Roland Sauer, dem Geschäftsführer der DJK Rimpar Wölfe, rutscht selten das Wort "Problem" raus. Und wenn doch, dann verbessert er sich sofort. In Managermanier spricht der 65-Jährige lieber von "Herausforderungen", und die sind dazu da, um gemeistert zu werden. Unter den aktuellen Umständen jedoch sagt selbst Sauer: "Die Herausforderungen sind extrem."
Noch nie ist eine Saison mit so vielen Fragezeichen gestartet. Sicher scheint in diesem Corona-Jahr nur eines: Die Zweite Handball-Bundesliga steht vor ihrer bislang außergewöhnlichsten Spielzeit. Allerdings auch vor ihrer unsichersten. Die Unplanbarkeit des Infektionsgeschehens, die Unwägbarkeiten der politischen Vorgaben, die Unsicherheit der wirtschaftlichen Zukunft – das sorgt wie überall im Sport für bange Blicke auf Pandemiekurven und wechselnde Planspiele. Sauer kann aktuell noch nicht mal seriös sagen, welcher Etat Rimpar zur Verfügung steht. "Er hängt maßgeblich von der Höhe der Nothilfe des Bundes ab. Und das ist eine Unbekannte unter anderen."
Die Saison beginnt spät - und keiner weiß, ob sie beendet werden wird. 342 Spiele in neun Monaten sind in der zweiten Liga angesetzt. Das bedeutet einige englische Wochen. An die Belastung denken die Sportler nach sieben Monaten Zwangspause freilich nicht zuerst. "Die Euphorie ist groß, dass es endlich wieder losgeht", sagt DJK-Kapitän Patrick Schmidt vor dem Auftakt am Samstag beim EHV Aue. Auch Ceven Klatt empfindet vor seiner zweiten Spielzeit als Rimparer Trainer "viel Vorfreude".
Rimpar zwischen personellem Umbruch und gesundheitlich-gesellschaftlichen Unwägbarkeiten - ein Über- und Vorausblick.

Der Kader
Für eine Verjüngungs- und Erfrischungkur sorgen nach vier Abgängen fünf Neuzugänge. Der "Dorfverein", der mit etlichen Eigengewächsen zum etablierten Zweitligisten reifte, ist vor seiner achten Runde im Unterhaus internationaler geworden. Drei der Neuen - Mittelmann Yonatan Dayan aus Israel, Linksaußen Tommy Wirtz, Nationalspieler aus Luxemburg, und Kreisläufer Valentin Neagu aus Rumänien - leben schon länger hierzulande. Einzig mit dem slowenischen Kreisläufer David Kovacic, der schon im EHF-Cup spielte, muss die Mannschaft noch Englisch sprechen. "Unser Kader ist breiter geworden und keinesfalls schlechter als letzte Saison", meint Klatt. "Die verschärfte Konkurrenzsituation sorgt eher für mehr Qualität."
Die Vorbereitung
Kein Trainingslager, keine Turniere. Drei Siege gegen Ligakonkurrenten - zwei gegen Ferndorf, einer gegen Hüttenberg - sowie drei Niederlagen - gegen die Aufsteiger Eisenach und Großwallstadt sowie Erstligist Erlangen - bedeuteten eine ausgeglichene Testspiel-Bilanz für Rimpar. "Die Ergebnisse sind für mich zweitrangig", sagt Klatt. "Wichtiger ist, dass wir verletzungsmäßig relativ gut durchgekommen sind, die Neuen integriert und uns physisch in eine gute Verfassung gebracht haben. Wo wir wirklich stehen, werden wir erst Ende Oktober sehen."
Der Angriff
Die Feldspieler-Startsechs steht für den Coach größtenteils: "Ich habe Vertrauen in alle Spieler, aber auf einer Position gibt es derzeit keine Nummer eins." Im Angriff betreffe es den linken Rückraum mit Lukas Siegler - in der Vorbereitung war er teils verletzt -, Benedikt Brielmeier und Philipp Meyer, den Klatt als weitere Alternative auf seiner ursprünglich erlernten Position testete. Ansonsten dürften die bisherigen Stammkräfte erst mal gesetzt sein. In den Tests hakte es noch an der Effektivität im Torabschluss. Wie bisher hat Rimpar keinen reinen "Shooter".
Die Abwehr
Meyer bildet zusammen mit Michael Schulz den neuen Innenblock. Entlastet werden sollen sie von Siegler, Neagu und Kovacic. Mit Spannung verfolgt Klatt den Zweikampf des jungen Torhüter-Duos Andreas Wieser und Marino Mallwitz. Beide standen bisher im Schatten überragender Routiniers, beide brennen auf Einsätze. "Sie sind auf Augenhöhe. Mal hält der eine, mal der andere besser", sagt der Coach. Im Kollektiv mit der Abwehr sollen Wieser und der Lübecker Neuzugang den Verlust von Max Brustmann kompensieren, der in der Vergangenheit konstant zu den besten Torhütern der Liga zählte - eine Herkulesaufgabe. Klatts Ziel: "Ich möchte, dass wir noch mehr von unserer guten Abwehr profitieren."

