Relegationsspiele sind geradezu gemacht dafür, unvergessliche Geschichten zu produzieren. Freilich: Der Gewinner erzählt hinterher eine andere Version als der Verlierer. Was aber nahezu alle Partien gemein haben sind bestens gefüllte Zuschauerränge, spannende Partien, Elfmeterschießen, erhöhter Pulsschlag bei allen Beteiligten. Und manchmal auch die eine oder andere Besonderheit. Diese Redaktion hat einige dieser Kuriositäten der letzten Jahre gesammelt.
1. Aus der sechsten in die vierte Liga an einem Tag: der Doppelaufstieg der Würzburger Kickers

Die Landesliga-Saison 2011/12 war eine besondere. Denn von Beginn an stand fest: der Meister würde die historische Chance bekommen, eine ganze Spielklasse zu überspringen. Der Grund: aus drei wurden damals fünf Regionalligen und Bayern bekam eine eigene. Die Aussicht auf den Sprung in die vierthöchste Spielklasse schien die Würzburger Kickers besonders zu beflügeln. Das Team von Trainer Dieter Wirsching sicherte sich Platz eins in der Landesliga Nord und zog damit in die Aufstiegsrunde ein. Der Erste und Zweite der damals drei bayerischen Landesligen spielte mit den Klubs, die in der Bayernliga auf den Plätzen zehn bis 15 gelandet waren, um die Regionalliga-Startplätze in der Premierensaison. Die drei unterfränkischen Bayernligisten hatten die direkte Qualifikation verpasst und mussten auch ran. Während die Kickers ein Freilos erhielten, mussten der TSV Großbardorf, der FC Schweinfurt 05 und der Würzburger FV bereits in der ersten Qualifikationsrunde ran. Großbardorf scheiterte schon da am BC Aichach. Der sollte die letzte Hürde für die Kickers auf dem Weg in die Regionalliga sein.

Dieser BC Aichach war als Achter der Landesliga Süd in die Qualifikationsrunde gekommen, weil aus dieser Spielklasse kaum ein Klub die Regionalliga anstrebte. Die Schwaben waren ein spezieller Klub. Dort führte Mäzen Volker Weingartner ein hartes Regiment. Der Geldgeber hatte kurz vor den entscheidenden Partien den Trainer kurzerhand entlassen und sich selbst auf die Bank gesetzt. Sein Team war für Landesliga-Verhältnisse durchaus namhaft besetzt und konnte, wie im Hinspiel in Aichach eindrucksvoll zu sehen, sehr gefällig Fußball spielen. Nur mit dem Toreschießen hatten es die Aichacher an diesem Tag nicht so sehr. "Wenn wir hier 6:1 gewinnen, beschwert sich keiner", polterte Weingartner hinterher. Sein Problem: die Kickers hatten die Partie, trotz deutlicher Überlegenheit des Gegners 3:0 gewonnen. Fragt man heute altgediente Kickers-Fans nach ihrem tollsten Erlebnis mit den Rothosen, nennen viele – trotz all der tollen Profijahre – das Hinspiel in Aichach.

Im Rückspiel wackelten die Kickers nur kurz. Sergey Zimin beseitigte mit einem Traumtor aus spitzem Winkel zum 1:1 alle Zweifel. Gleichzeitig scheiterten Schweinfurt und der WFV an ihren Hürden. 14 Jahre lang hatten die Kickers zuvor nicht mehr höherklassig als ihr Stadtrivale gespielt. "Nach vielen Jahren als heimliche Nummer eins der Stadt sind die Kickers zurück", sagte der damalige Stadionsprecher Hans-Rainer Hirsch mit Abpfiff glücklich ins Mikrofon.
2. Der FC Sand: Zehn Relegationsspiele ohne eine einzige Niederlage

Als wahren Relegationsmeister könnte sich der 1. FC Sand bezeichnen, der in der jüngsten Vergangenheit kein einziges Spiel in der Saisonverlängerung verloren hat. Lediglich 2009 unterlagen die Sander der SpVgg Landshut mit 0:1, verpassten dadurch den Aufstieg in die Bayernliga. In den letzten sieben Jahren absolvierte der Dorfverein aus dem Haßbergkreis dann aber zehn Auf- beziehungsweise Abstiegsspiele – und blieb in sämtlichen Partien ohne Niederlage.

