Sohn sehen kann. Das ist viel wichtiger als Fußball." Der führte den ehemaligen rumänischen Jugend-Nationalspieler noch zum damals ambitionierten TSV Gerbrunn und, wie eine Zeit lang etliche rumänische Kicker, zum SC Heuchelhof.
Pascu arbeitet seit 30 Jahren für die Main-Post ("Alles, was ich mache, mache ich lang"), lebt in Kleinrinderfeld. Dem rumänischen Nationalteam traut er "eine Überraschung" zu, schaut sich die Spiele im Fernsehen an. Sagt aber: "Ich bin eher Deutschland-Fan."
Alin Olosutean

Im Herbst 1990 stand Alin Olosutean plötzlich auf der großen Fußball-Bühne. Uefa-Cup, zweite Runde, Hinspiel: Sporting Lissabon gegen Poli Timisoara. 37 Minuten durfte der Rumäne bei den Gästen mitspielen – und die verloren 0:7. Dass das Rückspiel mit 2:0 an den Außenseiter ging, erwähnt der heute in Rottendorf lebende 56-Jährige eher beiläufig.
Der frühere U-18-Nationalspieler wollte aber Profi in Deutschland werden. Sein Heimatland befand sich nach der Revolution 1989 im Umbruch; da seine Frau deutschstämmig war, zog es Olosutean dorthin. Nach Würzburg, "weil mein Kumpel Claudiu Bozesan schon hier war", zu den Kickers.
"Ich hatte mich in Rumänien am Rücken operieren lassen und somit eine Pause hinter mir." Da kam der Wiedereinstieg auf gehobenem Amateurniveau recht. Nur: Aus dem Dunstkreis von Landes- und Bayernliga kam er nicht mehr raus, spielte für die Kickers, den SV Heidingsfeld und den TSV Gerbrunn, später für den SC Heuchelhof. "Egal, Familie ging vor. Ich habe Arbeit gefunden und später nach einer Hüft-OP mit dem Fußball aufgehört", sagt er.
Pünktlich vor EM-Start ist Olosutean in einen zweiwöchigen Griechenland-Urlaub aufgebrochen. Das einzige öffentliche Training der rumänischen Nationalmannschaft in Würzburg hat er verpasst: "Gegen die Slowakei und die Ukraine ist was drin. Wenn wir weiterkommen und es findet noch eins statt, hole ich das nach."
Ginel Roman

Als Ginel Roman 1997 bei den Würzburger Kickers zu einem Probetraining auftauchte, spielte der damals 20-Jährige in Rumänien in der zweiten Liga. Sein Schwager, Ex-Nationalspieler Ion Dumitru, von 1989 bis 1994 selbst Spielertrainer bei den Rothosen, hatte den Kontakt vermittelt. Dumitru lebt übrigens inzwischen in den USA. Roman wurde vom damaligen Bayernligisten am Dallenberg sofort verpflichtet. "Ich wollte eigentlich zwei, drei Jahre bleiben", erinnert er sich. Es kam anders.
Inzwischen ist Würzburg längst sein Zuhause geworden. Auch als er nach dem Kickers-Abstieg beim SSV Reutlingen und beim SC Weismain drittklassig kickte, wohnte er weiter in Würzburg und kehrte letztlich auch zurück. Beim TSV Gerbrunn erlebte er Anfang der 2000er-Jahre den Höhenflug bis in die Bayernliga, ehe Roman zu den inzwischen in die Bezirksliga abgestürzten Kickers zurückkehrte.
Als Kapitän führte er die Rothosen zurück bis in die Bayernliga und war nach seinem Karriereende als Reserve-Trainer am Dallenberg aktiv. Inzwischen besitzt der 48-Jährige ein Autohaus in Würzburg. "Riesig gefreut", habe er sich darüber, dass das rumänische Nationalteam in der Stadt seine Zelte aufschlägt. Der Mannschaft traut Roman durchaus zu, die Vorrunde zu überstehen, "denn der Trainer ist sehr talentiert".
Matei Leu