Das Saisonziel
Offizielles Ziel ist ein einstelliger Tabellenplatz, inoffiziell möchte Klatt Platz sieben bestätigen - mindestens.
Die Lage der Liga
Fünf Coronafälle und gleich die erste Spielverschiebung beim HSV Hamburg, eine Geschäftsführer-Verhaftung mit dem Verdacht des Millionenbetrugs und drohende Insolvenz beim Wilhelmshavener HV - schon vor dem Auftakt sorgte die Liga für Schlagzeilen. Als Aufstiegsfavoriten werden der VfL Gummersbach mit Neu-Trainer Gudjon Valur Sigurdsson und die SG BBM Bietigheim ohne seinen 2007-Weltmeister Michael Kraus gehandelt. Als Abstiegskandidat Nummer eins gilt der TuS Fürstenfeldbruck, der nach 28 Jahren zurück ist im Unterhaus. Rimpar darf sich wieder auf ein Derby gegen Wiederaufsteiger TV Großwallstadt freuen.
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Die Zuschauerfrage
Das Überleben der meisten Klubs hängt von Zuschauern ab. Die finale Genehmigung des Gesundheitsamtes für das gemeinsame Hygiene- und Betriebskonzept von Rimparer Wölfen und Basketall-Bundesligist s.Oliver Würzburg stand zuletzt noch aus, doch die Handballer planen weiter mit Fans in der s.Oliver Arena beim ersten Heimspiel am 10. Oktober gegen den TV Hüttenberg. Voraussetzung dafür: Die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner in und um Würzburg muss am Montag vorher unter dem Wert von 35 Infizierten liegen. Der ursprüngliche Sitzplatzplan wurde noch mal überarbeitet - hin zu Zehner- oder Fünfer- und kleineren Gruppen. Demnach könnten mindestens 600 und maximal 1000 Besucher in die Halle. Alle Zweitliga-Spiele werden auch in dieser Saison live vom Online-Sender sportdeutschland.tv übertragen.
Der Klatsch
Patrick Schmidt ist am 9. September zum ersten Mal Papa geworden: Seine Frau brachte Sohn Lenni zu Welt. "Ich bin sehr stolz und sehr glücklich", sagt der glühende Fan des Fußball-Zweitligisten 1. FC Nürnberg. Zur Geburt gab's bereits die ersten Fan-Utensilien für den Sohnemann: "einen Club-Schnuller und einen Wölfe-Strampler". Rechtsaußen Julian Sauer musste im Sommer auf ein freudiges Ereignis verzichten: Die geplante kirchliche Hochzeit des neuen Team-Oldies mit der Schwester von Schmidts Frau fiel Corona zum Opfer und musste verschoben werden.

Die DJK Rimpar Wölfe auf einen BlickDER KADER (Alter in Klammern)
Tor: Andreas Wieser (24), Marino Mallwitz (24)
Rückraum Mitte: Patrick Schmidt (28), Yonatan Dayan (20)
Rückraum links: Benedikt Brielmeier (30), Lukas Siegler (23), Philipp Meyer (23)
Rückraum rechts: Steffen Kaufmann (27), Lukas Böhm (26)
Linksaußen: Dominik Schömig (26), Tommy Wirtz (28)
Rechtsaußen: Julian Sauer (32), Felix Karle (20)
Kreis: Michael Schulz (24), David Kovacic (25), Valentin Neagu (19)DIE TRAINER
Ceven Klatt (Cheftrainer seit 2019), Josef Schömig (Co-Trainer), Andreas Thomas (Torwarttrainer), Achim Moser (Athletiktrainer)
DIE ZU- UND ABGÄNGE
Zugänge: Marino Mallwitz (VfL Lübeck-Schwartau), Yonatan Dayan (VfL Gummersbach), Tommy Wirtz (HG Saarlouis), David Kovacic (RD Riko Ribnica), Valentin Neagu (Rhein-Neckar Löwen)
Abgänge: Max Brustmann (Karriereende), Benjamin Herth (HSC Bad Neustadt), Patrick Gempp (HSG Wetzlar), Fin Backs (MT Mesungen)
DAS SAISONZIEL
einstelliger Tabellenplatz
DIE HALLE
s.Oliver Arena Würzburg
DIE BILANZ
2006/07 1. Landesliga
2007/08 5. Oberliga
2008/09 1. Oberliga
2009/10 12. Regionalliga Süd
2010/11 1. Oberliga
2011/12 6. Dritte Liga Ost
2012/13 1. Dritte Liga Ost
2013/14 14. Zweite Liga
2014/15 5. Zweite Liga
2015/16 14. Zweite Liga
2016/17 4. Zweite Liga
2017/18 8. Zweite Liga
2018/19 9. Zweite Liga
2019/20 7. Zweite Liga (bei Saisonabbruch)ng