Bevor der Wechsel von Martin Hasek zu den Würzburger Kickers Anfang Januar eingetütet war, hatte der Tscheche eine ganze Zeit lang nicht mehr gegen den Ball getreten. Es war keine Verletzung, die den 25-Jährigen im gesamten Kalenderjahr 2020 von seiner Profession abgehalten hatte - Hasek war suspendiert worden. Es sei "eine beispiellose Saga" gewesen, die der Mittelfeldspieler erdulden musste, titelte die tschechische Boulevardzeitung "Blesk". Grund dafür, dass die Geschichte derart skandalisiert wurde und in Tschechien so hohe Wellen schlug, dürfte ein berühmtes Familienmitglied der Neu-Rothose sein. Dominik Hasek, Martins Onkel, ist einer der erfolgreichsten Eishockey-Torhüter aller bisherigen Zeiten.

Was war passiert mit dem bei Sparta Prag ausgebildeten Martin Hasek? Knapp umrissen ging es um einen lediglich von seiner Seite aus gekündigten Vertrag mit Sparta Prag, geplatzte Deals mit potenziellen neuen Vereinen und eine Suspendierung. Hasek wollte seinen Klub verlassen, das wiederum wollte eben jener nicht. Wollte der da noch 24-Jährige seinen Wechsel unbedingt erzwingen? Am Tag der Abreise zum Trainingslager mit Sparta Prag kreuzte Hasek jedenfalls ohne Reisepapiere am Flughafen Vaclav Havel in Prag auf - und wurde wieder nach Hause geschickt. "Beispiellos und unprofessionell", nannte Spartas Sportdirektor und Ex-Dortmunder Tomas Rosicky den Vorfall.
"Das ist eine lange und komplizierte Geschichte", sagt Hasek zu der Sache, ein leichtes Aufstöhnen kann er sich dabei nicht verkneifen. "Das lässt sich nicht in ein paar Sätzen beantworten." Künftig wird sich wohl der Internationale Sportgerichtshof (CAS) mit dem Thema befassen. Zwar klingt diese Flughafen-Geschichte kurios, einzigartig ist ein solcher Fall keineswegs: Konflikte, weil Spieler ihren aktuellen Vereinen verlassen wollen, aber nicht können, sind keine Ausnahme. Groß werden solche Dinge aber nur, wenn derjenige, den sie betreffen, einen riesigen Namen hat.

Olympia-Gold und zwei Mal Stanley Cup
Dominik Hasek, der Onkel der Rothose, inzwischen 56 Jahre alt und im Schlittschuh-Ruhestand, dominierte das internationale Eishockey von Beginn der Neunziger bis Mitte der Zweitausender. Hasek hatte durch seinen unkonventionellen Stil nicht nur die Rolle des Torhüters neu definiert, sondern auch noch eine beträchtliche Trophäen-Sammlung angelegt: 1998 gewann er mit Tschechien Gold bei den Olympischen Spielen in Nagano und wurde als bester Torhüter des Turniers ausgezeichnet, in der nordamerikanischen Eliteliga NHL schnappte er sich so ziemliche alle Auszeichnungen, die an Goalies verliehen werden: Hasek gewann zwei Mal den Stanley Cup und ist der bislang einzige Torwart, der zwei Mal zum wertvollsten Spieler der Saison gewählt wurde. Sechs Mal war er bester Torhüter der Spielzeit.

Kein Wunder also, dass die tschechische Version der "Bild" den Neffen des "Dominators", der im Klinsch mit seinem Arbeitgeber lag und das Trainingslager aufgrund fehlender Unterlagen – ob absichtlich oder nicht – verpasste, zum Skandalkicker und Rebell abstempelte. "Wegen dieser Sache hatten die meisten Vereine Angst davor, mich unter Vertrag zu nehmen", berichtet Hasek. Nicht die Kickers, die schon bei den Verpflichtungen des jahrelang gesperrten Douglas oder kürzlich operierten Ewertons kein Risiko gescheut hatten. "Schuppi hat mir von seinem Plan erzählt und welche Rolle er für mich vorgesehen hat", erzählt Hasek vom ersten Kontakt mit Würzburg.
Zu Würzburg-Wechsel: "Ich dachte, das klappt eh nicht"
Nach einem weiteren Gespräch mit Trainer Bernhard Trares machte sich der Tscheche auf nach Würzburg - Medizincheck, Vertragsdetails klären. Dass der Wechsel zustande kommen würde, hat er da noch nicht geglaubt. "Häufig ist ein Deal bei mir noch vor Ort geplatzt. Deswegen hatte ich auch kaum Gepäck dabei, als ich das erste Mal nach Würzburg gefahren bin. Ich dachte, das klappt eh nicht." Hat es aber. Nachdem der Termin am Dallenberg reibungslos über die Bühne gegangen war, machte er sich in der Woche darauf noch einmal auf nach Prag, um seine Sachen zu holen.
Der nun in Ochsenfurt wohnhafte Hasek macht im Gespräch nicht den Eindruck eines Rebells. Eher wirkt der 1,81 Meter große Kicker etwas chaotisch, jedoch auf eine durchaus sympathische Weise. "Ich komme häufig zu spät", beschreibt er sich lachend. Von Tee-Zeremonien, historischen Romanen und Fachbüchern über Schlafrhythmus erzählt er. Und dass seine Mutter, nachdem er jetzt mit 25 Jahren erstmals von zu Hause ausgezogen ist, ihn fast täglich anruft, um ihm zu sagen, wie sehr sie ihn vermisst. Skandalös klingt anders.
Vertragsverlängerung in Würzburg "sicher eine Option"
Ob er sich im Falle des Klassenerhalts vorstellen könnte, in Würzburg zu bleiben? "Bis dahin ist es noch ein langer Weg", sagt Hasek. "Wenn wir drin bleiben, ist das aber sicher eine Option." Wünschenswert wäre es für die Rothosen. Der Tscheche, der zuletzt mit Patrick Sontheimer das zentrale Mittelfeld übernahm, hat sich seinen Platz in der Stammelf erarbeitet und wohl auch aufgrund seiner Deutschkenntnisse gut ins Team integriert. Gegen den Hamburger SV feierte er sein Premierentor für die Kickers, nachlegen will er beim VfL Bochum, wo das Trares-Team am Samstag (13 Uhr) ran muss. Was ihn da erwartet, weiß er noch nicht. "Um ehrlich zu sein: Ich habe noch kein einziges Bochum-Spiel gesehen", sagt er lachend. Die Video-Schulung sei erst am nächsten Tag - hoffentlich kommt er nicht zu spät.