Seit sie 2010 nach Würzburg kam, spielt Michaela Kessie (35) Lacrosse, auch wenn sie den ein oder anderen Rückschlag hinnehmen musste. Im Interview spricht die junge Mutter über die Probleme ihres Nischensports, den Beate-Uhse-Cup und erklärt, warum ihr das Ehrenamt mehr zurückgibt, als sie je geben könnte.
Frage: Wer hat Sie angespielt?
Michaela Kessie: Das war Christoph Ritz. Er hat bei den Freien Turnern mal eine Kampfsport-Abteilung gegründet und deshalb ein Herz für Randsportarten. Die Freien Turner Würzburg sind ein vielseitiger Verein mit vielen Abteilungen, die nicht dem Mainstream angehören, beispielsweise Darts, Ultimate Frisbee oder Taekwondo.

Wie war Ihr Laufweg?
Kessie: Ich kam 2010 von Ingolstadt nach Würzburg, um Biologie zu studieren. Über einen Flyer des Hochschulsports kam ich zum Lacrosse und bin hängengeblieben, weil ich eine Sportart machen wollte, bei der ich mich richtig auspowern konnte. In meiner Jugend habe ich Eiskunstlauf auf Leistungssportniveau betrieben.
Eine Sportart, die einem sehr viel abverlangt, oder?
Kessie: Ja, beim Eiskunstlauf muss man den kompletten Körper trainieren, konditionell fit sein, und die Flexibilität und Eleganz dürfen natürlich auch nicht zu kurz kommen. Dazu kommen die Temperaturen, und man macht Sprünge mit Drehungen auf einer Millimeter großen Kufe auf einer glatten Eisfläche. Es ist schon extrem. Ich befürchte auch, dass ich deshalb so anfällig war für Knieverletzungen.
Klingt nach einer längeren Leidensgeschichte.
Kessie: Ja, ich hab' mir 2011 bei der Hochschulmeisterschaft in Würzburg das Kreuzband gerissen. Insgesamt hatte ich schon vier Kreuzbandrisse und wurde insgesamt fünf Mal operiert. Den letzten Kreuzbandriss habe ich auch nicht mehr operieren lassen, sondern versucht, das fehlende Band, mit Muskelaufbau auszugleichen, auch weil ich mich um meine Promotion kümmern musste.

Trotzdem haben Sie nicht aufgehört, Lacrosse zu spielen.
Kessie: Ich liebe Sport und konnte einfach nicht ohne. Nach der Reha wurde ich Spielertrainerin. Mit den Freien Turnern haben wir mehrere Jahre in der Bayernliga gespielt und sind 2018 aufgestiegen in die erste Liga. Eine Lacrosse-Saison dauert von Ende September bis Juni, mit einer Winterpause zwischen Dezember und März. Coronabedingt fehlen uns leider ein bisschen die Spieler, weil der Hochschulsport in dieser Zeit nicht so stattfand. Deshalb sind wir eine Spielgemeinschaft mit Regensburg eingegangen und wieder abgestiegen.
Welche Voraussetzungen braucht man, um Lacrosse zu spielen?
Kessie: Die Lernkurve ist extrem beim Lacrosse. Wer sportlich ist, kann zum Lacrosse kommen, wir stellen auch die Ausrüstung. Den Umgang mit dem Ball und dem Schläger lernt man relativ schnell. Die Regeln sind auch unkompliziert. Im Endeffekt muss das Runde ins Eckige, wie beim Fußball auch. Es gibt sogar einen Torhüter, Angreifer, Verteidiger und Mittelfeldspieler. Lacrosse ist eine Randsportart. Und wenn man gut ist, kommt man da schnell weit nach oben. Wir hatten deshalb bei uns schon mehrere Nationalspieler.

Lacrosse kommt aus dem nordamerikanischen Raum. Spielen bei euch viele Sportlerinnen und Sportler, die das Spiel von dort kennen?
Kessie: Die meisten kommen über die Universität zu uns, aber es ist gibt auch einige, die in den USA gelebt und dort Lacrosse gespielt haben. Dort ist die Sportart sehr beliebt, vor allem an der Ostküste und in Kanada. Die Finals zwischen den Universitäten sind das höchste Niveau im Lacrosse. Bei Olympia 2028 in Los Angeles wird Lacrosse in einer abgewandelten Version mit nur sechs Spielern dabei sein.