Wie bei fast allen rumänischen Fußballern, die in Würzburg ihr neues Zuhause fanden, hatte auch bei Matei Leu Dumitru den ersten Kontakt vermittelt. Dumitru hatte Leu als Trainer bei Poli Timisoara bereits zum Erstliga-Debüt verholfen. Als sich der Torhüter Ende der 1980er-Jahre entschloss, nach Deutschland überzusiedeln, landete er schließlich nach einigem Hin und Her und einer längeren Pause beim SV Heidingsfeld. Dort traf er auf einen alten Bekannten aus Timisoara: Claudiu Bozesan.
Beim Stadtteilklub erlebten sie viele große Derbys, an die sich Leu bis heute erinnert. "Raimund Eichelbrönner und Gerhard Skalka bei uns, Horst Schürer und Gerd Reitmaier bei den Kickers. Der alte Heidingsfelder Platz am Wiesenweg war voll mit Menschen. Das waren Zeiten." Später spielte Leu selbst für die Rothosen und anschließend für den TSV Gerbrunn, mit dem er Aufstieg um Aufstieg feierte: "Meine wahrscheinlich schönste Fußballzeit."
Nach dem Karriereende war er erst einmal aus der lokalen Fußballszene verschwunden. Heute ist der 56-Jährige als Torwarttrainer bei FV Helmstadt aktiv. "Der Fußball hat mir gefehlt", sagt Leu. Der Nationalmannschaft seines Geburtslandes rechnet er nicht allzu große EM-Chancen aus. "Ein 0:0 gegen Liechtenstein im letzten Test – das sagt ja einiges. Ich würde mich aber natürlich freuen, wenn das Team überrascht."

Claudiu Bozesan

Claudiu Bozesan spielte in der Jugend für Chimica Tarnaveni und von 1984 bis 1989 in der ersten und zweiten Liga für Poli Timisoara (95 Spiele, 16 Tore). Dort hat er Cornel Pascu, Alin Olosutean und Matei Leu kennengelernt. Dazu bestritt Bozesan 16 Partien mit der rumänischen U19 und 14 mit der U21. In seinem ersten Jahr bei Poli trainierte ihn jener Ion Dumitru, der ihn 1989 nicht etwa nach Spanien, wo Bozesan eigentlich hin wollte, sondern nach Würzburg lotste.
Dort spielte der Mittelfeldspieler erst für den damals viertklassigen SV Heidingsfeld, dann für den FC 05 Schweinfurt in der zweiten Liga, ab 1993 für die Würzburger Kickers und zwischendurch auch beim TSV Gerbrunn.
Am längsten blieb Bozesan bei den Kickers – ein Vierteljahrhundert, als Spieler und Kapitän, später als Trainer für den Nachwuchs. Von 2020 bis 2024 trainierte der heute 57-Jährige den Bayernligisten TSV Abtswind. "Jetzt mache ich erst mal eine Pause, wie lange, weiß ich noch nicht", sagt Bozesan, der rund um die EM trotzdem gut beschäftigt ist, da er für seine Landsleute wichtiger Ansprechpartner ist und auch die Kickers im Kontakt mit der rumänischen Delegation unterstützt.
"Die Mannschaft hat sehr großes Potenzial und viele talentierte Spieler. Belgien ist in der Gruppe zwar der Favorit, ich hoffe aber, dass sich auch Rumänien für die nächste Runde qualifiziert", sagt er zu den Chancen der Rumänen bei der EM.
Cristian Alexandru Dan

Nachdem ihn Ginel Roman kontaktiert hatte, kam Alex Dan, der in der Jugend für Dinamo Bukarest und bis zur U23 bei Farul Constanta gespielt hatte, im August 2009 vom damals noch Juventus genannten Drittligisten aus Bukarest, der heute ASC Daco-Getica heißt, zu den Würzburger Kickers in die Landesliga. "Ich bin sehr froh, wie es damals gelaufen ist. Ich würde es immer wieder so machen", blickt Dan zurück. Nach zwei Jahren am Dallenberg ging er für eine Saison zum FC 05 Schweinfurt in die Bayernliga, kehrte zu den Kickers zurück und blieb dort für weitere zwei Jahre.
Nachdem er verletzungsbedingt pausieren musste, schloss er sich für eine Runde dem TSV Abtswind an. Von 2016 bis zur Winterpause 2021 spielte Dan fünfeinhalb Jahre beim Würzburger FV und seitdem beim TSV Lengfeld, den er seit Herbst vergangenen Jahres als Spielertrainer anführt. Dort hat er trotz des Bezirksliga-Abstiegs für die neue Saison zugesagt ("Das kann ich nicht so stehenlassen").
Bei der EM hofft der 37-Jährige trotz zuletzt schwacher Testspiel-Ergebnisse, dass Rumänien die Gruppenphase übersteht: "Sie haben in der Qualifikation recht gut gespielt und hinten wenig zugelassen." Mit dem rumänischen EM-Fahrer Denis Alibec spielte Dan übrigens in Constanta zusammen. "Er war 17 und damals schon richtig stark. Er ist von Farul dann direkt zu Inter Mailand gewechselt."