Als Meisterschaftsfavorit gestartet, überwintern die Würzburger Kickers als Tabellenfünfter der Fußball-Regionalliga Bayern. Mit welchen Ambitionen gehen die Rothosen ins nächste Jahr? Im Doppel-Interview sprechen Sportdirektor Sebastian Neumann und Trainer Martin Lanig über die Fehler der Vergangenheit und darüber, was nun besser werden soll.
Frage: Das Jahr 2024 geht zu Ende. Mit welchen Gefühlen blicken Sie zurück?
Sebastian Neumann: Ich bin froh, dass dieses Jahr vorbei ist, und man auch einmal zur Ruhe kommen kann. Es war sehr emotional, aufwühlend und extrem anstrengend. Man kann dieses Jahr halbieren: in eine erste Hälfte mit vielen tollen Momenten. Ab dem 2. Juni, der Niederlage im Elfmeterschießen gegen Hannover und dem verpassten Drittliga-Aufstieg wurde es ein sehr schwieriges Jahr, in dem wir am Ende hinter unseren Erwartungen geblieben sind.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Status quo?
Martin Lanig: Als ich die Mannschaft Ende September übernommen habe, habe ich viel Verunsicherung wahrgenommen. Für mich ging es darum, die Mannschaft zu stabilisieren. Die Punkteteilungen waren am Ende oft ärgerlich, da nach dem Spielverlauf mehr drin gewesen wäre.
Vor der Saison galten die Kickers als Topfavorit. Ist die Mannschaft gut genug, um diesen Erwartungen gerecht werden zu können?
Lanig: Man sieht ja, wo wir stehen. Jetzt geht es darum, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Und die wären?
Lanig: Die körperliche Entwicklung der Spieler und unseres Spielsystems. Dafür benötigt es aber ein Trainerteam, das mit mir diese Entwicklung systematisch vorantreiben kann.
Es soll also ein neuer Co-Trainer kommen?
Lanig: Um mit den Spielern auch individuell besser arbeiten zu können, ist es wichtig, die Stelle des Co-Trainers wieder zu besetzen.
Neumann: Auf dieser Position muss es einfach passen. Dazu soll unser Physiotherapeut, wie im letzten Jahr auch, mehr Aufgaben im athletischen Bereich übernehmen. Zusätzlich arbeiten wir jetzt mit einem Experten im Bereich Leistungsdiagnostik zusammen.

Sie haben immer betont, dass sie überzeugt von dieser Mannschaft sind und dass dieser Kader auch den hohen Erwartungen Stand halten kann. Haben Sie sich getäuscht?
Neumann: Nein. Ich bin noch immer überzeugt, dass die einzelnen Spieler Qualität haben. Aber einige Dinge sind schlecht gelaufen. Als Folge aus dem verlorenen Aufstiegsspiel in Hannover hatten wir eine extrem kurze Vorbereitung und das mit einem komplett neuen Trainerteam und 13 Neuzugängen. Dazu kam noch viel Verletzungspech. Dann konnten wir, das stimmt, die Erwartungen nicht erfüllen. Die Mannschaft hat das, was unser Ex-Trainer Markus Zschiesche vorgegeben hat, nicht zu 100 Prozent umgesetzt oder auch umsetzen können. Daraus folgte ein Trainerwechsel. Dass sich da Verunsicherung breit macht, ist klar. Die individuelle Qualität des Teams ist da. Die hat sie in einzelnen Spielen aufblitzen lassen. Fakt ist aber auch, dass sie diese als Team gemeinsam zu wenig gezeigt hat, sonst wären wir nicht aktuell auf dem Tabellenplatz.
Ist der Kader schlechter als vergangene Saison?
Neumann: Den Vergleich kann ich nicht ziehen. Der letzte Kader hatte zwei Jahre Zeit, sich zu entwickeln.

