Ein Fußballspiel in der Landesliga, der TSV Gochsheim spielt beim FC Lichtenfels: In der 77. Minute beleidigt ein Zuschauer von der Tribüne einen Gochsheimer Spieler auf übelste Weise rassistisch. Der Spieler springt über die Bande und stellt den Mann lautstark zu Rede. Ergebnis: Der Spieler sieht die rote Karte. Und der Heimverein muss mit einer Geldstrafe rechnen.
"Wir wollen die Täter sanktionieren, nicht den Verein", sagt Christoph Kern, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes. Doch bisher war dies nicht so einfach. Denn ist der rassistische Zuschauer kein Vereinsmitglied, hat der Verband keine wirkliche Durchgriffsmöglichkeit.

Dabei ist das genannte Beispiel längst kein Einzelfall: Laut Verband gab es im bayerischen Amateurfußball in der Saison 2022/2023 exakt 315 Gewaltvorfälle und 196 gemeldete Diskriminierungen. 87 Spiele mussten sogar abgebrochen werden.
Generalstaatsanwalt: Betroffene fürchten oft, als Nestbeschmutzer dazustehen
Eine strafrechtliche Verfolgung massiver herabwürdigender oder diskriminierender Beleidigungen auf dem Fußballplatz scheitert bislang jedoch oft an einer ausbleibenden Anzeige. Gerade im Amateurfußball gebe es oft die Furcht von Betroffenen, mit einer Anzeige "im Zweifel als Nestbeschmutzer dazustehen", vermutet Bayerns Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle.
Fußballverband und Justiz wollen deshalb künftig konsequenter und effektiver zusammenarbeiten, um massive homophobe, rassistische oder antisemitische Beleidigungen strafrechtlich zu verfolgen. "Der Fußballplatz ist kein rechtsfreier Raum", bekräftigt Röttle. Doch bei diskriminierenden Straftaten dürfe "die Last einer Strafanzeige nicht beim Geschädigten liegen".
Konkret sollen künftig der Schiedsrichter oder die beteiligten Vereine schwerwiegende Beleidigungen durch Spieler oder Zuschauer im Spielbericht vermerken. Nach Prüfung durch den Verband kann dann die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden, die bei möglicherweise strafbaren Äußerungen oder Handlungen Ermittlungen einleitet.
Justizminister: Nicht jeden Kraftausdruck sanktionieren, aber Strafrecht durchsetzen
Es gehe nicht darum, jeden Kraftausdruck zu sanktionieren, der auf oder neben dem Spielfeld fällt, betont Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU): "Der Fußballplatz ist ein Ort der Emotionen und der Leidenschaft und muss das auch bleiben", betont er. Die Grenze sei aber das Strafrecht, das die Herabwürdigung von Menschen etwa in Bezug auf Hautfarbe, Herkunft, sexuelle Orientierung oder Behinderung unter Strafe stellt. Gleiches gilt für rechtsextremistische Vorfälle oder die Verwendung von Nazi-Symbolen.

"Nicht jeder, der auf den Sportplatz geht, steht mit einem Bein im Gefängnis", beteuert auch Verbandschef Kern – und nennt einige tatsächliche Beispiele aus der letzten Saison, die künftig in engem Schulterschluss mit dem Verband von der Justiz konsequenter verfolgt werden sollen: Ein Zuschauer schreit einem afrikanischen Spieler entgegen, er solle "zurück in den Urwald" gehen. Eine U17-Mannschaft grölt unter der Dusche "Sieg Heil". Ein Spieler ruft einem Gegenspieler zu: "Halt's Maul du Drecksjude".
"Es soll jeder wissen, dass wir erhebliche Straftaten zur Anzeige bringen."
Christoph Kern, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes
"Es soll jeder wissen, dass wir erhebliche Straftaten zur Anzeige bringen", erklärt Kern: "Denn jeder Fall ist einer zu viel." Der Rechtsstaat müsse wehrhaft sein und wenn nötig auch auf dem Fußballplatz durchgreifen, fordert auch Justizminister Eisenreich.
Trotzdem werde auch in Zukunft längst nicht jede Grenzüberschreitung sanktioniert werden können – weil die Justiz erst gar nicht davon erfährt oder weil die Beweise fehlen. Eisenreich wünscht sich deshalb Zivilcourage – auch auf der Tribüne beim Amateurfußball. "Widerspruch hilft unglaublich viel, wenn Grenzen überschritten werden", findet er. Dies gelte aber nicht nur auf dem Fußballplatz.