2015 stiegen die Sander nach vier Siegen über den FSV Erlangen-Bruck (3:0, 1:0) und die SpVgg Selbitz (4:0, 3:1) in der Saison-Verlängerung in die Bayernliga auf. Die Heimfahrt aus dem oberfränkischen Selbitz zurück ins unterfränkische Sand am Main gilt rund um das Seestadion noch heute als legendär. Der Bus brauchte ob zahlreicher Pausen für die rund 130 Kilometer mehrere Stunden. Jeder Autobahnparkplatz wurde zur Partymeile.
Das Relegationsglück blieb den Sandern auch in den Folgejahren hold. 2018 hielten sie gegen den FC 05 Schweinfurt II (2:2, 2:1) und den SV Erlenbach (1:0, 5:0) ebenso die Klasse wie ein Jahr später mit zwei deutlichen Siegen über den FSV Erlangen-Bruck (5:1, 5:1). Nur in diesem Jahr war den Sandern eine Fortsetzung ihrer Serie nicht vegönnt, nach sieben Jahren steigen die Korbmacher als Tabellenschlusslicht der Bayernliga Nord direkt in die Landesliga ab.
3. Ein 14:1 gegen den TSV Mühlfeld: Die SG Arnshausen liest die Regeln ganz genau

Dass ganz Unterfranken über ein Relegationsspiel zweier B-Klassisten spricht, kommt nicht häufig vor. Jenes Spiel Ende Mai 2019 zwischen der SG Arnshausen I/Bad Kissingen II/Reiterswiesen II und TSV Mühlfeld aber sorgte für Diskussionen vom Kreuzberg bis zum Schwanberg.
Zwei Zweite aus den Rhöner B-Klassen standen sich in Strahlungen gegenüber, um einen Aufsteiger in die A-Klasse zu ermitteln. Über 600 Zuschauende staunten nicht schlecht, als es nach zehn Minuten 4:0 für die SG Arnshausen I/Bad Kissingen II/Reiterswiesen II hieß, zur Halbzeit 10:0 und nach 90 Minuten 14:1.

"Das hat mit Fairness nichts zu tun. Wenn die Mannschaft in der B-Klasse gespielt hätte, wäre sie sicher nicht Zweiter geworden", schimpfte hinterher der Trainer des Verlierers, Eckhard Geiß, und präzisierte: "Das Schlimme ist doch, dass es erlaubt ist." Sein Frust richtete sich weniger auf den Gegner, als auf den Verband, dessen Regeln die Spielgemeinschaft aus Bad Kissingen bei der Zusammenstellung des Kaders für diese Begegnung genau gelesen hatte.
Kein Spieler hatte – das war die Bedingung – in der Rückrunde öfter als viermal im ersten Durchgang für Reiterswiesen I in der Kreisklasse oder Bad Kissingen I in der Bezirksliga gekickt. Obendrein machte SG-Trainer Johannes Friedrich geltend, dass alle elf Startelfspieler im Lauf der Saison in der B-Klasse zum Einsatz gekommen waren. Sieben von ihnen allerdings auch zu (Kurz-)Einsätzen in der Bezirksliga.
"Der Verband schreibt sich immer groß Fair-Play auf die Fahnen", hielt Geiß mit seiner Kritik nicht hinter dem Berg. "Über so ein Spiel muss man sich Gedanken machen. Wir hatten im Endeffekt keine Chance."
4. Fast 2000 Fans wollen das Kreuzberg-Derby DJK Waldberg gegen VfR Stadt Bischofsheim sehen

Vierstellige Zuschauerzahlen bei Relegationsspielen? Im Kreis Rhön keine Besonderheit. Und doch setzten die drei Partien um einen Platz in der Kreisliga Rhön im Sommer 2015 einen Maßstab, der nur schwer zu wiederholen ist. Etwa 1000 Zuschauende hatten wie die DJK Waldberg über den FC Eibstadt siegte. Zahlen, die beim entscheidenden Spiel locker getoppt wurden.
gesehen, 1700 Menschen erlebten,
Waldberg also gegen Bischofsheim im Finale um einen Platz in der Kreisliga. Das Kreuzberg-Derby, ein lauer Sommerabend in Wollbach bei Bad Neustadt und der Andrang an den Kassen nimmt kein Ende. 1926 Zuschauende wurden schließlich offiziell gezählt. Unter ihnen Rhön-Grabfeld-Landrat Thomas Habermann – mit einem grün-weißen Waldberg-Schal um den Hals. Sie alle ließen sich mitreißen von einem Spiel, das spät seinen Sieger fand. In der 87. Minute traf Louis Bott – zum 4:3 für Waldberg.
"Das war der Wahnsinn", freute sich Sebastian Arnold von der DJK Waldberg, überschwänglich über den Aufstieg in die Kreisliga und die anschließenden Feierlichkeiten: "Ich glaube, ganz Waldberg war auf den Beinen. Die Musikkapelle hat uns am Ortseingang empfangen und uns zur Ortsmitte musikalisch begleitet." Dort stieg die große Party.
5. Die Leiden des FV Fatihspor Karlstadt an Ramadan