Der FC Schweinfurt 05 steht mit einer regional geprägten Mannschaft an der Tabellenspitze. Haben die Kickers sich da etwas vorzuwerfen? Haben Sie Spieler übersehen, die quasi vor der Haustür gespielt haben, dann nach Schweinfurt wechselten und dort beim Tabellenführer nun Leistungsträger sind?
Neumann: Den Vorwurf würde ich so nicht gelten lassen. Nur weil ein Spieler in Schweinfurt herausragt, heißt das noch lange nicht, dass das hier auch der Fall wäre. Im Sommer war die Kaderplanung eine besondere, weil wir sehr lange nicht wussten, in welcher Liga wir spielen werden. Ich gebe ganz offen zu: Es gab Spieler, von denen wir gesagt haben: Denen trauen wir die Dritte Liga nicht zu. Als wir dann Klarheit hatten, waren viele Spieler schon vom Markt. Dass in Schweinfurt einige Jungs dabei sind, die eine gute Qualität haben, steht ja außer Frage.
Wünschen Sie sich als Trainer personelle Veränderungen in der Winterpause?
Lanig: Eine Analyse des Kaders gehört selbstverständlich dazu. Anpassungen in der Winterpause sind aufgrund vertraglicher Konstellationen nicht ganz einfach. Doch ich bin mir mit Basti einig, dass wir die Mannschaft auch personell weiterentwickeln müssen.
Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen Sportdirektor und Trainer vorstellen?
Neumann: Wir sind im intensiven Austausch. Ich bekomme immer wieder Spielernamen zugerufen. Martin hat sein Netzwerk. Wenn uns ein Spieler verstärken kann, ins Teamgefüge passt und auch mit uns noch etwas erreichen möchte, sind wir in der Situation, dass wir im Winter etwas tun können.
Was ist für die Kickers noch drin in dieser Saison?
Lanig: Jetzt geht es erst einmal darum, in der jetzigen Situation die richtigen Entscheidungen zu treffen, das richtige Trainerteam zusammenzustellen und die Vorbereitung zu planen. Das geht mit Laufplänen für die nächsten Wochen los. Dann kommen sechs gemeinsame Wochen auf dem Platz inklusive eines Trainingslagers. Diesen Weg gut zu bestreiten, ist das, was mich jetzt beschäftigt. Und dann wird man sehen, was möglich ist. Wir werden um jeden Platz fighten.
Ist das eine Kampfansage?
Lanig: Für mich geht es nicht darum, nach außen irgendwelche Ansagen zu machen, sondern intern die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Die Ausrichtung auf maximalen Erfolg muss erlebbar gemacht werden, daraus entwickelt sich eine Dynamik. Wenn wir die Saison abschenken würden, könnten wir uns die Anstrengungen schenken. Wir wollen noch den größtmöglichen Erfolg haben.

Identifizieren sich alle Spieler voll mit der Aufgabe in Würzburg?
Neumann: Jetzt ja! Ich habe jetzt das Gefühl, dass es nun zwischen Trainer und Mannschaft passt. Ich denke, die Jungs wissen jetzt, wo sie hier spielen und identifizieren sich mit dem Klub. Sollten wir bei einem zweifeln, dann werden sich die Wege trennen müssen. Solche Spieler brauchen wir nicht.
Warum hat die Mannschaft nie Konstanz in ihre Leistungen gebracht. Weshalb konnte sie auch den Rückenwind aus dem Derbysieg gegen Schweinfurt nicht aufnehmen?
Lanig: Das hat verschiedene Ursachen. Ein Thema, und das können wir aufgrund von objektiven Werten nun auch belegen, ist, dass unsere körperliche Verfassung nicht auf dem besten Niveau war. Das Spiel gegen Schweinfurt war ein tolles Erlebnis. Da hat man im Stadion die Energie gespürt, die wir hier zusammen mit den Fans entwickeln können. Aber man hat danach gesehen, wie viele Körner uns dieses Spiel gekostet hat. Den Energielevel konnten wir nicht halten.
Wie kann das sein? Die Kickers sind ein Profiteam in einer Liga mit vielen Amateurmannschaften.
Lanig: Die Frage ist tatsächlich berechtigt.
Und wie lautet Ihre Antwort? Mehr Training?
Lanig: Es kommt nicht nur darauf an, wie viele Trainingseinheiten man macht, sondern vor allem, wie intensiv diese sind. Es war bei der Übernahme der Mannschaft ein schmaler Grat, das Fitnesslevel sukzessive zu steigern und gleichzeitig dem Spielrhythmus mit den Englischen Wochen gerecht zu werden. Wir werden unsere Ansprüche und somit die Intensität des Trainings weiter steigern. Nur zu sagen, wir müssten mehr trainieren, um fitter zu werden, das ist mir zu einfach. Grundsätzlich gilt: Profitum ist nicht nur eine vorgegebene Struktur, sondern auch eine innere Haltung. Es bringt nichts, Profitum vorzugeben, wenn es nicht gelebt werden kann. Das muss man sich immer anschauen, bewerten und auf das, was man analysiert, reagieren.