Sie waren auch Schiedsrichterin und haben eine Ligaleitung übernommen. Warum stecken Sie so viel Herzblut in die Sportart?
Kessie: Es ist alles sehr familiär. Wir kennen auch all unsere Gegner. Im Sommer gibt es viele Turniere, bei denen es vor allem um den Spaß geht. Das Ehrenamt hat mir mehr zurückgegeben, als ich investiert habe. Ich hatte auch Angst, dass es sonst kein Damen-Team mehr in Würzburg gibt.
Wünschen Sie sich mehr Aufmerksamkeit für Lacrosse?
Kessie: Ja, weil wir immer neue Leute beim Lacrosse brauchen und es einfach super viel Spaß macht. Wer mal vorbeikommen will, ist herzlich eingeladen und kann sich über die Kontaktdaten auf unserer Homepage oder Instagram gerne melden. Wir trainieren montags bei den Freien Turnern an der Mergentheimer Straße, mittwochs an der Uni am Hubland, und im Winter trainieren wir freitags sogar in einer Halle.
Etwas Aufmerksamkeit bekommt Lacrosse einmal im Jahr über den Beate-Uhse-Cup. Was ist das? Und woher kommt der Name?
Kessie: Der Beate-Uhse-Laden war jahrelang Sponsor bei uns, der Name ist einfach geblieben. Das Turnier findet im Sommer über zwei Tage statt. Die Lage am Main mit Blick auf die Festung ist super, und wir hatten immer gutes Wetter. Meistens kommen acht Herren- und sechs Damenteams aus ganz Deutschland zum Turnier.
Was macht die Karriere neben der Karriere?
Kessie: Vor meinem Biologie-Studium in Würzburg habe ich schon eine Ausbildung zur medizinisch-technische Laborassistentin gemacht und anschließend mein Abitur nachgeholt. Nach meinem Masterabschluss bekam ich die Möglichkeit, in Würzburg zu promovieren. Vereinfacht gesagt, habe ich einen Genabschnitt in dem multiresistenten Bakterium Staphylococcus aureus, besser bekannt als MRSA, erforscht. Es war wirklich die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Und haben Sie die Nadel gefunden?
Kessie: Nicht explizit. Aber ich habe herausgefunden, unter welchen Bedingungen dieses Gen hoch oder runter reguliert wird. Mittlerweile arbeite ich seit 2021 im Labor LS in Bad Bocklet. Wir sind ein Dienstleisterlabor und testen Medikamente, Kosmetika oder Lebensmittel. Wir überprüfen die Inhalte und gucken, ob Grenzwerte nicht überschritten werden. Erst danach dürfen diese Artikel auf den Markt kommen.

Wen spielen Sie an?
Kessie: Ich spiele den Ball weiter zu Charlotte Richter. Sie spielt bei den Freien Turnern Ultimate Frisbee. Würzburg hat etliche Nationalspieler im Ultimate Frisbee, Charlotte ist eine davon und auch Abteilungsleiterin beim Ultimate Frisbee in Würzburg.
Das Interview-Format "Steilpass"In unserem Interview-Format "Steilpass" übernehmen die Interviewten die Regie. Am Ende des Gespräches dürfen sie entscheiden, wer als Nächstes an der Reihe ist, von uns befragt zu werden – sie spielen also den nächsten Protagonisten oder die nächste Protagonistin an.Quelle: cam
- Christoph Ritz: Der Würzburger Thaiboxer will mit seinem Sport Gewalt vorbeugen
- Simon Rösner: Die deutsche Squash-Ikone ist zurück in Würzburg: Wie der Sport ihn durch die Welt begleitete
- Zenon Droszcz: Mehr als der freundliche Herr mit dem Tischtennis-Schläger: Er liebt seinen Job und seine Familie
- Trevor Pearman: Der Brite im Golf Club Würzburg über das Leben als Golflehrer und die Veränderungen in seinem Sport
- Goran Popov: Vom Davis-Cup-Spieler zum regionalen Tennistrainer: So arbeitet er bei Weiß-Blau Würzburg
- Stefan Mantel: Beim Bundesliga-Aufstieg wurde er abgeduscht: Seit über 25 Jahren begleitet er den Würzburger Basketball
- Demond Greene: Wie Dirk Nowitzki die Oma des Basketballers dazu brachte, wütend beim Fernsehen anzurufen
- Marvin Willoughby: Wie der frühere Würzburger Basketballer aus einem Sozialprojekt einen Bundesligisten machte
- Kresimir Loncar: Der Baskets-Sportdirektor über Würzburg: "Als ich damals gekommen bin, war es ein Schock für mich"
- Alf Mintzel: "Nach Siegen gab es bei mir Bierchen und Kippchen" – Der Rimparer kam ohne NLZ in den Profi-Fußball
- Björn Auer: Als der Stürmer plötzlich einen Elfmeter hielt: Eine Geschichte, wie sie der Fußball leider nicht schrieb
- Daniel Mache: "Macheee, der Freche" – Warum er nach dem Tor gegen die Würzburger Kickers einen neuen Spitznamen hatte
- Stefan Schmitt: Rimparer Urgestein über die "Goldene Generation", die neuen "Wölfe Würzburg" und Quattroball
- Christian Gabold: Basketball in Veitshöchheim und durstige Donnerstage
- Steffen Krautschneider: Er würde nicht mal in der F-Jugend ein Tor köpfen – der ehemalige Schweinfurter im Interview
- Philipp Christ: "Ich kriege heute noch Gänsehaut!" – Der Trainer des TSV Eisingen über den Aufstieg mit seinem Heimatverein
- Fritzy Kromp: "Das Thema Zyklus sollte kein Tabu mehr sein" – Die Eisingerin über die unangenehmen Themen im Frauenfußball
- Medina Desic: Lauffaul sein geht heute nicht mehr – Die Stümerin über RB Leipzig und ihr Nationalmannschafts-Abenteuer