Der 28. Mai 2017 – ein heißer Frühsommertag mit Temperaturen von fast 30 Grad. Auf dem Sportplatz in Eußenheim stehen sich der FV Bachgrund, der die Kreisklasse halten will, und der FV Fatihspor Karlstadt, der aus der A-Klasse aufsteigen will, gegenüber. Bemerkenswert, dass sich auf Karlstadter Seite einzelne Spieler minutenlange Schaffenspausen nehmen und bereits nach einer Stunde die ersten Krämpfe auftreten.
Doch für die körperliche Schwäche gibt es eine nachvollziehbare Erklärung: Es ist Ramadan, an dem für Muslime tagsüber ein Fastengebot gilt. Auf Seiten Fatihspors, dessen Spieler mehrheitlich türkische Wurzeln haben, haben fünf Spieler seit Sonnenaufgang nicht mehr gegessen und getrunken, für sie wird das Spiel förmlich zur Qual.
"Andere, die nicht gefastet haben, haben sich in deren Anwesenheit nicht zu trinken getraut, um die Jungs nicht noch mehr zu stressen", erinnert sich Ertugrul Karakoc, der mit dem Spiel in Eußenheim seinen Abschied als Trainer gab. Doch die Kombination aus Qual und Schonung führte zum Erfolg, Fatihspor siegte am Ende nach einer Energieleistung vor gut 650 Zuschauern mit 5:3. Danach wurde ausgiebig gefeiert. Und auch wieder gegessen und getrunken, da kurz nach dem Abpfiff die Sonne unterging, was dem Fastengebot ein Ende setzte.
"Wir haben uns erst vor ein paar Tagen wieder über dieses Spiel unterhalten", sagt Karakoc und schickt hinterher: "Schade, dass es den Verein nicht mehr gibt." Denn ein Jahr nach dem Sieg von Eußenheim zogen sich die Karlstadter aus dem Spielbetrieb zurück, weil Fußballer fehlten und auch Leute, die den Verein am Laufen hielten. "Ich war damals Trainer, Ersatztorwart, Sponsor, Vorsitzender und Platzwart. Ich hatte viel Spaß, aber irgendwann wurde es zu viel", weist Karakoc darauf hin, dass es für ein gedeihliches Vereinsleben nicht nur engagierte Menschen auf, sondern auch neben dem Platz braucht.
6. Hitzeschlacht zwischen Hopferstadt und Sickershausen in Marktbreit

Die Sonne brannte so, als hätte sie's gewusst, die Luft war flirrend heiß, um allein zu sein: an diesem schönen Tag, der letzte im Mai 2018 – bei weit mehr als 30 Grad im Schatten, den es auf dem Marktbreiter Sportgelände im Landkreis Kitzingen, wo es gerne mal heißer als anderswo ist und Hitzerekorde purzeln, allerdings kaum gab.
1200 Zuschauende trotzten den "tropischen" Temperaturen, um die Entscheidung in der Kreisliga-Relegation zwischen dem SV Sickershausen und FC Hopferstadt mitzuerleben. Aufgrund des immensen Andrangs mussten beide Teams sogar noch eine Weile mit dem Anstoß warten.

Die Fangruppen von SV und FC hatten sich kreative Aktionen ausgedacht, um ihre Mannschaften zu unterstützen: Die Hopferstädter brachte eine Musikanlage mit und heitzten den Ihren, obwohl das freilich nicht nötig war, mit ordentlich Dezibel ein. Die Sickershäuser fluteten den Platz mit in der Sonne schimmernden Seifenblasen und machten mit einer Handsirene schon mal vorab Alarm.
Wolfgang Beischmidt, Trainer der mit 2:0 siegreichen Sickershäuser, die dadurch in die Würzburger Kreisliga aufstiegen und bis heute in dieser Klasse spielen, stellte seine Mannschaft in der zweiten Halbzeit tiefer auf, "weil bei diesen Temperaturen nach vorne nichts mehr ging". Die Ansetzung um 14 Uhr, wenn's tagsüber am heißesten ist, fand er ob der erwarteten Hitze "grenzwertig und wenig sinnvoll". Schiedsrichter Michael Gutbrot hatte ein Einsehen und ermöglichte den Teams mehrere Trinkpausen.
"Ich freue mich riesig, bin aber richtig platt. Das war eine Hitzeschlacht, ein Glutofen. Feiern geht noch gar nicht", gestand Dominik Held, Sickershausens Torschütze zum 1:0, keuchend nach Spielende. Wasser- und Bierduschen, die er und seine siegreichen Mitspieler bereitwillig empfingen, spendeten da willkommene Abkühlung.