Der Vater ist mitgekommen, diese Aura der Erfahrung macht es vielleicht einfacher. Es ist das erste Mal, dass der Junge mit den kräftigen Armen bei einem Kreuzheber-Turnier antritt. Philipp Wöhrle (18) wirkt äußerlich ruhig, spricht leise und blickt konzentriert. Kreuzheben ist auch Psychologie, sagt der erfahrene Vater. Das ist nicht einfach nur rausgehen, heben, fertig.
Viel wird im Kopf entschieden. Das Familienoberhaupt muss es wissen. Es ist Hans-Otto Wöhrle (53). Ein Name, der für etwas steht: Kraftsportmeisterschaften in Deutschland und Europa - viele Rekorde. In den achtziger Jahren, als der Sport von den USA nach Deutschland überschwappte, machte er den Sport mit seinen Erfolgen in Würzburg salonfähig. Der Mann, der nun ein Fitness-Studio besitzt und selbst leitet, sieht noch immer topfit aus: Der Bauch hat immer noch Six-Pack-Format. Er zieht stolz sein Hemd hoch, wer hat so etwas noch in dem Alter zu bieten?
Zwei Dekaden später will Wöhrle junior in die Fußstapfen von Wöhrle senior treten und den Erfolg erben. Die blonden Haare und blauen Augen hat er schon mit der Geburt übernommen. Erst seit einem halben Jahr ist der Randersackerer richtig drin im Kraftsport. Der Weg nach oben ist weit, noch lässt er sich von seinem Vater einkreiden, zurechtzupfen und fordert: "Papa, hilf mir mal."
Der Franken-Cup-Wettbewerb im Kreuzheben ist sein erstes Turnier, und ausgerechnet gegen seinen Kumpel Piet Arlt, 21, muss Philipp Wöhrle in der Gewichtsklasse bis 90 Kilogramm heben. Die zwei kennen sich seit ihrer Kindheit, sind Trainingskollegen, träumen davon, irgendwann im Bundesliga-Kader der SG Randersacker mitzumischen - und sind plötzlich Konkurrenten.
Denn Philipp Wöhrle hat einen Pass in Randersacker, startet beim Franken-Cup für die SG. Arlt nicht. Ihm gab man dort einen Korb: Nicht gut genug. "Wir nehmen nicht jeden", so Abteilungsleiter Janos Geerhardt: "Philipp ist besser." Bei der zweitgrößten bundesweiten Veranstaltung im Kreuzheben sollen möglichst Sieger beim Gastgeber heben. Also meldete sich Arlt bei der TG Veitshöchheim an.
Nun muss der eine zeigen, dass er gut genug ist. Und der andere, dass er besser ist, als man es von ihm denkt. Arlt schafft 185 Kilogramm. Nicht wirklich viel, in seiner Gewichtsklasse sollte eine zwei vorne stehen. Er zeigt entschuldigend seine verletzte Handfläche, wo er sich kürzlich an einem Blech schnitt. Arlt ist Dachdecker, Wöhrle geht noch aufs Gymnasium. In der Schule schneidet man sich normalerweise nicht. Wöhrle wagt sich an die 200-Kilogramm-Grenze heran. Sein ganzer Körper zittert, als er anhebt, es wird eng, er hält durch, am Ende blinken Lämpchen. Eine rot, zwei gelb: Versuch gültig.
"Nun will ich zeigen, was ich wert bin", sagt er hinterher über seine Zukunft bei der SG Randersacker. Sein Vater klopft ihm auf die Schultern - Debüt erfolgreich, guter Junge: "Er ist zielstrebig, trainiert regelmäßig und trinkt keinen Alkohol." Bereits zwei Gläser Bier zerstören angeblich eine ganze Trainingseinheit. Es gibt Grenzwerte, die man stemmen sollte, wenn man in die Bundesliga will: Kreuzheben 220 Kilogramm, Kniebeugen 190, Bankdrücken 130. Abteilungsleiter Geerhardt meint, jetzt wird Wöhrle langsam heran geführt, die Muskeln geschliffen: "In frühestens zwei, drei Jahren könnte er mithalten."
Und Arlt? Der will fleißig weiter trainieren und irgendwann wieder in Randersacker anklopfen, wenn er besser ist. Im November bei den bayrischen Meisterschaften treten die zwei Freunde wohl wieder gegeneinander an.